Sitzung I
1. Begrüssung und Vorstellung
2. Überblick über die Programmarbeit der Einheit, illustriert durch eine Diaserie
mit Kommentar.
Sitzung II
Im Mittelpunkt dieser Sitzung steht das Feedback von Delegierten und anderen
Teilnehmern/innen, die aus ihrem eigenen Kontext heraus Stellung nehmen und Probleme
ansprechen. Zwei Animateure werden im Saal herumgehen und die Teilnehmer/innen um ihre
Meinung bitten. Ein Korb mit einzeiligen Erklärungen oder Fragen aus dem
Themenbereich Gerechtigkeit, Frieden und Schöpfung wird herumgereicht, und die
Anwesenden werden aufgefordert, sich unter besonderer Berücksichtigung ihres lokalen
Kontextes zu diesen Fragen zu äussern. Auf diese Aussagen wiederum können
andere Teilnehmer/innen reagieren. Dies soll nicht eine kontroverse Diskussion
auslösen, sondern lediglich die grosse Vielfalt von Denkweisen und Erfahrungen
illustrieren.
Zwischendurch werden mehrmals zuvor aufgenommene Telefongespräche mit Personen in allen Teilen der Welt abgespielt, die an Programmen der Einheit III mitgearbeitet haben oder für die die ÖRK-Aktivitäten im Bereich Gerechtigkeit, Frieden und Schöpfung sehr wichtig gewesen sind.
Sitzung III
Mitglieder des Ausschusses für Programmrichtlinien (PGC) beschreiben, was sie in den
vorangegangenen Sitzungen gehört haben. Sodann werden die Teilnehmer/innen um
Stellungnahmen und Kommentare gebeten. Am Ende der Sitzung werden die Mitglieder des
Ausschusses kurz erläutern, was sie in die nachfolgenden Sitzungen des PGC einbringen
werden.
Mandat, Struktur and Zusammenfassung der
Programme
Auf ihrer ersten Sitzung im Mai 1992 in Evian formulierte die Kommission der Einheit III das
folgende Mandat:
Aufgabe der Einheit ist es,
Die Aktivitäten, die die Einheit auf dieser Grundlage entwickelte, lassen sich in drei
Kategorien unterteilen:
1.Studium und Reflexion: grundlegende theologische Arbeit, ethische Reflexion und
Entfaltung, sozio-ökonomische und politische Analyse, Dokumentation.
2. Vernetzung und Fürsprache: Förderung und Unterstützung von
Gruppen, ökumenische Ausbildung, Förderung lokaler Initiativen, Verbesserung
der Kommunikation.
3. Unterstützung der Aktivitäten von Partnern.
Der Integrationsprozess verlief in drei Phasen: (1) thematische Integration der Programme, (2)
Integration der Haushalte, (3) Reorganisation der Verwaltung.
Ein wichtiger Schritt wurde im Mai 1995 vollzogen, als die Kommission sich auf fünf
Themen einigte
Seit einigen Jahren steht die Beschäftigung mit der "Globalisierung" ganz oben auf der
Tagesordnung der Einheit. Bei der Diskussion dieses Themas war zu erkennen, inwiefern der
veränderte und sich weiterhin verändernde globale Kontext die Arbeit der Einheit
im Hinblick auf Konzeption, Inhalt und Methoden beeinflusst. Im Laufe der Zeit wurde
deutlich, dass praktisch alle Programmaktivitäten der Einheit in dieser oder jener Weise
von der Globalisierung betroffen sind.
Der Begriff "Globalisierung" taucht im offiziellen Bericht der Vollversammlung von Canberra
noch nicht auf. In der Zeit nach der Kommissionstagung in Evian (1992) setzte er sich jedoch
nach und nach als beste Beschreibung der weltweiten ökonomischen, politischen und
gesellschaftlichen Veränderungen durch. In Einheit III wird dieser Terminus seit der
zweiten Kommissionstagung 1993 in Larnaca immer häufiger verwendet. Auf der
Genfer Kommissionstagung (1995) widmete der Direktor einen grossen Teil seines Berichts
der Globalisierung als Herausforderung an die ökumenische Tagesordnung.
Da die Programmarbeit der Einheit zwischen 1991und 1996 in den Teams geleistet wurde,
konzentriert sich der vorliegende Bericht auf die drei Programme der gesamten Einheit und
auf die fünf Teams.
Die ganz ohne Zweifel schwierigste Aufgabe für die Einheit war die integrierte und
koordinierte Zusammenarbeit aller Beteiligten: fünf relativ grosse frühere
Untereinheiten, von denen jede ihre eigenen Entscheidungsinstanzen und ihren eigenen
Haushalt hatte, sollten nun zu einer Einheit zusammenwachsen. Sowohl die Kommission als
auch der Stab widmeten dieser Aufgabe sehr viel Zeit und Kraft, und bis zu einem gewissen
Grad hatten sie auch Erfolg.
Seit 1996 bilden diese Themen den Rahmen für die Programmarbeit der Einheit. Die
Programmitarbeiter/innen wurden Arbeitsteams zu diesen Themen zugeordnet - manche
zeitweise auch mehr als einem Team, je nachdem, ob für neu entwickelte Programme
die besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten dieser Mitarbeiter/innen gebraucht
wurden.
Theologie des Lebens
Die zehn Grundüberzeugungen der JPIC-Weltversammlung in Seoul (1990) wurden als
Aufhänger für mehr als 20 Fallstudien in aller Welt gewählt, im Schnitt
zwei Studien zu jeder Grundüberzeugung. Bei dieser Methode ging man davon aus,
dass theologische Gemeinsamkeiten und Unterschiede, die in miteinander verbundenen
Kämpfen auf Orts-, regionaler und Weltebene zur Sprache kommen, an jedem Ort und
für alle Beteiligten zu einem besseren Verständnis der Probleme führen
können. Die Fallstudien wurden durch eine Untersuchung zur Geschichte der
ökumenischen Sozialethik im ÖRK ergänzt.
1994 nahmen die Fallstudiengruppen ihre Arbeit auf. Sie begannen mit der Reflexion
über jeweils eine der zehn Grundüberzeugungen von Seoul und gingen dabei von
den Erfahrungen der Menschen in ihrem Land aus. Sie ermutigten sich gegenseitig, der
Sprache des Lebens zu vertrauen und der üblichen Trennung von Verstand und
Gefühl, die ersteren auf Kosten des letzteren überbewertet, zu widerstehen.
Dieser Ansatz wird von zahlreichen kontextuellen Theologen/innen in vielen Teilen der Welt
bereits praktiziert, und so ging die Einheit noch einen Schritt weiter und wandte die
wichtigsten Erkenntnisse der kontextuellen Theologien auch auf den Prozess des gegenseitigen
Austauschs an, indem sie den Bezug zwischen dem Lokalen und dem Globalen herstellte. Die
Frage war: "Können wir einen Weg finden, kontextuelle Theologie ökumenisch
zu erarbeiten und die ökumenische Theologie auf eine neue Art zu
kontextualisieren?"
Seinen Höhepunkt und Abschluss fand dieser Prozess bei der "Sokoni"- Konferenz in
Nairobi im Januar 1997, der zu einem Wendepunkt im Leben der Einheit werden sollte.
Sokoni ist das suahelische Wort für den traditionellen afrikanischen Marktplatz,
auf dem nicht nur Waren umgesetzt werden, sondern auch Kommunikation stattfindet, die die
Gemeinschaft erhält und festigt. Die Vertreter/innen der Einheit und die
Koordinatoren/innen der Fallstudien trafen in Nairobi in einem Kreis offener afrikanischer
Hüten mit 300 - 500 Teilnehmern/innen aus Kenia zusammen. In ihrer
Zusammenfassung der Erkenntnisse aus dem Programm Theologie des Lebens und aus
anderen Programmbereichen unterstrichen die Kommissionsmitglieder der Einheit III, die
Einheit habe einen neuen ökumenischen Arbeitsstil entwickelt:
Der Erlassjahrgedanke und der afrikanische Kairos
Eine Studie über Demokratie und die Ethik guter Regierungsführung bot einen
dynamischen Rahmen für eine ausführliche Reflexion über Politik in Afrika
und die Rolle der Religion heute. In mehreren afrikanischen Ländern engagieren sich die
Kirchen aktiv für die Demokratisierung. In vielen Fällen sind sie durch die
geschichtlichen Umstände zu dieser Rolle gekommen, weil die meisten anderen
zivilgesellschaftlichen Institutionen durch mehr als zwei Jahrzehnte Diktatur systematisch
handlungsunfähig gemacht worden sind. Im grossen und ganzen sind die Kirchen
für diese Rolle allerdings nicht gut ausgerüstet.
Mit dem Studienprozess sollten ihnen Mittel an die Hand gegeben werden, um bei den
Bemühungen um friedliche, gerechte und partizipatorische Gesellschaften in Afrika eine
wirksame Rolle zu spielen. Die Studie kam u.a. zu dem Ergebnis, dass die Bemühungen
um Demokratie in Afrika zwar schon seit langer Zeit anhalten, dass jedoch der
gegenwärtige Demokratisierungsprozess nicht notwendigerweise zur Emanzipation der
Menschen führt, sondern eher zur Legitimierung ihrer Unmündigkeit. In den
meisten Ländern Afrikas wird um die Form und nicht um den Inhalt der Demokratie
gerungen, und dies macht Demokratie zu einem strategischen Instrument, das lediglich den
Aufstieg zur Macht erleichtert.
Im Verlauf des Dialogs wurden viele Probleme heraus gestellt, die noch weitere Reflexion und
Aktion im Blick auf das theologische und biblische Verständnis, soziale
Veränderungen sowie Methoden und Strategien erfordern.
Als Einheit III gebildet wurde, lag auf der Hand, dass die Integration dieser
Einheit weit mehr darstellte als lediglich eine interne bürokratische Übung: sie
musste auch die gesamte Mitgliedschaft der verschiedenen Teams mit einbeziehen. Innerhalb
von zwei Jahren entwickelte die Einheit einen Prozess, der diese Aufgabe erfüllen sollte,
nämlich ein Programm mit dem Titel Theologie des Lebens - Gerechtigkeit, Frieden,
Schöpfung. Der Vorschlag zu diesem Programm beruhte auf der
Überzeugung, dass die in den Kämpfen um Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung
der Schöpfung entwickelten Theologien eng miteinander verbunden sind und ihr
gemeinsames Anliegen das Leben ist. Es musste nun geklärt werden, wie mit den
Unterschieden in multikulturellen Gesellschaften umzugehen war, in denen noch immer viele
Menschen aufgrund ihrer Rassen-, Klassen- oder Geschlechtszugehörigkeit diskriminiert
werden.
Wenn ökumenische Arbeit so gestaltet ist, können Kirchen sowie
Kirchen und Bewegungen voneinander lernen, und der ÖRK hat dabei die Funktion,
ihren Austausch zu vertiefen und ihre neuen oder erneuten Initiativen zu fördern. Wenn
das funktioniert, dann ermutigt dieser Prozess die ökumenischen Netzwerke zu neuen
Ideen, genauerer Analyse und kreativerer Zusammenarbeit. Hierbei wird Inklusivität als
sehr wichtig bewertet; für Analyse und Fürsprache werden vielfältige
Ansatzpunkte genutzt; es wird die Art von Partizipation gefördert, die auf den
Erfahrungen und Energien des Alltags aufbaut, die sich auf Traditionen bezieht und die
Grenzen und Schranken überwindet. So wird ein freier Gedankenaustausch
möglich, der die Reflexion bereichert. Vereinfacht gesagt handelt es sich im
wesentlichen um einen Ansatz, der einen Raum und eine Methode bietet, die der
Entstehung örtlicher und regionaler Kulturen des Lebens und der Formulierung dort
gewachsener Theologien förderlich sind. Als Medien kommen
Geschichtenerzählen, persönliche Erfahrungsberichte, Bibelarbeit und
Gottesdienst, Analyse und Reflexion, Theater, Lieder, Musik, Tanz, Ausstellungen usw. in
Frage. Die Gesamtleitung ist dezentralisiert, berücksichtigt aber auch globale
Perspektiven; sie strebt eine Umverteilung wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer
Macht nach unten an, und sie fördert einen höheren Status für alle Formen
des Lebens in, mit und vor Gott.
Ekklesiologie und Ethik
Der Studienprozess zu Ekklesiologie und Ethik wurde gemeinsam von
Glauben und Kirchenverfassung und Einheit III durchgeführt. Nachdem zunächst
Stereotypen aus dem Weg geräumt worden waren, um die Gemeinsamkeiten
freizulegen, befasste sich die Studie mit dem Spannungsverhältnis, das zwischen dem
Streben nach der sichtbaren Einheit der Kirche und ihrer Berufung zu prophetischem Zeugnis
und Dienst besteht. Sie untersuchte das Verhältnis zwischen dem, was die Kirche
ist und dem, was sie tut. Ethische Fragen sind untrennbar verbunden mit dem
Sein der Kirche. Die wesentlichen Merkmale der Kirche - Katholizität,
Apostolizität, Einheit und Heiligkeit - sind in Frage gestellt, wann immer die Kirche
Unrecht jeglicher Art rechtfertigt. Die Studie unterstrich den Imperativ
ökumenischer ethischer Reflexion und ökumenischen ethischen
Engagements und gelangte zu einigen wichtigen Erkenntnissen über die Vorstellungen
vom "Haushalt des Lebens" und über die Kirchen als Gemeinschaften, in denen - durch
ihr Lehren wie ihr Leben - Ausbildung von Moral und Ethos stattfindet.
Das von Einheit III verantwortete Programm für den Wiederaufbau
Afrikas wurde über einen Zeitraum von drei Jahren aufgebaut und durchlief dabei
mehrere Phasen, so z.B. die Aufstellung eines Aktionsplans für den "Dialog der Kirche
mit der afrikanischen Gesellschaft". Zwei Methoden wurden angewandt: Dialog durch
ökumenische Studien und Reflexion sowie Dialog durch ökumenische Besuche
innerhalb Afrikas und unter Afrikanern. Ein Teil der Ergebnisse dieser beiden Prozesse konnte
der Konferenz über "Der Erlassjahrgedanke und der afrikanische Kairos" im Mai 1997
in Johannesburg vorgelegt werden. Die Konferenz empfahl die Fortsetzung von Studium,
Analyse und Reflexion über die Themen Glaube und Politik, Glaube und Wirtschaft
sowie Mission und Partnerschaft.
In den Jahren, in denen PCR alle seine Energie und Mittel auf das
südliche Afrika konzentrierte, ging es darum, den institutionellen (oder, im Falle
Südafrikas, den in der Verfassung verankerten) Rassismus, der durch individuelle
Vorurteile und Diskriminierung noch verstärkt wird, möglichst genau zu
beschreiben. Südafrika steht seit einigen Jahren nicht mehr im Mittelpunkt, und seitdem
ist das Rassismusverständnis erheblich umfassender geworden.
Früher hingen die PCR-Programme weitgehend von den Analysen und
Vorschlägen grosser internationaler Tagungen ab, an denen Vertreter/innen der
Weltregionen, PCR-Kommissionsmitglieder und der Stab teilnahmen. Diese Methode trug
entscheidend zur Abschaffung des in der Verfassung festgeschriebenen Apartheidrassismus
bei, ermutigte die Kirchen aber kaum, in ihrem eigenen "Hinterhof" nach dem Rechten zu
sehen. Menschen und Kirchen in vielen Teilen der Welt wurden Experten in Sachen Rassismus
in Südafrika, dachten aber höchst selten daran, dass die gleiche Dynamik auch in
ihren eigenen Ländern zum Tragen kam. Heute wird es also darum gehen, die
Mitgliedskirchen zu motivieren, den Rassismus in ihrem Umfeld ebenso konsequent zu
analysieren und sich ihm ebenso entschlossen entgegenzustellen wie sie es damals in bezug auf
Südafrika getan haben.
Die Verbindungen zu Kirchen und Bewegungen in aller Welt ziehen sich wie ein roter Faden
durch die Geschichte des PCR. Besonders intensiv waren die Kontakte zu
Antiapartheid-Bewegungen in allen Teilen der Welt. Einige dieser Bewegungen haben auf
Anregung von
PCR begonnen, sich auch mit dem Rassismus im eigenen Land auseinanderzusetzen. Diese
Bindungen zwischen Kirchen und Bewegungen sollen aufrechterhalten werden. Zwar soll der
Rassismus auch weiterhin "bekämpft" werden, aber Begriffe wie "Unterstützung"
und "Initiativen" eignen sich besser zur Beschreibung der Tätigkeit.
Der ökumenische Studienprozess über Rassismus. Das
Schwarz/Weiss-Paradigma ist für das Verständnis des Rassismus nach wie vor
von
entscheidender Bedeutung, doch daneben haben sich weitere Formen des Rassismus
entwickelt. Zunehmende Aufmerksamkeit gilt den weltweiten Auswirkungen von Rassismus,
der Dynamik von wirtschaftlichem und ökologischem Rassismus sowie Rassismus in
Kirche und Theologie.
Der ÖRK-Zentralausschuss wies 1995 darauf hin, dass "institutioneller Rassismus und
rassistische Ideologien in ihren schlimmsten Formen in der heutigen Gesellschaft genauso
präsent (sind) wie vorher," und dass "auch die Kirchen nach wie vor in höchstem
Masse davon betroffen (sind)". Gleichzeitig bringt die soziale, politische und wirtschafliche
Entwicklung "neue Formen von Rassismus" hervor. Deshalb wurde ein ökumenischer
Studienprozess über Rassismus eingeleitet, der die gegenwärtigen Tendenzen und
Ausdrucksformen des Rassismus unter besonderer Berücksichtigung der regionalen
Erkenntnisse und Erfahrungen untersuchen soll.
Beiträge zu dieser Studie sind u.a. die Reaktionen auf die Broschüre "What is
Racism Today?" (Was ist Rassismus heute?), neue Analysen aus den Regionen sowie
Materialien aus der ÖRK-Studie über Evangelium und Kulturen. Der
Studienprozess, in dessen Rahmen sowohl globale als auch regionale Dokumente erarbeitet
werden, soll einen umfangreichen Beitrag zur Diskussion auf der Achten Vollversammlung
leisten; an ihm wird sich die künftige Antirassismusarbeit des ÖRK
orientieren.
Die US-Kampagne: Rassismus als Verletzung der Menschenrechte. 1994 organisierten
der ÖRK und der Nationalrat der Kirchen Christi (USA) eine einjährige
Kampagne, die der Öffentlichkeit bewusst machen sollte, dass Rassismus eine
Menschenrechtsverletzung ist. Die Kampagne umfasste Aufklärungsarbeit sowie
Anhörungen im Beisein einer Gruppe bekannter Persönlichkeiten. Diese Gruppe
besuchte sieben in den USA gelegene Orte, die ausgewählt worden waren, weil dort
Verletzungen der Menschenrechte verschiedener ethnischer und rassischer Gruppen besonders
deutlich waren. Themen der Anhörungen waren Einwanderung, Selbstbestimmung,
Souveränität, Haftbedingungen, Verurteilungen, polizeiliche Übergriffe,
Todesstrafe, politische Gefangene, Bildung, Gesundheit, Arbeitslosigkeit, Wohnen,
Umweltrassismus und rassistische Gewalt.
Auf der Grundlage dieser Anhörungen kam die Gruppe bekannter
Persönlichkeiten zu dem Schluss, dass "die gesamte US-amerikanische Gesellschaft
nachweislich von massivem und systematischem Rassismus durchsetzt ist; ein Grossteil der
rassistischen Gewaltakte, über die Zeugen hier berichtet haben, (...) stellt eindeutige
Verletzungen der völkerrechtlich anerkannten grundlegenden Menschenrechte dar". Die
Nacharbeit zur Kampagne umfasste Diskussionsbeiträge auf der Tagung der
UN-Menschenrechtskommission 1995, eine Materialsammlung für Kirchen und
Gruppen
sowie einen Bericht des ÖRK über die Kampagne.
Frauen als Opfer des Rassismus (WUR) und das SISTERS-Netzwerk. Farbige
Frauen, die aktiv in der ökumenischen Bewegung mitarbeiten, haben die Einrichtung
eines Programms gefordert, das die dreifache Unterdrückung farbiger Frauen
(nämlich durch Rassismus, Sexismus und Klassendiskriminierung) untersuchen sollte.
Dieses seit 1980 bestehende Programm setzte sich in der Zeit zwischen Canberra und Harare
folgende zwei Schwerpunkte: (1) Mobilisierung der Kirchen zu Engagement und konkretem
Handeln in Solidarität mit farbigen Frauen; (2) Förderung der
WUR-Netzwerkarbeit mit dem Ziel weltweiter Frauensolidarisierung im Widerstand gegen die
dreifache Unterdrückung.
Workshops und Tagungen, Rundbriefe, Analysen und Reflexion führten hin zu einer
weltweiten WUR-Tagung (1992), die einen wichtigen Beitrag zur Ökumenischen
Dekade "Kirchen in Solidarität mit den Frauen" darstellte. Anlässlich dieser
Tagung wurde das globale Netzwerk SISTERS (Sisters in Solidarity To Eliminate Racism and
Sexism) gegründet, das einen systematischeren Erfahrungsaustausch sowie mehr
Strategiegespräche und Bündnisse ermöglichen soll. Erfasst werden
Europa, Lateinamerika, Nordamerika, der pazifische Raum und in geringerem Masse auch
Asien und die Karibik.
Die Workshops befassten sich u.a. mit folgenden Themen: regionale Formen des Rassismus
und ihre Auswirkungen auf das Leben der Frauen; Zusammenhänge zwischen Rassismus
und Kolonialismus, Kastendenken, Sexismus, Wirtschaft und Migration; Landrechte und
Lebensunterhalt von Völkern; Kulturen, Menschenrechte und Staatsbürgerschaft;
Elemente einer Theologie aus der Sicht farbiger Frauen. In den letzten Jahren verstärkte
WUR seine Zusammenarbeit mit ÖRK-Mitgliedskirchen und regionalen
ökumenischen Organisationen.
Ethnizität. Die Entwicklung eines im ganzen Rat akzeptierten
Verständnisses der Parameter dieser Problematik ist nur langsam vorangekommen. Dies
liegt teilweise an der mangelnden kritischen Aufarbeitung der Rolle der Kirchen bei der
Entstehung ethnozentrisch-nationalistischer Tendenzen.
Die Kommission der Einheit III bedauerte diese Langsamkeit und forderte begriffliche
Klärungen und konkrete programmatische Vorschläge. Im Rahmen einer
Konsultation des gesamten ÖRK-Stabs wurde später deutlich, dass zu diesem
Thema und verwandten Fragen bereits umfangreiche Programmarbeit verschiedener Art
geleistet worden war, und zwar in den Büros für interreligiöse
Beziehungen, Kommunikation, Kirchlichen Dienst im städtischen und ländlichen
Bereich, Bildung, Evangelium und Kultur, Flüchtlingsarbeit und Migration sowie
Katastrophenhilfe. Einheit III behandelte das Thema im Arbeitsbereich internationale
Angelegenheiten (im Rahmen von Vermittlung und Konsultationen in Konfliktsituationen), im
PCR im Hinblick auf ethnische Minderheiten sowie in den Arbeitsbereichen Frauen und
Jugend.
Angesichts der weltweit zunehmenden Zahl ethnischer Konflikte und Auseinandersetzungen ist
dieses Thema akuter denn je. Doch die diesbezügliche Arbeit im ÖRK ist nicht
genügend koordiniert. Eine 1994 gemeinsam mit dem LWB und dem RWB
veranstaltete Konsultation legte eine Reihe von Fallstudien vor und formulierte eine
"Herausforderung an die Kirchen".
Programm für Fragen der Urvölker (IPP). 1990 erhielt die Tätigkeit
dieses Programms neue Impulse durch die ÖRK-Weltkonsultation in Darwin zum Thema
"Land ist unser Leben". Die "Darwin-Deklaration" und die Erklärung der
Vollversammlung in Canberra über "Urvölker und Landrechte: Über blosse
Worte hinausgehen" forderten die Kirchen auf, konkret zu handeln, indem sie Ressourcen mit
den Urvölkern teilen und dafür sorgen, dass Ureinwohner aktiver in kirchlichen
Einrichtungen, Gemeinden und Foren der Vereinten Nationen mitwirken können.
Zu den Arbeitsmethoden des Urvölkerprogramms gehören Erfahrungsaustausch,
gemeinsame Analyse der Probleme sowie Konsensentscheidungen. Örtliche, regionale
und weltweite Workshops, Begegnungen, Konferenzen und Konsultationen sollen
Brücken zwischen Ureinwohnerorganisationen und Kirchen sowie kirchlichen
Einrichtungen schlagen.
Die Spiritualität der Urvölker wurde als ganzheitlicher Ausdruck des Lebens in
einer Schöpfung behandelt, deren Bestand von den dominierenden Gesellschaften
bedroht ist. Der ÖRK und das Urvölkerprogramm brachten führende
Vertreter/innen der Urvölker zu Gesprächen zusammen, damit sie ihre
Hoffnungen und ihre Vorstellungen von inklusiver Gemeinschaft neu entfalten können.
Einen ständigen Dialog gibt es zum Thema christliche Theologien und die Weisheit der
Urvölker, bei denen die Ältesten - Männer wie Frauen - die Garanten der
geschichtlichen und kulturellen Identität sind. Die Urvölker haben festgestellt,
dass die Bibel und das Evangelium von der westlichen Kultur vereinnahmt worden sind. Sie
sind der Überzeugung, dass die wesentlichen Inhalte falsch interpretiert worden sind und
ihnen diese Interpretation dann als die einzige richtige aufgezwungen worden ist,
während alle anderen als falsch und böswillig abgetan wurden. Die
Urvölker fordern die Christen auf, ihre Art der Begegnung mit der frohen Botschaft zu
respektieren.
Land und Selbstbestimmung sind für die Existenz der Urvölker von
entscheidender Bedeutung. Der ÖRK hat die Kirchen ersucht, das Gespräch mit
den Ureinwohnern in ihrem Land aufzunehmen und dabei die Geschichte ihrer Beziehungen zu
den Urvölkern kritisch zu überprüfen sowie den Erlassjahrgedanken
aufzugreifen, "den Ureinwohnern ihr angestammtes Land, das sich gegenwärtig im
Besitz der Kirchen befindet, zurückzugeben oder ihnen Wiedergutmachung
anzubieten".
Das ÖRK-Praktikantenprogramm gab zwei jungen Erwachsenen Gelegenheit zu
ökumenischer Weiterbildung: einer Maori aus Aotearoa/Neuseeland und einer Sami aus
Norwegen. Ihre Mitarbeit im Rat war eine Bereicherung für das
Urvölkerprogramm.
Die Mitwirkung der Urvölker in UN-Gremien wird ständig erweitert. Das
Urvölkerprogramm stellt hierfür einige Mittel zur Verfügung und
trägt dazu bei, dass in jedem Jahr Ureinwohnergruppen an folgenden UN-Tagungen
teilnehmen können: Arbeitsgruppe für autochthone Bevölkerungsgruppen
(Juli), Arbeitsgruppe zum Deklarationsentwurf (Oktober) und Menschenrechtskommission
(März/April).
Solidarität mit den Dalits in Indien. Als die PCR-Kommission 1989 auf ihrer
Tagung in Madras beschloss, Verbindung mit indischen Dalit-Gemeinschaften aufzunehmen,
war kaum abzusehen, was aus diesem Vorhaben werden würde. Einheit III hat die
Gründung eines Dalit-Solidaritätsprogramms in die Wege geleitet, in dem Dalits
aus christlichen, buddhistischen, muslimischen, Sikh- und Hindu-Gemeinschaften solidarisch
zusammenarbeiten - für Indien etwas vollkommen Neues. Der ÖRK sorgte hierbei
vor allem für die Mittelbeschaffung und machte die Weltöffentlichkeit auf das
Problem aufmerksam.
Die Dalit-Bewegung ist inzwischen zu einem Motor für die soziale, politische und
ökonomische Besserstellung dieser fast 200 Millionen Inder geworden, die aufgrund
ihrer Geburt ausserhalb des Kastensystems systematisch unterdrückt werden.
Die Bedeutung des ÖRK-Zeugnisses in internationalen
Angelegenheiten ist in der gegenwärtigen weltgeschichtlichen Übergangsphase
noch gewachsen. Die Globalisierung erfordert mehr analytische Arbeit in bezug auf weltweite
und regionale Trends, mehr Aufwand bei Friedensinitiativen und der Beilegung von Konflikten
sowie die Auseinandersetzung mit neuen Problemen in den Bereichen Menschenrechte und
Rechtsstaat.
Zur Tätigkeit des ÖRK im Bereich der internationalen Angelegenheiten
gehören sowohl die den ganzen Rat betreffenden internationalen Angelegenheiten
(öffentliche Erklärungen) als auch Programmarbeit im Rahmen der Einheit
III.
In bezug auf Fragen von öffentlichem Interesse sind folgende Aufgaben zu
erfüllen:
Angesichts der Weltlage nach dem Ende des Kalten Krieges musste die CCIA zahlreiche
Hintergrundinformationen erarbeiten, in denen sie versuchte, die neuen Herausforderungen an
die Kirchen zu identifizieren. So hat sie einen wesentlichen Beitrag zur frühzeitigen
Vorbereitung sorgfältig austarierter Vorschläge zu international relevanten
Angelegenheiten geleistet.
Obwohl es hierbei häufig um kontroverse Fragen ging, sind die Erklärungen und
anderen Stellungnahmen des ÖRK von den Kirchen in den betroffenen Ländern
und Regionen in der Regel als hilfreicher Ausdruck der Solidarität aufgenommen
worden. In mehreren besonders umstrittenen Gebieten (Osttimor, Sudan, China/Taiwan,
ehemaliges Jugoslawien, Gebiet der Grossen Seen) gelang es bei Treffen mit
Kirchenvertretern/innen, die Standpunkte der Beteiligten und ihre Einschätzung der
Probleme wie auch ihre Vorstellungen von möglichen ökumenischen Reaktionen
anzunähern. Das UN-Verbindungsbüro der CCIA in New York hat sehr oft
entscheidende Materialien zur Verfügung gestellt und Kontakte zu dort tätigen
Politikexperten geknüpft.
In der Programmarbeit galt die Aufmerksamkeit folgenden nach wie vor wichtigen
Fragen:
Charakteristisch für den Berichtszeitraum war die enge Verflechtung der Probleme im
Zusammenhang mit Menschenrechten, Frieden, Beilegung von Konflikten, Rüstung und
Weltordnungspolitik.
Menschenrechte. Zur Arbeit in diesem Bereich gehört die ständige
Beobachtung und Analyse von Trends und einzelnen Situationen, in denen Menschenrechte
systematisch verletzt werden oder bedroht sind. Dazu sind enge Beziehungen zu Kirchen,
ökumenischen Gremien, kirchlichen und anderen für die Menschenrechte
eintretenden Organisationen auf allen Ebenen sowie zu zwischenstaatlichen Gremien
erforderlich. In manchen Fällen muss umgehend gehandelt werden, auch vermittels
seelsorgerlicher Besuche und Untersuchungsmissionen. Ein weiterer Aspekt der Arbeit sind
die Förderung und finanzielle Unterstützung neuer Menschenrechtsinitiativen und
der Aufbau von Solidaritätsnetzwerken zwischen Kirchen in verschiedenen
Regionen.
Der Teilnahme einer ökumenischen Delegation an der UN-Menschen-rechtskonferenz
1995 in Wien waren mehrere regionale Konsultationen voraus-gegangen. Diese globale
Überprüfung der ökumenischen Menschenrechtspolitik und -praxis half der
Einheit, Lehren aus der bisherigen Arbeit auf gegenwärtige Tätigkeiten
anzuwenden und neue Entwicklungen im Bereich der Menschenrechte festzustellen.
Eine dieser neuen Entwicklungen ist die Straffreiheit. Aus Fallstudien in Lateinamerika
sowie Tagungen und Kontakten mit Gruppen in anderen Teilen der Welt ist deutlich
geworden, dass Arbeit in diesem Bereich nicht nur für einen wirksamen Schutz der
Menschenrechte, sondern auch für Frieden, Versöhnung und die Beilegung von
Konflikten von ganz entscheidender Bedeutung ist. Aus Aktivitäten im Bereich der
Religionsfreiheit geht hervor, dass an diesem Thema noch gearbeitet werden muss, und
zwar insbesondere im Hinblick auf den Beitrag der Kirchen zur öffentlichen Diskussion
über die Beziehungen zwischen Kirche und Staat, speziell in
Übergangsgesellschaften. Ein weiterer neuer Bereich ist die interreligiöse
Zusammenarbeit beim Schutz der Menschenrechte.
Abrüstung und Waffenhandel. Das atomare Wettrüsten, der Handel mit
konventionellen Waffen und die Militarisierung - also Bereiche, in denen der ÖRK in der
Vergangenheit Pionierarbeit geleistet hat - sind nach wie vor sehr wichtige Themen.
Zu Beginn des Berichtszeitraums wurde eine Konsultation über den Handel mit
konventionellen Waffen organisiert, die Richtlinien für das Eintreten der Kirchen gegen
diesen Waffenhandel ausarbeitete. Zu den schwierigsten Fragen in diesem Zusammenhang
gehören die Ausfuhr konventioneller Waffen in Gebiete mit offenem oder latentem
Konflikt und der massive Ankauf von Waffen durch Privatpersonen. Besondere
Aufmerksamkeit gilt der Ausarbeitung praktischer Richtlinien für die Kirchen im Blick
auf die Mikro-Abrüstung.
Frieden und Beilegung von Konflikten. Kein Bereich war in den Jahren nach Canberra
so arbeitsintensiv wie dieser. Die Zunahme von Konflikten in der ehemaligen Sowjetunion und
in Afrika erforderte nicht zuletzt deshalb sehr viel Aufmerksamkeit, weil viele Konflikte neue
und komplexere Formen annehmen. Die in manchen Teilen der Welt wieder aufbrechenden
ethnischen Konflikte betreffen die Kirchen in vielen Fällen unmittelbar. Neue Formen
von engstirnigem Nationalismus haben sich entwickelt. Kirchen und Leitungsgremien erwarten
immer häufiger, dass der ÖRK bei Konflikten als Vermittler auftritt.
Eine Studie über die Rolle von Wirtschaftssanktionen wurde durchgeführt, und
1995 verabschiedete der Zentralausschuss Richtlinien zur Verhängung solcher
Sanktionen.
Viel Arbeit wurde in die Suche nach effektiver kirchlicher und ökumenischer
Mitwirkung bei der Beilegung von Konflikten investiert, z.B. im ehemaligen Jugoslawien, in
Armenien und Aserbaidschan, Osttimor, Sri Lanka und Zypern. In Afrika galt die
Aufmerksamkeit insbesondere Angola, Mosambik, Sierra Leone, dem Horn von Afrika und
Sudan sowie insbesondere dem Gebiet der Grossen Seen. Der ÖRK nahm an den
Verhandlungen in Guatemala teil und ist ähnlich auch in Kolumbien und Haiti
tätig geworden. Er organisierte ökumenische Teams für die
Überwachung der Wahlen in Südafrika und beschäftigte sich mit der Frage
des endgültigen Status von Jerusalem.
Programm zur Überwindung von Gewalt. Angesichts der weltweit zunehmenden
Gewalt und der Sehnsucht nach Frieden in Gerechtigkeit hat der Zentralausschuss im Januar
1994 das Programm zur Überwindung von Gewalt (POV) eingerichtet. Sein
Schwerpunkt liegt auf dem praktischen Aufbau einer Friedenskultur, die Gewalt auf
verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen überwinden kann, sowie auf der Ermutigung
der Kirchen, bei der Anwendung von kontextgemässen gewaltlosen Mitteln wie
Vorbeugung, Vermittlung, Eingreifen und Aufklärung eine führende Rolle zu
spielen. Das POV ist als ein breiter Rahmen zu verstehen, in dem die Bemühungen der
Kirchen und anderer Gruppen ihren eigenen Platz finden können.
Zusammen mit Glauben und Kirchenverfassung hat POV einen Studienprozess eingeleitet, bei
dem die theologischen und ekklesiologischen Dimensionen von Gewalt und Gewaltlosigkeit
sowie die bedeutenden Ressourcen untersucht werden, die das Christentum für die
Entwicklung von Friedenskulturen bietet.
Bei der vom ÖRK-Zentralausschuss im September 1996 ins Leben gerufenen
zweijährigen Kampagne "Friede für die Stadt" handelt es sich um eine weltweite
Initiative im Rahmen des POV, die auf der Achten Vollversammlung ihren Abschluss finden
wird. Die Kampagne konzentriert sich auf sieben Städte in aller Welt, die sich durch
neuartige Bemühungen um die Überwindung von Gewalt durch
gemeinschaftsübergreifende Zusammenarbeit auszeichnen. Diese Beispiele für
Friedensarbeit und versöhnte Gemeinschaft sollen im Rahmen der Kampagne vorgestellt
werden, um
Bei den sieben Städten handelt es sich um Belfast (Nordirland), Boston (USA),
Colombo (Sri Lanka), Durban (Südafrika), Kingston (Jamaika), Rio de Janeiro
(Brasilien) und Suva (Fidschi).
Die hier angewandten neuen Methoden der Partnerschaft und Kommunikation tragen
entscheidend zum Erfolg der Kampagne bei. Die örtlichen Partner gehören
verschiedenen christlichen, weltlichen und interreligiösen Organisationen an, die nicht
alle mit der ökumenischen Bewegung verbunden sind. Um die Ziele und Fortschritte der
Kampagne einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen und das Netzwerk
von Gruppen und Personen zu erweitern, die sich für Frieden und Gerechtigkeit
engagieren, wurde im World Wide Web eine interaktive Seite eingerichtet, auf der
regelmässig die neuesten Informationen und Materialien veröffentlicht werden;
ausserdem bietet sie ein Forum für den Erfahrungs- und Gedankenaustausch. Für
die Öffentlichkeitsarbeit der Kampagne werden ferner ein E-Mail-Server sowie ein
Mitteilungsblatt, Bücher und Videofilme eingesetzt.
Weltordnungspolitik. Die Debatte über Weltordnungspolitik orientierte sich im
Berichtszeitraum an den treffenden Fragen, die die Vollversammlung in Canberra in ihrer
Erklärung zum Golfkrieg zu der nach dem Ende des Kalten Krieges entstehenden
"neuen Weltordnung" und ihren Auswirkungen auf die Institutionen der Vereinten Nationen
gestellt hatte. Die 1994 vom Zentralausschuss in Johannesburg angenommene
Erklärung "Herausforderungen an Afrika heute" ist die Grundlage für das
Nachdenken über "Demokratie" in einer weltgeschichtlichen Übergangszeit, und
zwar sowohl im Hinblick auf das Verhalten auf internationaler Ebene als auch bezüglich
der Implikationen für die Regierungsführung auf regionaler, nationaler und
lokaler Ebene.
Die Zusammenarbeit mit der UN-Menschenrechtskommission und der Unterkommission, an
der mehrere Teams der Einheiten III und IV beteiligt waren, wurde fortgesetzt. Zu einer
ganzen Reihe von Ländern wurden Wortbeiträge vorbereitet, und häufig
wurden Personen aus den betreffenden Ländern eingeladen, das Wort zu ergreifen oder
in den Delegationen mitzuarbeiten. Die Zusammenarbeit mit den Sonderberichterstattern zur
Frage der Straffreiheit bei vergangenen Verbrechen gegen die Menschheit wurde
ausgebaut.
Im Berichtszeitraum fand eine ungewöhnlich grosse Anzahl von UN-Weltkonferenzen
statt. Der ÖRK beteiligte sich an sechs von ihnen: Rio de Janeiro (Umwelt und
Entwicklung), Kairo (Bevölkerung und Entwicklung), Wien (Menschenrechte), Beijing
(Frauen und Entwicklung), Kopenhagen (Sozialgipfel) und Rom
(Welternährungskonferenz).
Nach fast zwei Jahrzehnten wurde erstmals 1995 wieder eine Übersicht über die
Beziehungen des ÖRK zum UN-System zusammengestellt und eine gründliche
Auswertung vorgenommen. Hierbei zeigte sich, wie wichtig das UN-Verbindungsbüro
in New York ist. Mehrere ÖRK-Programme wurden bei ihren Arbeitskontakten mit der
UNO unterstützt. Ferner gab es Bemühungen um eine Weiterentwicklung der
Arbeitsbeziehungen zu den UN-Sekretariaten, die für humanitäre
Angelegenheiten und Friedenssicherung zuständig sind. Die Vereinten Nationen
anerkennen in zunehmendem Masse den wesentlichen Beitrag, den nichtstaatliche
Organisationen - und insbesondere der Rat und seine Mitgliedskirchen - sowohl zu
Grundsatzdiskussionen als auch zu den Aktivitäten vor Ort leisten können.
Bei der Programmarbeit zu diesem Thema wurden verschiedene
Methoden angewandt: Netzwerke (regionale und thematische); Austausch und
Kommunikation; Kampagnen (z.B. Petition zum Klimawandel); Studium und Reflexion;
Bildung, Ausbildung und Weiterbildung; Vergabe einzelner Studien an auswärtige
Experten (z.B. Klimawandel, Zivilgesellschaft, Bretton-Woods-System); neuartige Methoden
(z.B. kontextuelle biblische und theologische Reflexion).
Bei der Konzeption seiner Programme strebte das Team einen dezentralisierten Arbeitsstil an:
ausgehend von lokalen Initiativen wurden Mitgliedskirchen, regionale ökumenische
Organisationen, Netzwerkpartner und Hilfswerke einbezogen. Die Programmarbeit umfasste
drei Bereiche: Leben in der Schöpfung, Leben in Gemeinschaft und Für eine
Ökonomie des Lebens.
Leben in der Schöpfung
Eine grössere ökumenische Konferenz mit dem Titel "Auf der Suche nach dem
neuen Himmel und der neuen Erde" wurde 1992 während des UN-Erdgipfels (UNCED)
in Rio de Janeiro veranstaltet. Tagungsort war Baixada Fluminense, ein Vorort von Rio, in
dem wirtschaftliche Probleme, Umweltzerstörung und Rassismus für die Mehrheit
der Bevölkerung zum Alltag gehören. Diese Tagung gab den Teilnehmern/innen
neuen Mut für die Arbeit in ihrer Heimat. Der Bezug zwischen der Situation am Ort -
wo Menschen um ihr Überleben kämpfen - und der weltweiten Tagesordnung
wurde zum übergreifenden Anliegen für die Arbeit am Thema Leben in der
Schöpfung. In zunehmendem Masse kritisiert der ÖRK den Missbrauch des
Begriffs "nachhaltige Entwicklung", mit dem gegenwärtig Wirtschaftsmodelle
legitimiert werden sollen, die auf uneingeschränktes wirtschaftliches Wachstum und die
anhaltende und unregulierte Ausweitung der Produktion und des Konsums der Reichen in aller
Welt setzen. Bei der künftigen Arbeit muss auf den Konflikt zwischen dem
Bemühen um sozial gerechte und bestandfähige Gesellschaften und der Expansion
des Welthandels eingegangen werden.
Der von der JPIC-Weltversammlung 1990 in Seoul angenommene Bundessschluss zum Thema
Erderwärmung und Umwelt forderte den ÖRK auf, sich eingehender mit dem
Klimawechsel zu befassen. Dieses Programm hat mit Erfolg einen dezentralen Arbeitsstil
entwickelt, der die Verbindungen zwischen dem ÖRK und regionalen Netzwerken
stärkte. Mehrere Konsultationen trugen dazu bei, den Ansatz noch zu verbessern und
die Idee einer gerechten und bestandfähigen Gemeinschaft weiterzuentwickeln.
Zusammen mit den weltweiten christlichen Gemeinschaften und weiteren ökumenischen
und Umweltorganisationen wurde eine Unterschriften-sammlung für die Reduzierung
von Kohlendioxydemissionen organisiert.
Leben in Gemeinschaft
Dieser Themenbereich hatte drei programmatische Achsen:
Netzwerke: Soziale Bewegungen, Globalisierung, Ausgrenzung. In den Jahren
weltweiter Veränderungen und Umwälzungen, die dem Fall der Berliner Mauer
folgten, regte der ÖRK neue Initiativen an, organisierte den Austausch und
förderte Ausbildung und Forschung. Zwei regionale Netzwerke wurden stillgelegt und
fünf neue aufgebaut. Der ÖRK betätigte sich zunehmend als
Förderer, Befähiger und Katalysator von Netzwerken, und er hat sich dabei stets
bemüht, eine angemessene Antwort auf die Frage zu finden, wie er auf die
Tagesordnung der regionalen Netzwerke und Gruppen eingehen und zugleich engen Kontakt
zu seinen eigenen Programmen halten kann.
Von Genf aus organisierte Tagungen erwiesen sich nicht als das geeignete Mittel
hierfür. Das Programm musste einen dezentralen Ansatz entwickeln, um sinnvolle
Prozesse in den Regionen zu ermöglichen und die Rolle sozialer Bewegungen im Leben
der ökumenischen Bewegung zu bekräftigen. Die Netzwerke begrüssten
die Bereitschaft des ÖRK, sich als internationale Organisation den Problemen der
Globalisierung zu stellen und Freiräume für die Begegnung höchst
unterschiedlicher Gruppierungen offenzuhalten.
Zivilgesellschaft und Leben in Gemeinschaft. Dieses Programm wurde eingerichtet,
weil viele Partner in den Regionen auf der Suche nach neuen gesellschaftlichen Paradigmen
sind. Die Arbeit wurde zusammen mit Partnern in Deutschland, Korea, den USA und
Südafrika geleistet. Das wichtigste Arbeitsinstrument war bis 1995 die
"korrespondierende Akademie", ein gemeinsames Projekt mit der Evangelischen Akademie
Loccum (Deutschland) und der Vesper Society (USA). Schwerpunkt des Programms war die
Förderung lokaler Initiativen in bezug auf Demokratisierung, Beilegung von Konflikten
und ökonomische Alternativen. Besondere Aufmerksamkeit galt Südafrika,
Mittel- und Osteuropa, Ostafrika und Kuba.
Biblische und theologische Reflexion an der Basis. Dieses Programm sollte die
Gläubigen zu theologischer Arbeit und Bibellektüre im Alltag motivieren. In
Lateinamerika wurde eine erfolgreiche Methode entwickelt, die auch in anderen Regionen
angewandt werden könnte. Exegeten entwickelten eine neue Hermeneutik und bildeten
rund 240 Bibelstudienleiter/innen für die Ortsebene aus. 1997 lief ein neues weltweites
bibelpädagogisches Programm an. Das theologische Programm begann 1994 mit einer
Tagung von Theologen/innen, die an den Studienprozessen "Kairos" und "Strasse nach
Damaskus" mitgewirkt hatten. Damit sollte die theologische Reflexion auf der Ortsebene so
weit wie möglich angeregt werden. Mehrere wichtige Aktivitäten wurden
organisiert, darunter "Vom Kairos zum Erlassjahr" in den USA, die theologische Reflexion im
Europa nach der Wende und eine Studie über Theologie und Kultur in der Karibik,
Lateinamerika und Asien.
Für eine Ökonomie des Lebens
Der ÖRK beschäftigt sich bereits seit Anfang der 80er Jahre in enger
Zusammenarbeit mit Partnern im Süden und mit dem Center of Concern in Washington
mit dem Schuldenproblem. Er hat sich bemüht, den Mitgliedskirchen Informationshilfen
an die Hand zu geben, um die Ursachen der Schuldenkrise zu verstehen und nach
Lösungen zu suchen; zur gleichen Zeit wurde - auch innerhalb der Kirchen selbst -
heftige Kritik an den finanziellen Aktivitäten der Kirchen geübt. Neue Impulse
für die diesbezügliche ökumenische Debatte kommen seit 1997 aus der
Initiative Erlassjahr 2000.
Angesichts der Tatsache, dass das Schuldenproblem im Zusammenhang mit den
Entwicklungen im Weltwirtschaftssystem insgesamt und dem Finanzsektor im besonderen
anzugehen ist, unterstützte Einheit III ein ambitioniertes Programm des Washingtoner
Center of Concern, das Alternativen zum sog. Bretton-Woods-System - der Weltbank und
dem Internationalen Währungsfonds - untersuchte. 1994 wurden anlässlich der
50-Jahr-Feiern des Abkommens von Bretton Woods Aktionsgruppen und Forschungsinstitute
zu einer Tagung nach Washington eingeladen, auf der sie Informationen austauschen,
Analysen und Strategien vergleichen und über Möglichkeiten gemeinsamen
Handelns sprechen konnten.
Bildungsarbeit für Gerechtigkeit, Frieden und Schöpfung
(JPIC)
In diesem Rahmen sind verschiedene Materialien für Kirchen und Gruppen entstanden,
in denen die Erkenntnisse von Frauen, jungen Menschen, Ureinwohnern/innen und
Pädagogen/innen von der Ortsebene vorgestellt werden:
What Do We Mean When We Say Sacred? beschäftigt sich mit Kultur und
Identität und fasst die Ergebnisse der Diskussion über die kulturelle Dimension
der JPIC-Bildungsarbeit zusammen, wobei die Elemente aufgezeigt werden, die in
verschiedenen Gemeinschaften zur Entwicklung einer Kultur des Lebens beitragen. Analyse
und Reflexion konzentrieren sich auf Geschlechterrollen, Umwelt, Spiritualität und
Volksbewegungen.
Five Loaves and Two Fishes behandelt das Thema Gottesdienst und JPIC und stellt
neue und kreative Möglichkeiten vor, wie Lebenserfahrungen und Veränderungen
in verschiedenen Kontexten im Gottesdienst zum Ausdruck gebracht werden können.
Das Handbuch enthält Vorschläge zur Verwendung von Symbolen,
Naturelementen, Gesten und Bewegungen, Theater und Geschichten im Gottesdienst.
Towards a Feminist Pedagogy beruht auf den Erfahrungen und Perspektiven von
Frauen, die in der Bildungsarbeit tätig sind. Das Handbuch enthält
Lebensgeschichten, Überlegungen zu Fragen der Macht und der Identität, zum
Ursprung von Wissen und zu sozialen Bedingungen, die das Leben von Frauen prägen.
Es beschäftigt sich auch mit den ethischen Implikationen des
Geschichtenerzählens sowie mit Heilen und Spiritualität als integralem
Bestandteil des Lernens, mit weiblichen Symbolen und den Werten und Grundsätzen,
die einer von Frauen bestimmten Bildungsarbeit zugrunde liegen.
Caretakers of the Earth ging hervor aus der Debatte über den Klimawandel und
befasst sich mit den ethischen Grundsätzen und den kulturellen Werten, die das
Verhältnis des Menschen zur Umwelt prägen, um alternative
Entwicklungsstrategien und ökologisch bestandfähige Lebensstile zu entwickeln.
In diesem Zusammenhang wurden Workshops und Austauschprojekte organisiert und
Initiativen zur Entwicklung von Lehrmaterial zu Umwelfragen unterstützt.
Dieser Arbeitsbereich konzentrierte sich auf eine ökumenische
Stellungnahme zum UNCED-Prozess (Rio 1992), zur Erderwärmung und zum
beschleunigten Klimawandel sowie auf die theologische Reflexion über JPIC im
Rahmen einer Theologie des Lebens.
Seit Anfang der 90er Jahre haben sich drei wichtige Themen
herauskristallisiert: eine Kritik des Entwicklungsmodells in der neuen globalen Situation; neue
Herausforderungen für die internationale Zusammenarbeit; und schliesslich die
Notwendigkeit, neue Möglichkeiten für die Stärkung der
Eigenständigkeit ökumenischer Organisationen zu finden. "Gemeinsam den Weg
finden" war eine Initiative von Geberorganisationen, in Zusammenarbeit mit dem ÖRK
auf die neue Lage einzugehen. Die lateinamerikanischen Partner wählten mit einem
neuartigen Forschungsprojekt über die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit
ökumenischer Organisationen einen anderen Ansatz.
Das in neun Sprachen übersetzte Studiendokument Der christliche
Glaube und die heutige Weltwirtschaft war die Grundlage für einen Grossteil der
ÖRK-Arbeit zum Thema Wirtschaft in den 90er Jahren. Es wurde bei zahlreichen
Treffen verwendet, um Reflexion und Aktion zum Thema christlicher Glaube und Wirtschaft
anzuregen, die sich immer mehr zu einer entscheidenden Dimension der christlichen Reaktion
auf die beschleunigte Globalisierung entwickelt haben.
Da die verschiedenen Programme der Einheit III jeweils Bildungsarbeit zu
ihren eigenen Themen leisten, konzentrierte sich Bildungsarbeit für JPIC auf die
Untersuchung methodischer Fragen und Implikationen, die sich aus der Arbeit der Einheit
ergeben. Zu diesem Zweck arbeitete das Büro mit den Bildungsbüros anderer
Einheiten zusammen und beteiligte sich an der interregionalen und regionalen Auswertung von
Bildungsprozessen. Die Ergebnisse liessen eine gewisse Verlagerung der Perspektiven und
Ansätze erkennen und unterstrichen die Notwendigkeit eines mehrdimensionalen
Bildungsansatzes, vor allem in Umfeldern, in denen die Globalisierung unabsehbare
Auswirkungen auf das Leben der Menschen hat. Von besonderer Bedeutung ist die
Herausforderung, die feministische Theorie und Praxis für die Form und den Inhalt von
Bildung darstellt. Fragen von Sexualität, Macht, Identität, Kultur, Geschlecht,
Alter, Rasse, ethnischer Herkunft und Umwelt waren daher die Hauptthemen, die in den
miteinander verbundenen Aktivitäten des Bereichs Bildungsarbeit für JPIC zur
Sprache kamen.
Seit seiner Gründung setzt sich der ÖRK für die
Interessen von Frauen ein, und seit über 40 Jahren gibt es Programmarbeit zum Thema
Frauen in Kirche und Gesellschaft. Seit 1988 wird der grösste Teil dieser Arbeit im
Rahmen der Ökumenischen Dekade "Kirchen in Solidarität mit Frauen" geleistet.
Dem ÖRK ist bei der Durchführung der Dekade-Aktivitäten die
Mitwirkung der wachsenden kirchlichen und weltlichen Frauenbewegungen in allen Teilen der
Welt zugute gekommen. Das Zustandekommen der Dekade ist auf diese Bewegungen
zurückzuführen, die Dynamik der Dekade ist der Energie der Frauen zu
verdanken.
Ökumenische Dekade "Kirchen in Solidarität mit den
Frauen"
Erstens formulierte die Gruppe vier Hauptprobleme, auf die sich die Dekade konzentrieren
könnte; jede Mitgliedskirche sollte aufgefordert werden, je nach der eigenen Situation
tätig zu werden:
Dem zweiten Vorschlag zufolge sollte der Rat ökumenische Teambesuche bei allen
Mitgliedskirchen organisieren, um im Gespräch mit ihnen festzustellen, inwieweit sie
ihre Verpflichtungen gegenüber Frauen erfüllt haben.
Im Rahmen eines umfangreichen Teambesuchsprogramms bei den Mitgliedskirchen besuchten
zwischen 1994 und 1996 insgesamt 75 vierköpfige Teams (je zwei Männer und
zwei Frauen aus verschiedenen Mitgliedskirchen) die Mitgliedskirchen und Christenräte
sowie kirchliche und weltliche Frauen-organisationen. Zum Abschluss dieses Prozesses wurde
auch der ÖRK besucht. Ziel der Besuche war es festzustellen, inwieweit die
Zielsetzungen der Dekade in das kirchliche Leben integriert worden sind und wo noch immer
Widerstände gegen Veränderungen bestehen, und die Kirchen aufzufordern,
eindeutig Stellung zu beziehen, indem sie ihren den Frauen gegenüber eingegangenen
Verpflichtungen nachkommen. Diese "lebendigen Briefe", wie die Teams genannt wurden,
besuchten mehr als 330 Kirchen, 68 nationale Christenräte und 650 Frauengruppen und
-organi-sationen in aller Welt. Die Besuche sollten jede Mitgliedskirche in ihrer konkreten
Situation die weltweite und ökumenische Forderung nach uneingeschränkter und
kreativer Mitwirkung von Frauen in Kirche und Gesellschaft bewusst machen. Die
Teambesuche haben auch unterstützend gewirkt, und sie haben den Mut und die
Loyalität von Frauen sichtbar gemacht, die sich seit Jahzehnten zur Arbeit auf Orts-,
Landes- und regionaler Ebene zusammengeschlossen haben.
Die Dekade ist ein Erfolg gewesen, weil sie dazu beigetragen hat, dass Frauen sich in den
Kirchen vernehmbarer äussern und weil sie den Frauen die Möglichkeit gegeben
hat, sich zu organisieren und ihre Anliegen zu artikulieren. Darüber hinaus hat sie dem
ÖRK Orientierungshilfen für seine Arbeit und Methoden für seine
Beziehungen zu Kirchen und anderen Netzwerken erschlossen. Sie hat ausserdem deutlich
gemacht, dass Erfahrungen auf der Ortsebene wichtig und aufschlussreich für das
Verständnis der Rolle sind, die der ÖRK als internationale Organisation spielen
kann.
Weitere Aktivitäten
Das Programm "Frauen und ländliche Entwicklung" unterstützte auch weiterhin
Fraueninitiativen mit Kleinkrediten nach dem Grundsatz, dass diese Kredite Ausdruck der
Solidarität unter Frauen sein und ihre Selbstbestimmung fördern müssen.
Zum Thema "Frauen und wirtschaftliche Gerechtigkeit", einem der vier Schwerpunkte der
Dekade, fanden mehrere regionale Workshops statt. Die Teilnehmer/innen vertraten
verschiedene Einrichtungen und Organisationen - Regierungen, nichtstaatliche Organisationen,
kirchliche Gruppen und Bürgerinitiativen - die auf unterschiedliche Weise die negativen
Auswirkungen von Globalisierung und wirtschaftlicher Liberalisierung auf ihre Gesellschaften
im allgemeinen und auf Frauem im besonderen feststellen.
Frauen in Konfliktsituationen. Der ÖRK steht traditionell auf der Seite
benachteiligter Gruppen, die mit jeglicher Form von Ungerechtigkeit konfrontiert sind, und
das Frauenprogramm setzt diese Tradition fort. Es organisierte mehrere seelsorgerliche und
Informationsbesuche von Frauen bei Frauen in verschiedenen Ländern - einschliesslich
Südafrika, dem ehemaligen Jugoslawien, Ruanda und Burundi -, um Solidarität
zu bekunden und die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass Frieden mit Gerechtigkeit eine
der Grundvoraussetzungen für eine Entwicklung und ein Wachstum ist, die sich am
Menschen orientieren.
Gewalt gegen Frauen. Auf mehreren regionalen Konsultationen über Gewalt
gegen Frauen (Bali, Indonesien, 1993; San José, Costa Rica, 1993; Nyeri, Kenia, 1994;
Westsamoa, Pazifik, 1994; Ballycastle, GB, 1994; Ayia Napa, Zypern, 1995; Bolton, Kanada,
1996) forderten Frauen eine sichere und gewaltlose Gesellschaft und Welt und begannen mit
der Vorbereitung eines globalen Aktionsplans für die Kirchen. Zur Sprache kamen die
durch politische und militärische Gewalt bedingte Zunahme der Gewalt gegen Frauen,
die durch das Schuldenproblem und die Politik der strukturellen Anpassung verursachten
Wirtschaftskrisen sowie kulturelle und religiöse Traditionen und Praktiken. Es gibt viele
Formen von Gewalt gegen Frauen, darunter Gewalt in der Familie, Prostitution und
Pornographie, sexuelle Belästigung und sexueller Missbrauch - und zwar auch in der
Kirche - sowie subtilere Formen wie psychische Gewalt. Es wurden Strategien für den
Umgang mit Gewalt sowohl in der Gesellschaft als auch in der Kirche entwickelt. Auf einer
weltweiten Tagung wurden 1997 die Ergebnisse und Erfahrungsberichte der Frauen aus den
Regionen zusammengestellt und ausgewertet.
Frauen in der ökumenischen Bewegung. Im September 1992 und im Januar 1995
fanden zwei Treffen von Frauen statt, die in der ökumenischen Bewegung aktiv waren
bzw. sind. Die Teilnehmerinnen sprachen darüber, wie die ökumenische
Bewegung mit zu ihrer Selbständigkeit beigetragen und wie sie ihnen zugleich
manchmal das Leben schwer gemacht hatte. Diese beiden Tagungen leisteten einen erheblichen
Beitrag zur Entwicklung zukunftsorientierter Strategien für die Aufgaben, die sich aus
der Dekade ergeben.
Tagungen orthodoxer christlicher Frauen. Während der Dekade wurden zwei
Tagungen für Frauen aus den orthodoxen Kirchen organisiert (Damaskus, Oktober
1996 und Istanbul, Mai 1997). Mehr als 100 Frauen aus orthodoxen Kirchen in Asien, dem
Nahen Osten, Afrika, Ost- und Westeuropa sowie Nord- und Lateinamerika befassten sich mit
den Auswirkungen der Dekade auf die orthodoxen Kirchen und orthodoxe Frauen. Die
Teilnehmenden formulierten die Einstellungen orthodoxer Frauen zu Lehrfragen und zum
kirchlichen Dienst von Frauen, und sie hoben hervor, welche Gaben sie als Orthodoxe und
Frauen in ihre Gemeinschaften, Familien und Kirchen einbringen.
Leitlinien für die Zukunft
Eine unübersehbare Herausforderung für die Zukunft, die durch die Dekade ans
Licht gebracht wurde, ist die Tatsache, dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit bislang
weder in den Kirchen noch in Frauenorganisationen genügend Beachtung geschenkt
worden ist. Darüber hinaus haben die Bemühungen, Aufklärungsarbeit zum
Thema Gewalt gegen Frauen zu leisten, deutlich gemacht, dass in dieser Frage eine klare und
eindeutige Stellungnahme seitens des ÖRK erforderlich ist. Der ÖRK muss auch
weiterhin eine kritische Rolle spielen; er muss eine ekklesiologische und ethische Antwort auf
die Gewalt gegen Frauen herausarbeiten und auf Weltebene ein glaubwürdiges
Programm aufstellen.
1992, als sich die Dekade ihrer Mitte näherte, war deutlich
geworden, dass das, was ursprünglich als Ausdruck des Engagements der Kirchen
für Frauen gedacht war, zu einer Dekade der Frauensolidarität oder sogar der
Solidarität der Frauen mit den Kirchen geworden war. Nun stellte sich die Frage, wie
den Kirchen die Dekade zurückgegeben werden konnte und wie Frauen in den Regionen
bei ihren Bemühungen unterstützt werden sollten. Bei einer Tagung in Genf
schlugen Vertreterinnen der Regionen zwei Möglichkeiten vor.
Frauen und Entwicklung. In den vergangenen zehn Jahren hat sich
dieses Programm im Kontext der Dekade darum bemüht, die Fähigkeiten von
Frauen zur Selbstorganisation zu fördern, die zusammen mit Demokratisierung das
Umfeld darstellt, in dem bestandfähige Entwicklung möglich ist. Das Programm
arbeitet sowohl mit kurz- als auch mit langfristigen Strategien.
Das Engagement des ÖRK für die Anliegen der Frauen wird
auch weiterhin notwendig sein. Die Dekade hat zumindest bewirkt, dass Frauen mehr als
zuvor Unterstützung und Nacharbeit von der ökumenischen Bewegung erwarten.
Der Schwerpunkt muss auf "Gerechtigkeit in der Gemeinschaft" liegen, und zwar sowohl als
kirchlicher Imperativ als auch als gesellschaftliche Realität. Auch Fürsprache ist
nach wie vor erforderlich, um Frauen in den Kirchen bei ihren Bemühungen um
Mitbestimmung in Entscheidungsinstanzen, in der Theologie und der theologischen
Ausbildung, in der ökumenischen Bildungsarbeit in Gemeinden und Gemeinschaften wie
auch in anderen Formen des Dienstes zu unterstützen.
Die Zeit seit der Vollversammlung in Canberra ist in vieler Hinsicht
ein Wendepunkt für die Jugendarbeit des ÖRK. Die Siebte Vollversammlung hatte
nachdrücklich erklärt, der ÖRK müsse die Anliegen der Jugend ernst
nehmen, und die Kommissions-tagung in Evian hatte 1992 diese Aussage bekräftigt. In
den Jahren seit Canberra sah sich der ÖRK gefordert, diese Erklärung in die
Praxis umzusetzen. Zwar wird immer wieder festgestellt, Jugendfragen seien nicht lediglich
Sache einer Einheit oder eines Arbeitsteams, sondern des ganzen Rates, doch lassen die
vergangenen Jahre erkennen, dass das Engagement der anderen Einheiten für die Jugend
eindeutig zu wünschen übrig lässt.
Das Ökumenische Weltjugend- und Studententreffen (EGGYS) von 1993 sollte
zu einer Intensivierung der ökumenischen Zusammenarbeit zwischen zehn Jugend- und
Studentenorganisationen einschliesslich des ÖRK führen. Es bot in der Tat
Gelegenheit für Netzwerkarbeit und leitete die Zusammenarbeit von nationalen,
regionalen und internationalen Partnern zu gemeinsamen Problemen junger Menschen ein.
Doch die Nacharbeit zu EGGYS ist - gemessen an den grossen personellen wie finanziellen
Investionen auf allen Ebenen - recht enttäuschend. Dies um so mehr, als die
vierjährigen Vorbereitungen in allen Teilen der Welt hohe Erwartungen geweckt und
viel Energie mobilisiert hatten.
Das Programm für Weltjugendprojekte (WYP) war im Berichtszeitraum der
Rahmen für einen Grossteil der Arbeit im ÖRK-Jugendreferat und in den
regionalen ökumenischen Jugendnetzwerken. Das Programm gliedert sich in vier
Bereiche:
Das ÖRK-Praktikantenprogramm gibt jungen Menschen Gelegenheit, bis zu 12
Monaten im ÖRK (Genf und New York) zu arbeiten, und ist ein Weg,
Führungskräfte für die ökumenische Jugendbewegung auszubilden.
Die Praktikanten/innen - in der Regel drei bis fünf pro Jahr - bringen neue Ideen und
Vorstellungen in den ÖRK ein. Eine Auswertung hat kürzlich gezeigt, dass das
Praktikantenprogramm ein Musterbeispiel ökumenischer Jugendausbildung ist und
sowohl im ÖRK als auch in den Regionen fortgesetzt werden sollte.
Das Programm Jugend und HIV/AIDS führte zu einem gemeinsam von den
Jugendreferaten des Lutherischen Weltbundes und des ÖRK organisierten Workshop
über HIV/AIDS (Namibia 1993). Aus diesem Workshop, an dem 27 junge Menschen
aus allen Weltregionen teilnahmen, entstanden zwei Veröffentlichungen über
HIV/AIDS, die für junge Menschen in den Mitgliedskirchen beider Organisationen
bestimmt sind: die Broschüre "AIDS - Why We Care" und das Handbuch Making
Connections, Facing AIDS. Beide haben dazu beigetragen, die Diskussion über
dieses Thema zu fördern oder aber in zahlreichen Gruppen in verschiedenen Teilen der
Welt erstmals ein Gespräch über AIDS zu beginnen.
Mit dem Programm "I Am Worthy - Young Women Demand a Violence Free World"
(Ich besitze Würde - junge Frauen fordern eine gewaltfreie Welt) sollten junge Frauen
auf ökumenische Führungspositionen auf nationaler, regionaler und
internationaler Ebene vorbereitet werden. Das Programm umfasste jährliche weltweite
Planungs - und Überprüfungstagungen, ein Weltfestival in Fidschi im November
1994 sowie die Teilnahme junger Frauen aus der ökumenischen Bewegung an der
UN-Weltfrauenkonferenz in Beijing 1995. Der Titel des Programms verwies auf die
Schwerpunktverlagerung von der Auseinandersetzung mit Gewalt gegen Frauen auf ein
Plädoyer für die Würde junger Frauen als Trägerinnen des Wandels
und als gleichberechtigte Mitglieder der ökumenischen Jugendbewegung. Dass das
Programm ein Erfolg war, zeigt sich an der stärkeren Präsenz und den
wirkungsvolleren Beiträgen junger Frauen in der ökumenischen Jugendarbeit aller
Regionen.
Die Programme Jugend für Frieden und Gerechtigkeit und Jugend in
Konfliktsituationen ermöglichten Begegnungen zwischen jungen Menschen, die in
Konfliktsituationen leben. Bei diesen Treffen konnten Netzwerke für die
Zusammenarbeit eingerichtet und Erfahrungen und Materialien ausgetauscht werden, die dabei
halfen, das Gefühl der Isolierung und der Hoffnungslosigkeit zu überwinden. Die
ökumenische Jugendbewegung könnte eine pro-aktive Rolle bei den
Bemühungen spielen, die Erkenntnisse und die praktischen Erfahrungen junger
Menschen mit der Friedensschaffung an Orten zu vermitteln, an denen latente Spannungen in
einem offenen Konflikt auszubrechen drohen. Bei diesen Treffen ging es ferner darum, dass
junge Menschen ihre Meinungen zu Krieg und Konflikt, zu Frieden und Gerechtigkeit
artikulierten. Schwerpunkte des Programms Jugend in Konfliksituationen waren Afrika, der
Nahe Osten und Europa.
Jugend, Evangelium, Kulturen und Identität bezog junge Menschen in die
Vorbereitungen für die ÖRK-Weltmissionskonferenz 1996 ein. Thema war das
Nachdenken über die eigene Kultur im Kontext neuer Missionsaktivitäten, die
zunehmenden Bedrohungen durch religiösen Fundamentalismus sowie die
Fremdenfeindlichkeit. Aus dieser Debatte entwickelte sich eine kritische Einschätzung
der Zusammenhänge zwischen Evangelium und Kulturen sowie der Faktoren, die die
Identität junger Menschen prägen.
Das ÖRK-Stewardprogramm, in dessen Rahmen seit 1948 über 1500
junge Menschen als Stewards an Vollversammlungen, Zentralausschusstagungen und anderen
Konferenzen teilgenommen haben, wurde im Berichtszeitraum neu organisiert, um gezielt
ökumenische Ausbildung für junge Menschen zu bieten. Inzwischen ist die
obligatorische Teilnahme an einer drei- bis viertägigen Einführung integraler
Bestandteil des Stewardprogramms.