26. AUGUST - 4. SEPTEMBER 2002 JOHANNESBURG, SÜDAFRIKA |
Zehn Jahre nach der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (UNCED) 1992 in Rio de Janeiro findet vom 26. August bis 4. September 2002 ein Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung statt. Vertreter und Vertreterinnen von Regierungen, internationalen Organisationen, Nichtregierungsorganisationen (NROs) sowie Kirchen und anderen Glaubensgemeinschaften werden in Johannesburg zu diesem Gipfel zusammenkommen. Knapp 50 000 Personen werden nach den Schätzungen des UN-Sekretariats vom Gastgeber Südafrika erwartet. Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) sowie Vertreter und Vertreterinnen aus Mitgliedskirchen und weltweiten Gemeinschaften haben die Nacharbeit zur Rio-Konferenz in den vergangenen zehn Jahren verfolgt und am Vorbereitungsprozess für den Gipfel teilgenommen. Das speziell zu diesem Zweck eingerichtete ökumenische Team wird auf der Schlusstagung des Vorbereitungsausschusses vom 27. Mai - 7. Juni auf Bali (Indonesien) und auf dem Gipfel selbst zugegen sein. Hintergrund Seit mehr als zwanzig Jahren bemüht sich der ÖRK, innerhalb seiner weltweiten Mitgliedschaft ein Verständnis der integralen Beziehung zwischen sozialer Gerechtigkeit, menschlicher Entwicklung und Umweltschutz aufzubauen, das vom Glauben her definiert ist. Angesichts dessen, was zehn Jahre nach dem Rio-Gipfel von 1992 erreicht ist, blickt die ökumenische Gemeinschaft mit einiger Besorgnis auf den Gipfel von Johannesburg und befürchtet, dass die Hoffnungen einmal mehr durch nicht eingelöste Versprechungen zerschlagen werden. Das Unvermögen, die Beschlüsse und Empfehlungen von Rio umzusetzen, wie auch die unerfüllten Erwartungen, die an den Gipfel für Entwicklungsfinanzierung in Monterrey (Mexiko) geknüpft wurden, sagen weit mehr über die Wirklichkeit aus, mit der wir es zu tun haben, als die bislang im Vorbereitungsprozess auf den Johannesburg-Gipfel abgegebenen Versprechungen. |
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In den zehn Jahren seit Rio ist das Konzept der "nachhaltigen Entwicklung", das die Notwendigkeit der Entwicklung mit dem Konzept der Nachhaltigkeit verknüpft, unterminiert worden vom unaufhaltsamen Vormarsch der unternehmensbestimmten, marktorientierten Wirtschaftskräfte und deren globaler Verbreitung. Das zugrunde liegende Entwicklungsparadigma mit seiner starken Betonung des wirtschaftlichen Wachstums und der Ausdehnung des Marktes dient zuallererst den Interessen der mächtigen Wirtschaftsplayer. Die armen Bevölkerungsschichten sind noch stärker an den Rand gedrängt worden, während sie gleichzeitig mehr und mehr ihrer grundlegenden Lebenssicherheiten beraubt werden: Zugang zu Land, Wasser, Nahrungsmitteln, Arbeit, grundlegenden Versorgungsdiensten sowie eine gesunde Umwelt. Welthandel, Finanzinvestitionen und Partnerschaften zwischen privatem und öffentlichem Sektor funktionieren immer noch nach demselben Muster. | Frauen transportieren Erde, um ihre Häuser in Harirampur, rd. 80 km westlich von Dhaka, Bangladesch, vor Überflutung zu schützen. |
Hinzu kommt, dass der Nettostrom an Reichtümern, die aus dem Süden in den Norden fließen, zunimmt. Das liegt daran, dass sich die Schuldenkrise zuspitzt, dass Zusagen zu internationaler Zusammenarbeit seitens der OECD-Länder nicht erfüllt werden und dass die Negativaspekte der Globalisierung zunehmen. Die Folge ist eine Schwächung der politischen Institutionen und ihrer Legitimation auf nationaler und internationaler Ebene sowie die Unmöglichkeit für eine Mehrheit von Ländern, die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte ihrer Bevölkerung gegenüber den mächtigen globalen Playern zu behaupten. Die Nutznießer sind’s zufrieden, solange ihre Regierungen ihren privilegierten, nicht-nachhaltigen Lebensstil protegieren. Ein Richtungswechsel ist unumgänglich. Vision Die Einstellung des ÖRK zu dieser Problematik beruht auf der Überzeugung, dass die Schöpfung heilig ist und das Leben spirituelle und physische Dimensionen hat. Wir bekräftigen, dass allen Menschen bestimmt ist, in gerechten Beziehungen mit ihren Nächsten, der Erde und dem Schöpfer zu leben, die Ganzheit der Erde zu achten und sich für Gesundheit und Wohlergehen aller Mitgeschöpfe einzusetzen. Durch ihren heiligen Ursprung wird die Erde für alle Zeiten zum gemeinsamen Erbe aller Völker, und wir sollen uns dieses Erbes im gerechten, liebevollen und verantwortlichen Umgang miteinander erfreuen. |
... der heilige Charakter aller Schöpfung |
Das Verständnis, das sich im Laufe der Beteiligung des ÖRK am UNCED-Folgeprozess entwickelt hat, bildet die Grundlage für die ökumenische Vision und Aufforderung zu einem alternativen Ansatz. Anstatt sich auf "nachhaltige Entwicklung" zu konzentrieren, plädiert der ÖRK für den Aufbau "bestandfähiger Gemeinschaften". Das soziale Konzept der bestandfähigen Gemeinschaften impliziert die Pflege gerechter Beziehungen innerhalb der menschlichen Familie wie auch zwischen Mensch und biologischer Umwelt. Solche Gemeinschaften setzen eine gerechte und ethisch vertretbare Volkswirtschaft voraus, in der die Menschen an den Entscheidungsprozessen beteiligt sind, die ihr Leben betreffen; in der öffentliche und private Institutionen und Unternehmen rechenschaftspflichtig sind und haftbar gemacht werden für die sozialen und ökologischen Folgen ihrer Geschäftstätigkeit; und in der die Erde und die ganze geschaffene Ordnung mit höchster Achtung und Ehrfurcht behandelt werden anstatt ausgebeutet und zerstört zu werden. |
Indem sie für den Primat von Gerechtigkeit, ökologischer Nachhaltigkeit und den Aufbau bestandfähiger Gemeinschaften plädiert, erklärt die ökumenische Gemeinschaft, dass eine authentische menschliche Entwicklung niemals erreicht werden kann, wenn das höchste Ziel die Anhäufung von Reichtum und materiellen Gütern ist - speziell auf Kosten anderer Teile der Weltgemeinschaft sowie der Gesundheit des globalen ökologischen Gemeinguts. Gerechtigkeit und Gleichheit müssen im Mittelpunkt jedes nachhaltigen Wirtschafts-, Gesellschafts- und Umweltsystems stehen, das die gesamte Erdgemeinschaft tragen soll. Ziele Der ÖRK will mit aufklärenden Hinweisen, kritischen Überlegungen und Alternativvorschlägen zu den WSSD-Verhandlungen und Debatten über nachhaltige Entwicklung beitragen: |