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9. November 2001

Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt
Interreligiöses ÖRK-Kolloquium auf dem Klimagipfel in Marrakesch: Austausch zwischen Islam und Christentum zum Thema Klimawandel

Mirjam Schubert


vgl. ÖRK-Pressemitteilung, PR-01-39, 26. Oktober 2001 David Hallman, Koordinator des ÖRK-Programms zum Klimawandel, unterstreicht die Bedeutsamkeit des Dialogs zwischen den Glaubensgemeinschaften: "Besonders wichtig finde ich, dass wir uns hier gemeinsam Gedanken zu einem Thema machen, das uns alle betrifft: die Auswirkungen des Klimawandels auf die Erde."

Um den Austausch zwischen den verschiedenen Glaubensgemeinschaften und Nationalitäten zu erleichtern, sind während des gesamten Kolloquiums Simultanübersetzer für Französisch, Arabisch und Englisch vor Ort. Dadurch können alle Teilnehmenden die Sprache nutzen, die ihnen am nächsten liegt. Für David Hallman ein Zeichen der Gastfreundschaft und des Respekts: "Dadurch betont der ÖRK, dass wir es mit dem Dialog ernst meinen."

Am Morgen erläuterte zunächst Professor Ahmed El Khamlichi, Islamwissenschaftler vom königlich-marrokanischen Palast, die Positionen des Islams zum Klimawandel. "Der Koran stellt fest, dass Gott den Menschen erlaubt, alles zu geniessen, was ihre Bedürfnisse stillt. Sei es Nahrung, Kleidung, Unterkunft, Transport oder alles andere, was Freude macht. Aber nicht exzessiv und masslos, sondern ausgewogen." Die Balance zu wahren ist nach Khamlichi auch für das Klima von existenzieller Bedeutung, denn die Erde wurde als ausgewogenes System geschaffen. Um dem Klimawandel entgegenzuwirken, muss jeder einzelne Mensch aktiv werden und seinen Beitrag leisten, um dieses Gleichgewicht wieder herzustellen und zu erhalten. Denn: "Jede Generation wird nur für eine bestimmte Zeit leben. Die Umwelt ist nichts, was jemand jetzt besitzen kann. Vielmehr gehört die Umwelt und das Klima den nachfolgenden Generationen."

Henri Madelin, Jesuitenpater und Universitätsprofessor aus Paris, gab Einblicke in die christlichen Ansätze. Er machte deutlich, dass die christlichen Kirchen in der Vergangenheit sich zu sehr auf die Rolle des Menschen in der Geschichte konzentrierten. Der ökologische Kontext blieb dabei aussen vor. "Es ist an der Zeit, dass wir zu einem Konzept zurückkehren, dass die Menschheit innerhalb der Biosphäre verortet: Weg vom Anthropozentrismus hin zum biblischen, kosmologischen Theozentrismus." Eine solche Theologie muss nach Pater Madelin zu einer Ethik der Verantwortung führen, die sowohl individuelles als auch allgemeines, politisches Handeln beeinflusst.

Im Laufe der Diskussionen und Gespräche zeigte sich, dass die Positionen der beiden Religionen in der Klimafrage nahe beieinander liegen. Für beide steht die Bewahrung der Schöpfung für kommende Generationen an erster Stelle. Der marrokanische Delegierte Abdelkader Allali betonte, dass Religionen helfen können, Umwelt- und Klimathemen anzusprechen, indem sie eine "Sprache des Herzens" benutzen. Diese sollte in den Klimaverhandlungen ein viel grösseres Gewicht erhalten, forderte er.

Michael Zammit Cutajar, Exekutivsekretär, UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC), begrüsste in einer Ansprache nachdrücklich die Veranstaltung eines interreligiösen Kolloquiums durch den ÖRK. Er betonte: "Nachhaltigkeit ist nicht nur eine Frage des Zusammenlebens in Harmonie mit der Natur, sondern auch mit den Menschen."

Bei der anschliessenden Podiumsdiskussion mit Regierungsvertretern und -vertreterinnen aus Schweden, Irland, Argentinien und Marokko, unterstrich Botschafter S.E. Raûl Estrada-Oyuela aus Argentinien noch einmal die Gemeinsamkeiten der Religionen, wenn es darum geht, die Erde für kommende Generationen zu bewahren. Stefan Edman von der schwedischen Delegation machte deutlich, was er von den Religionen in der Klimaproblematik erwartet: "Sie können uns helfen, das Gefühl für die Heiligkeit der Schöpfung wiederzugewinnen, denn die Natur ist ein Spiegel der Schönheit und Liebe Gottes. Es gilt eine neue Demut gegenüber der Natur zu entwickeln." Ausserdem sei es die Aufgabe der Kirchen, sich mit denen ärmeren Nationen zu solidarisieren, die bereits unter dem Klimawandel zu leiden haben. "Die Industrienationen praktizieren hier einen neue Art von Kolonialismus mit der Stratosphäre, dem müssen wir entgegenwirken."

Lucy Mulenkei aus Kenia stellte die Position der indigenen Völker dar: "Für uns ist die Mutter Erde heilig. Land und unsere Umwelt sind die Basis unserer Existenz, unserer Kultur, sind unser Stolz, unser Leben. Aber durch den Klimawandel verändert sich unser Lebensraum. Die heiligen Plätze für unsere Gottesdienste verschwinden. Die Religionen müssen uns helfen zu verstehen, was geschieht - und was wir in unseren Gemeinschaften vor Ort tun können."

Das Kolloquium hinterliess bei allen Teilnehmenden einen grossen Eindruck. Ahmed Sajid, Universitätsdozent aus Marrakesch, erklärte: "Den kommenden Ramadan will ich nutzen, um den Koran noch einmal ganz zu lesen. Dabei werde ich mir alle Stellen mit Bezug zur Umwelt genau anschauen. Ich möchte meinen Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung leisten. Das ist ein erster Schritt dazu."

Als die Übersetzer und Übersetzerinnen am Ende des Kolloquiums ihre Kabinen verlassen, sind auch sie bewegt: "Eure Worte haben unsere Herzen berührt." Für die Delegation des ÖRK aber steht fest: Der Dialog zwischen den Glaubensgemeinschaften zur Klimaproblematik hat damit erst begonnen.

Die deutsche Journalistin Mirjam Schubert begleitete das ökumenische Team des ÖRK während der siebten Klimakonferenz (COP 7) in Marrakesch, Marokko.


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