Wie wunderbar sind diese Worte aus dem Evangelium,
die wir soeben gehört haben! Und welche Freude, Sie in der Gemeinschaft mit Ihnen zu
hören: den Vertreterinnen und Vertretern der Mitgliedskirchen des Ökumenischen
Rates der
Kirchen, Gästen, Medienleuten, Kollegen, Christinnen und Christen aus der ganzen Welt,
die
zu dieser großen Vollversammlung gekommen sind! Hier soll gearbeitet, beraten, sollen
Beschlüsse gefaßt, soll Rechenschaft abgelegt, sollen Erfahrungen ausgetauscht
werden; es ist
Hingabe und Engagement gefragt, und es soll die künftige Richtung unseres
ökumenischen
Weges bestimmt werden. Wie schön, aber auch wie wichtig, diese Worte gerade hier, in
Mutter Afrika zu hören, wo sie einen ganz eigenen Rhythmus und Klang erhalten; in dieser
Mutter Afrika, die von den Mächtigen so leicht vergessen und übersehen wird, wenn
es ihnen
gelegen kommt, für viele ein unbekannter Kontinent, von anderen rücksichtslos
ausgebeutet
und mit Füßen getreten, und doch von so vielen von uns herzlich geliebt! Hier, auf
diesem
Kontinent, in Afrika, fand dieser Jesus, der uns am Anfang seines Weges sagt, wozu er
gesandt worden ist, vor zweitausend Jahren, als er gerade geboren war, Asyl und Zuflucht!
Heute dürfen wir uns hier freuen; unsere Ohren, unser Verstand, unsere Sinne stimmen
ein in
die Worte, die wir soeben gehört haben: "Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich
gesalbt
hat, zu verkündigen das Evangelium den Armen; er hat mich gesandt, zu predigen den
Gefangenen, daß sie frei sein sollen, und den Blinden, daß Sie sehen sollen, und den
Zerschlagenen, daß sie frei und ledig sein sollen, zu verkündigen das Gnadenjahr
des Herrn."
(Lk 4, 18-19).
In diesen Versen ist Jesu Sendung zusammengefaßt, der Dienst des vom Geist
durchdrungenen mitreißenden Wortes; er erweckt das Wort zum Leben, daß es
Menschen
aufrichtet; er verwandelt es in konkretes Tun, in Handeln, das uns wachrüttelt und uns zum
Kampf ruft. In diesen Versen sind der Heilsplan und der Wille Gottes zusammengefaßt,
die
durch das Handeln Christi für uns konkret geworden sind; davon spricht der Apostel
Paulus
in seinem Brief an die Kolosser, wenn er von dem redet, "der durch den Tod seines
sterblichen Leibes mit Gott versöhnt hat", damit wir heilig seien, und wenn er uns
ermahnt,
fest im Glauben zu bleiben (Kol. 1, 22-23). Paulus spricht von Jesus als dem Christus und
verleiht ihm damit den höchsten Ehrentitel, und von dem Ebenbild des unsichtbaren
Gottes.
Und das bedeutet: durch Ihn offenbart sich Gott und verbündet sich direkt mit der
Menschheit
und allem, was geschaffen ist. Wenn wir uns mit Ihm verbinden, verbinden wir uns mit Gott.
Wenn wir Ihn kennen, kennen wir zugleich Gott. Wenn wir Ihn aufnehmen, nehmen wir Gott
auf. Wenn wir Ihn verstehen, verstehen wir Gott. Und wenn wir einem seiner geringsten
Brüder etwas Gutes oder Böses tun, so tun wir es Ihm; Ihm tun wir es, wie es in
Matthäus 25
geschrieben steht. In Ihm sind alle Dinge verbunden, finden sie ihren Sinn, haben sie ihre
Ordnung.
Es hat weitreichende Konsequenzen für uns, wenn wir auf das Leben Jesu sehen, durch das
Gott sich uns zeigt und offenbart. Wir entdecken darin konkretes Leben, die Bejahung des
Lebens, die Leben schafft, das Leben verteidigt und ihm Würde verleiht. Dieses Leben
stellt
sich den Systemen des Todes entgegen und schafft Raum für Pläne zum Leben
inmitten einer
Gesellschaft, die von der Geißel der Ungerechtigkeit heimgesucht ist, einer Gesellschaft, in
der Ausbeutung, Marginalisierung, religiöse, politische und soziale Unterdrückung
und
Armut das tägliche Leben der großen Mehrheit des Volkes bestimmen.
Wer von uns kennt nicht die biblischen Geschichten, in denen Jesus als der dargestellt wird,
der Gutes tut, der sich der Not der Menschen annimmt, der sich der Initiativen und
Möglichkeiten derer bedient, die ihm nachfolgten und ihn umgaben? Wer von uns ist nicht
beeindruckt von der Art und Weise, wie er schwierige Situationen meistert, die Würde von
Menschen wiederherstellt und Wunder tut? Damit es ganz klar ist: Wir sprechen von
Wundern und nicht von Magie, mit der er auf sich aufmerksam machen oder seine Macht
entfalten möchte. Immer wieder finden wir ihn im Gespräch, von Kopf bis
Fuß in
erbarmendem, solidarischem Handeln, das seinen Ursprung in seiner Sendung hat. Solche
Handlungen gingen immer weit über das Erwartete, das Offensichtliche hinaus und sorgten
bei allen, die sie miterlebten, und bis auf den heutigen Tag auch bei uns für tiefe
Erfahrungen
und Erkenntnisse.
Wer von uns könnte vergessen, wie er die Frau heilte, die achtzehn Jahre lang unter einer
verkrümmten Wirbelsäule gelitten hatte? (Lk 13, 10-17). Sie erinnern sich sicher an
diese
Frau, die es sich zunutze machte, daß sie niemand sah, daß ihr niemand Beachtung
schenkte
und daß niemand von denen, die den Zugang zum Tempel kontrollierten und ihr, nur weil
sie
eine Frau war, den Eintritt verwehrt hätten, sie bemerkte, so daß sie in den Tempel
gelangte
und vor Jesus trat. Jesus heilte sie, ohne daß sie zuvor miteinander geredet hatten. Es
bedurfte
keiner Worte. Die Verbindung zwischen ihnen bestand schon. Ihr ganzer Leib schrie nach
Heilung. Daß sie in diesem Moment mit Jesus zusammentraf, enthielt eine klare Botschaft:
sie wünschte sich, daß mit ihrem Leib und mit dem Leben und dem Glauben, den sie
hatte,
etwas geschähe. Jesus empfand Mitleid mit ihr und führte seinen Auftrag aus, indem
er
handelte. Und so geschah das Wunder. Das Wunder besteht nicht eigentlich darin, daß die
verkrümmte Frau wieder geradestehen konnte; sogleich richtete sie sich auf und pries Gott.
Darüber hinaus vollbrachte Jesus aber noch etwas ungemein Großes von historischer
Tragweite, wie Annice Callahan in ihrem Buch "Spiritual Guides for Today" (Geistliche
Wegweisung für heute) schreibt.
In einer Bibelübersetzung (der RSV Casiodoro de Reina Revisada) heißt es in
wörtlicher
Übersetzung: "Jesus rief sie und nahm sie zu sich"; daraus können wir
schließen, daß er sie in
die Mitte der Synagoge führte; dorthin stellte er sie und heilte sie, ohne das Wort
'Sünde'
auszusprechen. Und all das tat er am Ruhetag, am Sabbath. Annice Callahan faßt die
Tragweite dieses Geschehens mit den Worten zusammen: "Ihn in der Öffentlichkeit
ansprechen bedeutet, sich über die Schranken hinwegzusetzen, die der Freiheit der Frauen
gesetzt waren. Daß er sie in die Mitte der Synagoge stellte, war die Infragestellung des
Monopols der Männer auf die Gnade Gottes und den Zugang zu Gott. Damit, daß er
nicht
behauptete, ihre Krankheit sei die Strafe Gottes für ihre Sünde, sagte er dem
gesamten
Herrschaftssystem den Kampf an. Daß er sie anrührte, bedeutete die
Außerkraftsetzung der
Reinheitsgebote mit ihren männlichen Vorurteilen über die Unreinheit der Frauen.
Er nannte
sie 'Abrahams Tochter' und nahm sie so mit allen Rechten und Pflichten hinein in den Bund
Gottes mit den Menschen. Und dadurch, daß der sie am Ruhetag heilte, machte er den
Sabbath zu einem Tag der Feier der Freiheit und der Wiederherstellung."
Es ist eindeutig, daß Jesu Sendung ganzheitlich war und alle Menschen einschloß.
Sie
umfaßte alles, was in Lukas 4 aufgezählt wird. Dazu gehören Gesundheit,
Wiederherstellung
der Gemeinschaft, Befreiung von aller Gefangenschaft und Unterdrückung und
öffentliche,
eindeutige, verständliche und verbindliche Verkündigung, die Menschen und alle
ungerechte
bestehende Ordnung zu verwandeln vermag. Sein Handeln enthält immer zugleich eine
wichtige Lehre, die menschliche Beziehungen verwandeln und Gottes Liebe und Güte
für alle
Menschen offenbar werden lassen soll.
Wer von uns kennt nicht auch jenen anderen Bericht, in dem Jesus durch ein Wunder der Not
in einer anderen Gemeinschaft begegnet dem Hunger? Erinnern Sie sich? Die Jünger
hatten
Sorge, es könnte die Menschen hungern; sie teilten Jesus ihre Sorge mit, und er gebot
ihnen,
den Menschen etwas zu essen zu geben. Die Jünger meinten, er würde sie nun
auffordern,
etwas zu essen für sie zu kaufen, sie könnten das Problem mit Geld lösen, und
sie brauchten
nur noch einkaufen zu gehen. Stattdessen vollbringt Jesus das Wunder mit den fünf Broten
und zwei Fischen, die ein Kind den Jüngern großzügig gegeben hatte, um die
Menge zu
speisen. Jesus nimmt das Geschenk des Kindes an und macht damit den Sinn der Spende, der
Solidarität, der Einfalt und des Glaubens deutlich. Mit seiner Art zu handeln - er teilt die
Menge in Gruppen zu fünfzig unterstreicht er, wie wichtig es ist, daß sich das Volk
organisiert, um die gemeinsamen Probleme anzupacken und zu bewältigen. Das Wunder
bestand vermutlich darin, daß er die Menschen dazu brachte, die Brote und Fische
herauszuholen, die sie bei sich hatten und, wie ich vermute, aufgehoben hatten, um sie zu
essen, wenn es nichts anderes gab.
Wenn alles, was jeder und jede einzelne hat, zusammengetan und zusammengezählt wird,
reicht es nicht nur für alle, sondern es bleibt sogar noch etwas übrig. Denn in seiner
unendlichen Liebe hat Gott ausreichend für die ganze Menschheit gesorgt. Das Problem
besteht darin, daß die Güter nicht nur schlecht verteilt sind, sondern daß wir
sie auch noch
verstecken. Das müssen wir in Ordnung bringen, und das ist keine leichte Sache. So lautet
auch heute die Botschaft, die Forderung des Evangeliums an uns, daß wir unser Handeln
zur
guten Nachricht für die Armen, zum Erlaßjahr und zur glaubhaften
Ankündigung des
Gnadenjahres des Herrn werden lassen können. Wahrscheinlich war unser dem Glauben
entspringendes Eingreifen, unser christliches Zeugnis, unser Gehorsam gegenüber dem
Evangelium nie zuvor so notwendig, so dringend geboten.
Die Lage unserer Völker und die der ganzen Welt ist zur Zeit wahrhaft alarmierend. Es
kann
auch nicht anders sein, wenn die Macht des Marktes die Herrschaft über die Gesellschaft
gewinnt. Die herrschende Logik, von der wir alle betroffen sind, ist Ausgrenzung,
Marginalisierung, Mißachtung oder Ausschaltung derer, die die Leistungen nicht
erbringen,
die die Mächtigen von ihnen erwarten. Die Möglichkeiten zur Mitwirkung an den
Entwicklungen, von denen wir betroffen sind, werden immer geringer. Viele Menschen
erfahren, daß es niemanden kümmert, wie es ihnen ergeht.
Wieviele Menschen mußten beispielsweise wegen bewaffneter Konflikte, wegen
Umweltzerstörungen, aus Hunger und aus Mangel an Arbeit ihre Heimat verlassen und
alles
zurücklassen und stießen dort, wo sie hinkamen, auf unüberwindliche
Mauern, auf
verschlossene Türen, auf Diskriminierung und Mißachtung, wenn sie
überhaupt irgendwo
ankamen! Wieviele Gemeinschaften der Urbevölkerung wurden vernichtet oder
zwangsumgesiedelt.
Millionen Menschen sind zu Lebensbedingungen verdammt, die in höchstem Maße
prekär
und unmenschlich sind und eher todbringenden Bedingungen ähneln. Der Reichtum
konzentriert sich in immer weniger Händen. Ganzen Ländern werden
Anpassungsprogramme
diktiert, die sie zu Privatisierungsmaßnahmen zwingen die letzten Endes dazu
führen, daß
der Mehrheit des Volkes die individuellen und sozialen Rechte wie Gesundheit, Bildung,
Arbeit und Besitz von Grund und Boden verweigert werden und unermeßliche Summen
für
die Bezahlung unbezahlbarer und nicht eintreibbarer Auslandsschulden verschlingen.
Armut breitet sich aus und nimmt mit unvorstellbarer Geschwindigkeit zu. In vielen
Ländern
erleiden heute auch solche Kreise der Bevölkerung, die bisher in einem gewissem
Wohlstand
leben konnten, erhebliche Einbußen. Wieviele neue Gemeinschaften sind rund um
Müllhalden entstanden, wo Hunderte von Familien versuchen, dadurch zu
überleben, daß sie
sich von den schmutzigen und stinkenden Abfällen der anderen ernähren! Schon
leben etwa
60 % der Weltbevölkerung an der Armutsgrenze, und 1,3 bis 1,5 Milliarden Menschen
haben
täglich weniger als einen Dollar zum Leben; das ist so erbärmlich wenig, daß
die
Menschenwürde, die Gefühle, daß die Seele der Menschen verletzt
werden.
In der ungeheuer großen Gruppe derjenigen, die von dem Genuß der
Menschenrechte, auch
vom Recht auf Leben ausgeschlossen sind, bilden Frauen die Mehrheit. Sie und ihre Kinder
sind die Ärmsten der Armen.
Zu den brutalsten Erscheinungen unserer heutigen Welt gehören Mißhandlung,
Ausbeutung,
Mißbrauch und die Vernachlässigung von Kindern. Wieviele Kinder sind
gezwungen, auf der
Straße zu leben und unter unmenschlichen Bedingungen zu arbeiten! Wievielen wird der
Zugang zu Bildungsmöglichkeiten, wird eine glückliche Kindheit verwehrt!
Wieviele werden
beispielsweise zu Pornographie, zum Drogenhandel, zur Kinderprostitution und zum
Organhandel benutzt! Und als ob dies noch nicht genug wäre, gibt es auch noch das, was
als
'heimlicher Genozid' bezeichnet worden ist: nichts anderes, als daß Jahr für Jahr 11
Millionen
Kinder sterben müssen, die leben könnten, weil einige reiche Länder nicht
bereit sind, nur ein
bißchen Geld für sie aufzuwenden, obwohl sie wissen, was auf dem Spiel steht.
Nach Angaben der Vereinten Nationen kontrollieren 37.000 multinationale Konzerne mit
mehr als 200.000 Tochtergesellschaften in der ganzen Welt 75 % des Welthandels mit
Waren, Fertigprodukten und Dienstleistungen. Diese Konzerne beschäftigen weniger als 5
%
der Arbeitskräfte der Welt. Sie produzieren und konsumieren Substanzen, die die
Ozonschicht vernichten. Sie produzieren 50 % der Emissionen, die für den Treibhauseffekt
verantwortlich sind und mit dem das Leben auf dem Planeten aufs Spiel gesetzt wird.
Wir haben in verschiedenen Ländern Erscheinungen in der Atmosphäre festgestellt,
die
Schäden in riesigen Ausmaßen verursacht haben. Diese Erscheinungen werden von
den
Menschen gewöhnlich als "Taten Gottes" bezeichnet, um sich auf diese Weise der
Verantwortung dafür zu entziehen. Alles weist jedoch darauf hin, daß sie direkt oder
indirekt
etwas mit dem Handeln der Menschen zu tun haben. Man muß sich fragen, weshalb bei der
Untersuchung des sogenannten "Niño" nicht auch die Auswirkungen der Atomversuche im
Pazifik beispielsweise auf die Erwärmung des Meerwassers in Betracht gezogen werden,
denn in diesem Teil der Welt sind schließlich die Begleiterscheinungen zuerst aufgetreten.
Es
steht fest, daß überall auf dem Planeten von den schädlichen Auswirkungen
immer am
stärksten die ärmsten, verletzlichsten Bevölkerungsgruppen und Staaten
betroffen sind. Aber
nicht, weil es Gottes Wille ist oder weil Gott seine Hand im Spiel hat, der ein erbarmender
Gott ist; sie sind vielmehr Menschenwerk. Unsere Region, die Karibik und Lateinamerika, ist
ebenso wie Afrika schwer heimgesucht worden. Vor kurzem wurden Honduras und
Nicaragua vom Wirbelsturm verwüstet. Über 11.000 Menschen fanden den Tod; die
Infrastruktur, die Landwirtschaft und die Produktionsmittel wurden vernichtet.
Es sieht so aus, als hätte sich alles gegen die Völker verschworen, ihnen die Freiheit
vorzuenthalten, sie in Kolonialismus und Abhängigkeit zu halten, sie in Schulden und
Armut
versinken zu lassen und schließlich ganz zu vernichten und verschwinden zu lassen... Es
fällt
in sehr vielen Fällen nicht leicht, nicht die Hoffnung aufzugeben, was gleichbedeutend ist
mit
tatkräftigem, auf Veränderungen gerichtetem Handeln; doch die Menschen geben
sich nicht
geschlagen. Gegen den Sturm und die Flut stellen sie ihre bewundernswerte Fähigkeit
unter
Beweis, sich über Wasser zu halten und sogar noch ein Stück voranzukommen.
Überall gibt
es organisierte Gruppen und Kreise, die von Kindern, über Frauen bis zu ganzen
Gemeinschaften reichen. Männer, Frauen und Jugendliche schließen sich
zusammen, um die
Natur, Gottes gute Schöpfung, zu bewahren. Gemeinsam treten sie mit Hilfe von Projekten
und Initiativen, über den Austausch von Erfahrungen, Kenntnissen und Ressourcen jeder
Art
für den Schutz des Einzelnen und der Gemeinschaft ein, sie beschäftigen sich mit
der Analyse
der Gesellschaft, hegen Visionen für die Zukunft und suchen nach Lösungen
für den
Augenblick und auf lange Sicht. Die meisten von ihnen hoffen und fordern, daß wir uns als
Ortsgemeinden, nationale Kirchen oder als Ökumenischer Rat der Kirchen an ihre Seite
stellen, aber sie lassen es nicht dabei bewenden, ihre Hoffnung auf uns zu setzen. Wenn wir
sie nicht begleiten, haben sie es zwar oft schwerer, aber deshalb lassen sie nicht davon ab,
sich auf den Weg zu machen.
Globalisierung der Solidarität ist zur Parole Tausender von Menschen geworden, die nicht
gelten lassen, daß wir am Ende der Geschichte angekommen sind; sie wenden sich voller
Mut
der Aufgabe zu, das Buch der Geschichte neu zu schreiben, das andere ihnen aufzwingen
wollen. Kirchen und kirchliche Gruppierungen stehen Schulter an Schulter mit anderen
Gruppen der Bevölkerung. In meinen Augen tun sie das, was Jesus getan hat. Wo von
Knechtschaft die Rede ist, sagen sie Freiheit. Wo Vorurteile und Marginalisierung herrschen,
öffnen sie ihre Türen und Herzen. Wo Mangel ist, legen sie zusammen und teilen
miteinander, was sie besitzen, und widersetzen sich der ungerechten Verteilung der Güter.
Wo die Rückzahlung unbezahlbarer Auslandsschulden angemahnt wird, wo Menschen
unter
Ausbeutung und Unterdrückung leiden, fordern sie ein Erlaßjahr und Gerechtigkeit.
Wo
Verzweiflung ist, verbreiten sie Hoffnung mit ihren Projekten und Alternativen. Es ist wie in
den Zeiten Jesu: als die Leute meinten, das Ende sei nahe herbeigekommen, hatte alles gerade
erst begonnen, weil Gott in seiner unendlichen Liebe die Menschen nicht verläßt; er
hört
unablässig auf das Seufzen der Völker und begleitet sie auf ihrem Weg.
Als Kirchen und als Ökumenischer Rat der Kirchen betrifft uns diese ganzheitliche, alle
einschließende Sendung für alles, was geschaffen ist, die niemanden von dem
ausschließt,
was die Worte des Evangeliums enthalten, die in einem konkreten historischen
Zusammenhang durch das Handeln Jesu Christi gesagt worden sind. Praktizierte Einheit und
Solidarität, Hilfestellung für Menschen, die sich organisieren wollen,
Versöhnung und
Wiederherstellung des Volkes, Ressourcen zusammenlegen und anderen abgeben, was wir
besitzen, Wege schaffen zur Heilung, zur Wiedereingliederung der Ausgegrenzten in die
Gemeinschaft, Befreiung von Unterdrückung und Gefangenschaft in jeder Form,
eindeutige,
verbindliche Verkündigung, die auf Veränderungen gerichtet ist, die alle
Ungerechtigkeit
vernichtet das sind die unverzichtbaren Elemente unseres Dienstes. Es wird viel von uns
verlangt, aber wir haben keine andere Wahl.
Die Liebe Gottes, des Herrn der Geschichte, die Menschengestalt annahm, um unter uns zu
wohnen, die Gnade Jesu Christi und die Gegenwart des Heiligen Geistes mögen uns
erleuchten, bewegen, uns treiben und uns freudig die Herausforderungen annehmen lassen,
vor die uns das Evangelium in diesem Augenblick der Geschichte stellt.
AMEN!
Pfrin. Eunice Santana
Pfarrerin Eunice Santana ist eine der
sieben Präsidenten des Weltkirchenrats. Sie gehört der Christlichen Kirche
(Jünger Christi) in Puerto Rico an.
Gottesdienst auf der Achten
Vollversammlung
8. Vollversammlung und 50.
Geburtstag