Konferenz Europäischer Kirchen Ökumenische Rat der Kirchen Lutherischer Weltbund |
Bericht der ökumenischen Delegation in Jugoslawien Novisad, Belgrad, 16. 18. April 1999 Jugoslawiens doppelte Tragödie |
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2. BEGEGNUNG MIT
PROTESTANTISCHEN KIRCHENLEITERN (NOVISAD) |
1. EINLEITUNG Eine gemeinsame Delegation der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK), des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) und des Lutherischen Weltbundes (LWB) besuchte die Bundesrepublik Jugoslawien (FRY) vom 16. bis 18. April 1999. Ziel des Besuches war es, mit den Verantwortlichen der Mitgliedskirchen in der Bundesrepublik Jugoslawien zusammenzutreffen und mit ihnen über die Gründe und Folgen der derzeitigen Krise im Kosovo und der NATO-Bombardierungen in Jugoslawien zu sprechen. Die Delegation besuchte Mitgliedskirchen in den jugoslawischen Städten Novisad und Belgrad, konnte jedoch aufgrund er Einschränkung der Bewegungsfreiheit als Folge der intensiven Konfliktsituation dort nicht in die Provinz Kosovo selbst einreisen. Auch Besuche bei den Mitgliedskirchen in Albanien und den anderen Ländern der Region waren geplant. Der Besuch fand bald nach dem Beginn der Bombenkampagne gegen Ziele in der gesamten Bundesrepublik Jugoslawien statt. Die ökumenische Delegation wurde im Zusammenhang mit der weitverbreiteten internationalen Sorge durchgeführt, die durch den massiven und tragischen Exodus von über einer halben Million Kosovo-Albanern in die Nachbarländer Albanien und Mazedonien und die Berichte und Vorwürfe von ernsthaften Menschenrechtsverletzungen, Zwangsdeportation und willkürlichen Hinrichtungen verursacht wurde und die vom UNO-Flüchtlingskommisariat , dem UNO-Menschenrechtskommissariat und anderen im einzelnen verfolgt wurden. |
Ziel dieses Berichtes ist es, die Ergebnisse des Besuchs und der Gespräche mit den jugoslawischen Kirchenleitungen mitzuteilen und die vorläufigen Ergebnisse der Delegation zusammenzufassen.
Die Ziele des Besuchs waren:
Es gibt eine Reihe von Reaktionen der Kirchengemeinschaften in Jugoslawien auf die Krise im Kosovo und vor allem auf das Eingreifen der NATO und seine Folgen sowie Erklärungen undgemeinsame Gebete. Die Kirchenleitungen sind im allgemeinen gut informiert über die Flüchtlingskrise und die Deportation im Kosovo sowie seine dramatischen Folgen auf die Zivilbevölkerung und die Nachbarländer. Alle Kirchenleiter verurteilen ausdrücklich jede Gewalt, Einschüchterung, ethnische Säuberung und Zwangsvertreibung der Zivilbevölkerung im Kosovo und unterstützen Forderungen nach einer friedlichen Lösung des Konflikts auf dem Verhandlungswege. Es gibt jedoch unterschiedliche Einstellungen zu den direkten Ursachen der Gewalt und der Flüchtlingskrise im Kosovo. Für die meisten Kirchen ist die Rolle der bewaffneten separatistischen kosovo-albanischen Kräfte ein wichtiger Faktor, der zur Radikalisierung der Lage in der Region zusammen mit der gewalttätigen Antwort der jugoslawischen und serbischen militärischen und paramilitärischen Kräfte beigetragen hat, und die NATO-Bombardierungen werden so gesehen, dass sie zum Exodus der Menschen aus der Region erschwerend beigetragen haben.
Die Konfliktsituation und die NATO-Angriffe waren die Hauptthemen der Diskussion. Novisad ist drei Wochen lang jede Nacht von den Luftangriffen getroffen worden, und mehrere Ziele in den Vororten und zentrale Brücken der Stadt sind zerstört worden. Die Ortskirchen verurteilen einstimmig die NATO-Angriffe, die als ungerechte und unmenschliche Anwort auf eine komplexe Folge von Ereignissen angesehen werden, die zu der Krise um das Kosovo geführt haben und die von ihnen als illegale und unmoralische Angriffe auf einen souveränen Staat verstanden werden. Die Kirchenleiter betonten, dass die Bombenkampagne die Demokratie unterminiert, die Kontrolle des Regimes im Land verstärkt und die extremistischen Kräfte in Jugoslawien und unter den ethnischen Albanern radikalisiert hat.
Bischof Istvan, das Oberhaupt der Reformierten Kirche in Jugoslawien, ist sich sicher, dass der Krieg im Kosovo hätte verhindert werden können, wenn die westlichen Mächte nicht eingegriffen und "unmögliche Erwartungen" geweckt hätten. Nach Meinung des lutherischen Bischofs Valent ist "die humanitäre Tragödie der Albaner durch die Aktionen der NATO und der KLA (Befreiungsarmee des Kosovo) verschärft worden". Die Krise im Kosovo ist das Ergebnis des Abbaus des heiklen jugoslawischen Gleichgewichts zwischen Nationalitäten, das Tito aufgebaut hatte, und der extremistischen Kosovo-Albaner, die von den westlichen Mächten ermutigt wurden, eine Trennung von Jugoslawien anzustreben, sagten die Vertreter der Kirchen. Der methodistische Superintendent Hovan fügte hinzu, dass "jetzt das ganze Land in einer Krise ist" und dankte der ökumenischen Familie für ihre Hilfe und Unterstützung gegenüber allen Opfern des Konflikts.
Die ethnischen Minderheiten in der Provinz Wojwodina (hauptsächliche Ungarn und Slowaken) "sind für die Krise im Kosovo nicht verantwortlich", erklärte Bischof Valent, "aber die Folgen auf die Lage vor Ort sind bedeutsam". Junge Männer stehen vor der Gefahr, mobilisiert zu werden, die Auswirkungen auf die Wirtschaft sind schwerwiegend, und es gibt vereinzelte Beispiele von fremdenfeindlichen Haltungen gegenüber Minderheitsgruppen, die es vor den NATO-Luftattacken nicht gegeben hat. Die Einführung des Kriegszustand in Jugoslawien bedeutet auch, dass die Kirchen eine Genehmigung einholen müssen, wenn sie Versammlungen ausserhalb von Gottesdiensten veranstalten wollen.
Das tiefe Gefühl der Ungerechtigkeit und der Entrüstung, das in der traditionell multi-ethnischen und multi-kulturellen Region entstanden ist, wird von einer örtlichen Universitätsprofessorin, Dr. Svenka Savic, formuliert, deren Text von den Kirchen im Ausland verbreitet wird. "Brücken sind Gebilde.. des Geistes, die Menschen und Objekte miteinander verbinden Die Bombardierung der Brücke in Novisad symbolisiert die Trennung zwischen den Völkern, den Weltteilen, die Trennung in uns selbst. Die Bombardierungen der Brücke in Novisad ist nur eine von einer Reihe von Bombardierungen in unserem (früheren) Land .und heute stehen wir vor unserer zerstörten Brücke, jeder von uns erinnert sich daran, wie wir mit ihr gelebt haben ., und wir weinen alle. Wir weinen, weil wir diejenigen hassen, die sie uns weggenommen haben. Mit der Zerstörung der Brücke von Novisad als einem strategischen Punkt haben sie uns den gefühlsmässigen Punkt unseres Gleichgewichtes weggenommen , und nun hinken wir auf der Suche nach Hilfe."
3. DIE BEGEGNUNG MIT DER
RÖMISCH-KATHOLISCHEN KIRCHE (BELGRAD)
4. BEGEGNUNG MIT DER SERBISCH-ORTHODOXEN
KIRCHE (BELGRAD)
Der Patriarch erinnerte die Delegation daran, dass er selbst 34 Jahre lang im Kosovo gelebt hatte und
die Lage dort aus erster Hand kennt. Er äusserte seine tiefe Sorge angesichts des Leidens der
Menschen und der tragischen Zerstörung, die in der Provinz geschieht. Er glaubt, dass es
wichtig ist,
die Ursachen und Gründe für die derzeitige Lage zu verstehen. Seiner Ansicht nach
befindet sich der
jugoslawische Staat in einer unmöglichen Position, da bewaffnete Separatisten für die
Unabhängigkeit vom übrigen Jugoslawien kämpfen. Der NATO-Eingriff wird als
ein Angriff auf die
Souveränität und Freiheit des Landes durch westliche Mächte gesehen, der nichts
zur Förderung
einer Lösung auf dem Verhandlungsweg beiträgt. Was sagt uns das Evangelium , wenn
unsere
Integrität und Freiheit angegriffen werden, fragt er. Die Kirche ist gegen Krieg, aber ein Staat
hat das
Recht, seine Integrität zu verteidigen. das Evangelium sagt aber auch, dass wir vor Gott
für unsere
Handlungen und unser Leben gerade stehen müssen und dass "all unser Wirken in dieser Krise
der
Gerechtigkeit, der Wahrheit und er Nächstenliebe dienen" müsse, betonte er.
Das serbische Kirchenoberhaupt begrüsst die Handlungen und Erklärungen der
internationalen
Kirchenorganisationen und vor allem der römisch-katholischen Kirche zur Förderung
einer
friedlichen Lösung zu dem Konflikt. Die serbisch-orthodoxe Kirche arbeitet direkt daran mit,
alternative Lösungen zu suchen und hat regelmässig die Aktionen der jugoslawischen
politischen
Leitung im Kosovo kritisiert und auch eine Delegation zu de Friedensverhandlungen nach
Rambouillet entsandt, um ihre Meinung vorzutragen, was leider erfolglos blieb. Gesonderte
Anhänge
als Zusatz zu den Vorschlägen von Rambouillet waren erarbeitet worden, in denen breite
Autonomie
und die Garantie der Rechte aller Minderheiten im Kosovo vorgeschlagen wurden. Ein
Memorandum, in dem dringende alternative Lösungen zu der Politik der jugoslawischen
Regierung
vorgeschlagen wurden, war Madeleine Albright durch Bischof Artemije von Raska-Prizren
überreicht worden. Der Patriarch und die Heilige Synode unterstützen die
Erklärungen und Aktionen
des orthodoxen Bischofs im Kosovo, Bischof Artemije, die Provinz zu einem Kanton innerhalb eines
demokratischen und föderalen Jugoslawien zu machen, in dem alle ethnischen und nationalen
Gruppen leben können. Diese Haltungen sind seit mehr als zwei Jahren vertreten worden und
haben
eine starke Kritik der orthodoxen Kirche durch die politische Leitung Jugoslawien hervorgerufen.
Der Patriarch bekundete sein Interesse an den Vorschlägen, dass europäische Kirchen
gemeinsam
eine neue Initiative unternehmen sollten, um zu einer Einstellung der feindlichen Handlungen , zur
Beendigung der NATO-Bombardierungen und der Errichtung eines humanitären Korridors
nach
Kosovo hinein zugunsten derer, die wegen der Kämpfe vertrieben wurden oder leiden,
aufzurufen.
Im Gespräch mit Bischof Irinej, dem serbisch-orthodoxen Bischof von Novisad, wurde
betont, dass
die NATO-Luftangriffe die Lage noch verschlimmert haben und dass sie nicht zu einer
Lösung der
Krise beitragen können. Der psychologische Ansatz der NATO war "katastrophal", weil damit
einfach jede Möglichkeit einer politischen Lösung dramatisch geschwunden ist. Die
Delegation warf
die Frage der berichteten Grausamkeiten, Zwangsvetreibungen und ethnischen Säuberung
durch die
jugoslawischen Kräfte im Kosovo auf. Der Kirchenvertreter äusserte sein tiefe Trauer
über das
menschliche Leiden in der Provinz, machte aber die separatistischen Kräfte und die intensiven
Bombardierungen der NATO dafür verantwortlich, den massiven Exodus der
Bevölkerung gefördert
und sogar direkt verursacht zu haben. "Wir weinen über das Schicksal der Flüchtlinge
aus dem
Kosovo", sagt er, "und die Kirche wird nicht darauf schauen, wer Albaner und wer Serbe ist." Er
bleibt jedoch skeptisch angesichts der humanitären Beweggründe für die
NATO-Operation. "Wir
haben so gut wie keine Hilfe, auch nicht von unseren staatlichen Stellen erhalten, um den 700.000
Flüchtlingen zu helfen, die zum Verlassen ihrer Heimat in Kroatien und Bosnien gezwungen
waren",
sagte er. Jugoslawien hatte viele Probleme und war bei weitem keine vollkommene Demokratie, aber
es war immer noch das offenste Land im kommunistischen System, betonte er. "Die Schwierigkeiten
sind nach dem Eingreifen der NATO tausendmal grösser geworden. Die Politik des Westens
gegenüber Jugoslawien hat jetzt den stärksten anti-westlichen Faktor in Europa
erzeugt".
Dem Bischof zufolge hat die serbisch-orthodoxe Kirche darum gekämpft, alternative
Lösungen für
die Kosovo-Krise vorzuschlagen, aber die NATO-Angriffe haben jetzt tatsächlich neue
Konflikte und
Spannungen geschaffen, die sogar bis in die Region der Wojwodina reichen. Er glaubt, dass
Jugoslawien den Kosovo-Albanern innerhalb der bestehenden internationalen Grenzen volle
Autonomie gewähren sollte, wobei die Rechte der anderen Minderheiten im Kosovo von einer
internationalen Friedenstruppe "ohne NATO-Länder" garantiert werden solle, weil sie nach
dem
Eingreifen keine neutrale Rolle mehr spielen können. Der Bischof kann nicht glauben, das die
katastrophalen Reaktionen der NATO-Bombardierungen von den westlichen Politkern nicht vorher
analysiert und vorausgesehen wurden und stellt deshalb die Frage nach den breiteren geopolitischen
Interessen bei dem Eingreifen in der Region. Der Bischof betonte, dass die Kirche "nicht im Geist
der Regierung, sondern eher im Geist des Evangeliums" spricht. "Wir sind auch Europäer",
sagte er
und appellierte an die europäischen Kirchen, auf die Lage und Haltung der jugoslawischen
Kirchen
sowie auf die Folgen der Bomben und der Vertreibung auf die Menschen in der Bundesrepublik
Jugoslawien stärker aufmerksam zu machen.
5. DIE HUMANITÄRE LAGE IN
JUGOSLAWIEN
Viele grössere Städte in Jugoslawien sind von den NATO-Bombardierungen der
Brücken,
Energieversorgung und militärische Ziele schwer getroffen worden. Die intensivsten
Bombardierungen fanden im Kosovo selbst und in den Städten im Süden Jugoslawiens
statt. Die
Bombe haben auch Opfer unter der Zivilbevölkerung gefordert, obwohl die Behörden
zögern,
irgendwelche Zahlen zu nennen. Einige der durch die Kämpfe im Kosovo Vertriebenen,
darunter
Albaner, Serben und andere, kommen bis in den Norden der Wojwodina und nach Novisad, obwohl
viele die grösseren Städte zu meiden versuchen. Mehr als 100.000 Vertriebene befinden
sich nach
Angaben des jugoslawischen Roten Kreuzes in Montenegro. Auch die schon aus den
Kämpfen und
erzwungenen Volksbewegungen in Bosnien und Kroatien entstandene
Flüchtlingsbevölkerung ist
schwer davon betroffen. Nach Zahlen des UNHCR befinden sich noch mehr als 760.00 vor allem
serbische Flüchtlinge in der Bundesrepublik Jugoslawien, von denen viele von internationaler
Hilfe
abhängen. Medikamente und andere dringende Artikel (z.B. Babynahrung und Milch) sind
bereits
eingeschränkt. Heizungen, Wasserleitungen und sanitäre Systeme sind in vielen
Städten schwer
beschädigt worden. Das Rote Kreuz erhöhte die Blutreserven und organisiert
Erste-Hilfe-Kurse.
Kranke, die keine Notfälle sind, werden aus den Krankenhäusern entfernt, und in
einigen Gegenden
ist die Wasserversorgung und die Heizung unterbrochen. Die psychologischen und traumatischen
Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung werden deutlich, und es scheint, dass die
Selbstmordrate vor
allem unter den besonders verwundbaren Gruppen wie den älteren Menschen ansteigt.
Eine andere direkte Auswirkung des Konflikts ist die potentielle Mobilisierung der Männer
für die
Armee. Männer im militärpflichtigen Alter dürfen das Land nicht verlassen.
Einige Beispiele von
Desertierungen und Flucht vor dem Militär werden vor allem aus der nicht-serbischen
Minderheit
berichtet, die im Kosovo nicht dienen will. Kriegsdienstverweigerer, vor allem Zeugen Jehovas und
Nazarener, werden bestraft.
Es sind jedoch die Auswirkungen auf lange Sicht, die am meisten zu befürchten sind, sagt
Karoly
Beres, der Leiter der Ökumenischen Humanitären Organisation mit Sitz in Novisad..
"Das
Bombardieren der Fabriken, Treibstofflager und zivilen Verkehrswege nach zehn Jahren
internationaler Sanktionen, verursacht schnell eine wirtschaftliche Katastrophe". Noch
grössere
Sorge bereitet der langsame Zusammenbruch des normalen Lebens, wenn Schulen und medizinische
Versorgung eingestellt werden. "Es scheint für uns fast unmoralisch zu sein, um Hilfe zu
bitten, wo
die Kosovaren so viel leiden", betont er, aber die (durch die NATO-Bombardierungen verursachte )
Hasswelle verbreitet sich, und die Folgen erschrecken uns." Der Leiter der humanitären
Organisation
äusserte seine Anerkennung und seinen Dank für die Unterstützung durch die
westlichen Hilfswerke
gegenüber der Arbeit seiner Organisation. Beres zufolge können die Kirchen eine
wichtige Rolle bei
der Überwindung des Konflikts spielen, wenn sie die Fehler der Politiker vermeiden und in die
Zukunft blicken und sich nicht nur auf die Vergangenheit beziehen. "Unsere grosse Aufgabe als
Kirchen ist es, Wege zu finden, damit alle Nationen als Teile eines Ganzen in Europa zusammenleben
können", sagt er, gibt aber zu, dass die andauernde Krise in Jugoslawien diese Erwartung zu
einem
fernen Traum macht.
6. ERGEBNISSE UND
SCHLUSSFOLGERUNGEN
Die Delegation hat die doppelte Tragödie erkannt, in der das jugoslawische Volk
lebt: der
zerstörerische Bürgerkrieg und die Zwangsbewegungen der Bevölkerung in der
Region des Kosovo
sowie die massive Auswirkung der NATO-Bombardierungen auf ganz Jugoslawien.
Die jugoslawischen Kirchenleiter verurteilen jede Gewalt, Einschüchterung, ethnische
Säuberung und Zwangsvertreibung der Zivilbevölkerung in der Provinz
Kosovo.
Die serbisch-orthodoxe Kirche fordert ausdrücklich das garantierte Recht der
Rückkehr aller aus
ihrer Heimat durch die Kämpfe Vertriebenen.
Es gibt Unterschiede in der Beurteilung der direkten Gründe für den massiven
Exodus der
Flüchtlinge, da einige Kirchen die NATO-Bombardierungen und die bewaffnete Konfrontation
innerhalb des Kosovo als wichtige Ursachen betrachten.
Alle Kirchen betonten die Notwendigkeit , dass jede Lösung für den Konflikt die
territoriale
Integrität der Bundesrepublik Jugoslawien und den multi-ethnischen Charakter
der
Provinz mit den geschützten Rechten für alle ethnischen und religiösen Gruppen
achten muss.
Es besteht Einmütigkeit unter allen Kirchen, den orthodoxen, der protestantischen und der
katholischen, dass sie gegen die NATO-Bombardierungen sind. Nach Meinung der Kirchen hat
das Eingreifen der NATO die jugoslawische Politik überhaupt nicht verändert, sondern
eher zur einer
Ausweitung der Krise geführt. Das Eingreifen wird als ungerechter Angriff auf ein
souveränes Land
und auf eine Zivilbevölkerung angesehen, trotzdem die NATO immer wieder betont, dass ihre
Einsätze gegen die jugoslawische Leitung und die militärische Kapazität im
Kosovo gerichtet
sind.
Das Eingreifen der NATO wird als etwas betrachtet, was jede politische und demokratische
Opposition im Land tatsächlich zum Schweigen gebracht und weitgehend die
entstehende zivile
Gesellschaft gelähmt hat, wenn sich jetzt das Land gegen die empfundene ausländische
Aggression
zusammenschliesst. Die jugoslawischen Behörden haben vor allem in Serbien die vorher
lebendigen
unabhängigen Medien geschlossen oder eingeschränkt. Nach Meinung des Vorsitzenden
der
demokratischen Partei, Zoran Djindjic, der zur Zeit des Besuches in den westlichen Medien zitiert
wurde, hat das Eingreifen der NATO die Stellung von Milosevic nur noch gestärkt und wird
zu
sozialer Unruhe in Jugoslawien führen. In Belgrad haben 17 führende
Friedensorganisationen und
unabhängige nicht-staatliche Organisationen ein Ende der Bombardierungen verlangt, und
Berichte
sprechen von zunehmender Einschüchterung und Angst unter den zivilen Aktivisten seit
Beginn der
Bombardierungen. Paradoxerweise waren einige der am stärksten von den Bombardierungen
betroffenen Gebiete auch Zentren der Unterstützung für die Parteien der politischen
Opposition,
während das Kosovo ein starkes Zentrum der Unterstützung für Milosevic war,
weil sich die
Kosovo-Albaner nicht an den Wahlen beteiligt hatten. Die Kirchen selbst haben sich nicht für
die
Leitung oder Politik des jetzigen jugoslawischen Regimes geäussert.
Durch die Militärangriffe der NATO könnte möglicherweise das
zerbrechliche ethnische und
politische Gleichgewicht innerhalb Jugoslawiens weiter destabilisiert werden und die
Differenzen und Konflikte unter den Länden der Region wieder ausbrechen.
Die humanitäre Auswirkung der Bombardierungen ist in der Bundesrepublik
Jugoslawien
insgesamt viel breiter und tiefer als international berichtet wird. Zu den "Kollateralschäden"
gehören
häufige, oft indirekte Beschädigungen an Krankenhäusern, Schulen und
Wohngebieten, und die
wirtschaftlichen , psychologischen und traumatischen Folgen sind ungeheuer gross. In vielen
Gegenden sind besonders verwundbare Gruppen durch die Unterbrechung der Verkehrswege
abgeschnitten. Zum Beispiel wurde eine wichtige Brücke zerstört, die Serbien mit
Kroatien
verbindet, und damit wurden die letzten noch in dem Gebiet von Vukovar verbleibenden Serben
abgeschnitten. Die wirtschaftlichen Folgen sind schwerwiegend und schwächen die
Versorgung mit
Wasser, Strom und Nahrungsmitteln in einigen Teilen des Landes. Das jugoslawische Rote Kreuz hat
detaillierte Informationen über die Lage veröffentlicht und ergreift Massnahmen zur
Vorbereitung
der Katastrophenhilfe. Einige Gruppen in Jugoslawien haben gegen die Auswirkungen der
NATO-Bombardierungen auf die Umwelt durch Angriffe auf Ölraffinerien und chemische
Einrichtungen vor
allem an der Donau protestiert sowie gegen den angeblichen Einsatz von Uranmunition und
unterschiedslosen Anti-Personenbomben im Kosovo selbst.
Die Rolle der Medien und die Verbreitung von Information spielt eine wichtige Rolle bei
der Meinungsbildung. Die staatlichen jugoslawischen Medien konzentrieren sich auf den Einfluss der
NATO-Bomben auf die zivile Bevölkerung in anderen Teilen Jugoslawiens. Jugoslawen, die
Zugang
zu Satellitenfernsehen, ausländischen Rundfunksendern und dem Internet haben, sind sich der
Massenvertreibungen, ethnischen Säuberung und den tragischen Schicksals der zum Verlassen
des
Kosovo gezwungen Flüchtlinge bewusst. Die westlichen Medien, die nur begrenzten Zugang
zu den
Regionen im Kosovo haben, berichten wenig über den bewaffneten Konflikt in der Provinz
und über
die Komplexität der Ursachen. Sehr wenig wird auch über die alternative und
gemässigte Position
der demokratischen Bewegung in Jugoslawien und der Kirchen berichtet. Die bewusste
Einflussnahme aller Parteien auf die Medien und die neue Macht der direkten Information durch das
Internet haben einen "Live-Krieg" geschaffen, in dem Bild und Meinungsäusserung Vorrang
vor
dem Inhalt und der Ausrichtung der Aktionen aller Seiten zu haben scheinen.
7. EMPFEHLUNGEN FÜR INTERNATIONALE
KIRCHLICHE ORGANISATIONEN
Die ökumenische Gemeinschaft sollte ein internationales Gebet für den Frieden
in
Solidarität mit den Kirchen in Novisad anregen, zum Beispiel an jedem Mittwoch nachmittag.
Ein
internationales Gebet für den Frieden in Jugoslawien wird von den jugoslawischen Kirchen
für den
16. Mai vorgeschlagen.
Die internationalen kirchlichen Organisationen sollten den systematischeren Austausch von
Information mit den Mitgliedskirchen in der Bundesrepublik Jugoslawien fördern, vor
allem
über den Konflikt und die Flüchtlingskrise im Kosovo und die internationale Reaktionen
von
Kirchen.
Die ökumenische Reaktion auf die humanitären Nöte aller Opfer,
Vertriebenen und
Flüchtlinge muss weitergehen und gestärkt werden durch ACT ("Aktion der Kirchen
zusammen").
Die Bereitschaft zur Katastrophenhilfe hat Priorität, und eine Koordinationssitzung sollte mit
en
serbischen Partnern vereinbart werden. Besondere Betonung muss auf die Stärkung der
Kapazität
der Ortskirchen und Organisationen in der Bundesrepublik Jugoslawien, den Bedürftigen zu
helfen,
gelegt werden.
Unterstützung beim Wiederbeleben des ökumenischen Kirchenrates von
Jugoslawien ist
wesentlich und notwendig und wurde von den protestantischen Kirchenleitungen verlangt.
Die weitere Netzwerkarbeit und Mobilisierung der Kirchen weltweit zur Diskussion der
Krise und ihrer jeweiligen Positionen zur Förderung einer gerechten und ausgehandelten
Schlichtung
der Krise muss ermutigt werden. Die besondere Sorge der europäischen Kirchen sollte sich
auf einen
gemeinsamen Aufruf zum Waffenstillstand, zur Einstellung der Bombardierungen und zur
Einrichtung eines humanitären Korridors im Kosovo konzentrieren.
Ähnliche Besuche von anderen Kirchen und Partnern in der Balkanregion sollten so
früh
wie möglich organisiert werden, um die subregionale zwischenkirchliche Zusammenarbeit zu
fördern.
Zur Überwindung der Isolierung und Förderung der ökumenischen Kontakte
sollten die Kirchen
der Bundesrepublik Jugoslawien stärker an den Aktivitäten und dem Leben der
internationalen
Kirchenorganisationen beteiligt werden.
Reise nach Belgrad Begegnungen mit der serbisch-orthodoxen Kirche:
18. April:Audienz bei S:H. Patriarch Pavle, Oberhaupt der serbisch-orthodoxen
Kirche
Die Delegation wurde von Erzbischof Perko, dem Oberhaupt der römisch-katholischen
Erzdiözese
von Belgrad empfangen. Der Empfang geschah in demselben Speisesaal, in dem die westlichen
Mächte Serbien ein Ultimatum gestellt haben, das zum Ersten Weltkrieg geführt hatte.
Die römisch-katholische Kirche und der Heilige Stuhl haben über den päpstlichen
Nuntius in Jugoslawien stark
interveniert, um sich um eine Beendigung der internationalen Bombardierungen Serbiens als Antwort
auf die Kosovo-Krise zu bemühen und fördern aktiv diplomatische Lösungen.
Nach Meinung von
Erzbischof Perko sind die Kirchen vereint gegen die NATO-Bombardierungen und dürfen nie
aufhören, für Dialog und Verhandlungen zwischen den kriegführenden Parteien
im Kosovo zu
kämpfen. Das unvermeidliche Ergebnis der NATO-Angriffe auf Jugoslawien ist eine starke
und
volksweite Reaktion der Serben gegen den Westen, sagt er: "Wir sind für den Dialog, aber die
Tragödie ist, dass der Dialog jetzt unmöglich ist , es scheint kein gegenseitiges
Verständnis davon
zu geben, was als seine Lösung zum Konflikt möglich ist." Der Erzbischof bleibt
pessimistisch
angesichts der direkten Zukunft. Er glaubt, dass die Zuspitzung der Ereignisse um das Kosovo
herum eine "Tragödie und Katastrophe" für das serbische Volk ist, dessen Schicksal er
mit dem der
Juden während der Zeit des Propheten Jeremias vergleicht. Er unterstützt die
"moralische Pflicht"
der europäischen Kirchen, die NATO-Angriffe zu beenden, mit denen die Situation nur noch
schlimmer wird, und zum Dialog und zu friedlichen Lösungen beizutragen, befürchtet
jedoch, dass
dies "ein Schrei in der Wildnis" ist.
Die Delegation wurde vom Oberhaupt der serbisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Pavle, empfangen
und getrennt von zwei Diözesan-Bischöfen, Irenej von Backa und Bischof Ignatije von
Branicevo.
Der Besuch wurde herzlich begrüsst als "ein sichtbarer Ausdruck der Sorge und
Solidarität für die
Kirchen in Jugoslawien und für die Sache des Friedens", sagte Patriarch Pavle. Er betonte,
dass der
Besuch zu einer Zeit grosser Schwierigkeiten und grossen Unglücks sowohl für Serben
als auch für
Albaner stattfinde. Der Patriarch betonte seine Verurteilung des Krieges und der Gewalt und
wiederholte seine öffentlichen Aufrufe zur Beendigung aller militärischen Aktion durch
alle Kräfte,
um die garantierte Rückkehr aller Zivilisten in ihre Heimat und eine Lösung zu erlauben,
die ein
friedliches Zusammenleben möglich macht. "Von Anfang an habe ich in dieser Situation an
unsere
staatlichen Stellen, militärischen Kräfte und zivilen Verantwortlichen appelliert, alles in
ihrer Kraft
stehende zu tun, um eine Ausweitung des Konflikts zu verhindern", erklärte er. "Jeder Krieg
ist ein
Übel, aber der Bürgerkrieg ist ein doppeltes Übel, weil er die Nachbarn zum
Kampf gegen die
Nachbarn provoziert."
Während der Gespräche mit den Kirchenvertretern wurde über die kritische
soziale, humanitäre und
politische Lage gesprochen, die durch die Bombardierungen und die fortgesetzte Gewalt und
Militäraktion im Kosovo entstanden ist. Das volle Ausmass der humanitären Folgen
bleibt schwer zu
beurteilen und verändert sich täglich. Die massive Vertreibung der Bevölkerung
im Kosovo und die
Ankunft von mehr als einer halben Million Kosovo-Albanern als Flüchtlingen in den
Nachbarländern
Albanien und in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien hat eine grosse
humanitäre
Katastrophe und grosses Leiden erzeugt. Zur Zeit des Besuches waren die genaue Lage im Kosovo
und das volle Ausmass der humanitären und materiellen Katastrophe noch nicht bekannt. Die
internationalen Hilfsorganisationen und die Hilfswerke der Vereinten Nationen schätzen, ,dass
einige
Hunderttausende von Menschen in der Provinz selbst vertrieben sind und nur begrenzten Zugang zu
Lebensmitteln und Unterkünften haben.
Der gemeinsame ökumenische Besuch wurde von den Kirchen als Ausdruck der echten
Sorge
und Solidarität begrüsst und wurde zu einem kritischen und gespannten Zeitpunkt
in der
Bundesrepublik Jugoslawien durchgeführt.
Die internationalen ökumenischen Organisationen sollten den Kirchen in Jugoslawien
weiter
dabei helfen, ihre Erfahrung und ihr Verständnis der jetzigen Krise zu formulieren und zu
vermitteln.
16. April l: Flug nach Budapest und Übernachtung
17. April: Reise mit dem Kleinbus von Budapest in die Bundesrepublik Jugoslawien,
Begegnungen mit protestantischen Kirchenleitern und der ökumenischen humanitären
Organisation
in Novisad:
Mittagessen und Besichtigungen von Bombenschäden in Novisad
Zusammenkunft mit Erzbischof Franc Perko, römisch-katholische Erzdiözese von
Belgrad,
Abendessen und Übernachtung in Belgrad
Besuch im Rakovica-Kloster, Belgrad
Gottesdienst und Besuche im Kloster, das von NATO-Angriffen zerstört wurde
Rückkehr mit dem Kleinbus von Belgrad nach Budapest.
Lutherische Kirche: 48.000 Mitglieder, 27 Gemeinden, 13 andere Gemeinschaften, 21
Pfarrer (davon 4 Frauen)
Reformierte Kirche: 18.000 Mitglieder, 16 Pfarrer, 16 Gemeinden, 43
Tochtergemeinschaften
(ohne Pfarrer)
Methodisten-Kirche: 1,000 Mitglieder, 16 Gemeinden, 8 ordinierte Pfarrer, 6
Laienpfarrer
Römisch-katholische Kirche: Erzdiözese von Belgrad: 10.000 Mitglieder
(ohne Wojwodina und Kosovo)
Serbisch-orthodoxe Kirche: 6,5 Millionen Mitglieder, 35 Bischöfe