Bericht des Ausschusses für Programmrichtlinien
- wie von der Achten
Vollversammlung angenommen -
Einleitung
Denn wer ist unter euch, der einen Turm bauen will und setzt sich nicht zuvor hin und überschlägt die Kosten, ob er genug habe, es auszuführen? Damit nicht, wenn er den Grund gelegt hat und kann's nicht ausführen, alle, die es sehen, anfangen, über ihn zu spotten, und sagen: Dieser Mensch hat angefangen zu bauen und kann's nicht ausführen (Lukas, 14,28-30).Eine der Aufgaben der Delegierten dieser Vollversammlung besteht in der Festlegung der (allgemeinen) Arbeitsschwerpunkte des Ökumenischen Rates und der Überprüfung der Programme, die zur Umsetzung der vorher festgelegten Schwerpunkte durchgeführt wurden.1 Die Vollversammlung soll also die während der letzten sieben Jahre unternommenen Aktivitäten des Rates überprüfen und Leitlinien für seine künftigen Aktivitäten setzen. Welche Kriterien sollen angewendet werden, um die geleistete Arbeit zu überprüfen und die künftigen Leitlinien festzusetzen? Die Basis spricht vom Ökumenischen Rat der Kirchen als einer Gemeinschaft von Kirchen, die ... gemeinsam zu erfüllen trachten, wozu sie berufen sind.2 Das Dokument "Auf dem Weg zu einem gemeinsamen Verständnis und einer gemeinsamen Vision des ÖRK" betrachtet diese "gemeinsame Berufung" als eine Vereinigung der Vision aus Johannes 17,21 ("dass sie alle eins seien ... damit die Welt glaube") mit jener aus dem Epheserbrief 1,10 (Gottes Ratschluss "auszuführen, wenn die Zeit erfüllt wäre, dass alles zusammengefasst würde in Christus, was im Himmel und auf Erden ist").3 |
Der Prozess
Der Ausschuss für Programmrichtlinien hat seine Arbeit in zwei Phasen ausgeführt. In
einer ersten Phase prüfte er die von den vier Einheiten und dem Generalsekretariat geleistete
Arbeit, wertete aus, was erreicht wurde, und gab Hinweise darauf, was in der nächsten
Periode weitergeführt werden könnte. In der zweiten Phase arbeitete der Ausschuss im
Rahmen der sechs Padare-Themenbereiche. Im Dialog mit den Delegierten unterbreitete er erste
Vorschläge für neue Arbeitsbereiche, die anschliessend im Licht weiterer Beiträge
abgeändert wurden. Der Ausschuss für Programmrichtlinien legt Ihnen hiermit seinen
Bericht vor auf dessen Grundlage die Vollversammlung die allgemeinen Arbeitsschwerpunkte des
Ökumenischen Rates in den kommenden sieben Jahren festlegen kann.
Eine Reihe von Themen kamen in allen Hearings zur Sprache.
Wie viel Arbeit kann geleistet werden?
Im Rat, in dem das Personal seit der letzten Vollversammlung um 45% gekürzt worden ist,
besteht die Gefahr, dass von den gegenwärtigen Mitarbeitern/innen in etwa die gleiche
Arbeitsleistung erwartet wird wie vom früheren, weitaus umfangreicheren Stab. Aus allen
Einheiten hörte der Ausschuss für Programmrichtlinien, dass manche in Auftrag
gegebene Programme aufgrund der Personalkürzungen nie angelaufen und andere beschnitten
worden sind. Die Umstrukturierung hat Befürchtungen ausgelöst, erfolgreiche und
notwendige Tätigkeiten, an denen weitergearbeitet werden sollte, könnten verloren
gehen. Um diesen Befürchtungen entgegenzutreten, sollten unverzüglich strukturelle
Vorkehrungen getroffen werden.
Wie kann sie geleistet werden?
Bei jedem Programm ist die Frage zu stellen: "Welches ist die geeignetste und wirksamste
Arbeitsmethode?" Der Stab hat langjährige Erfahrungen mit den verschiedenen Methoden wie
Vernetzung, Zusammenarbeit, grossen Konferenzen und Konsultationen, Besuchen in
Mitgliedskirchen, Veröffentlichungen und Delegierung der Arbeit an die Regionen. Aber es
gibt auch viele neue Arbeitsmethoden. Bisher nutzte der Rat vorwiegend die Methode der
Konsultationen und Stabsreisen, doch dies dürfte angesichts der Tatsache, dass für die
Erfüllung des ÖRK-Mandats immer weniger Mittel zur Verfügung stehen, nicht
die beste Methode sein.
Wer wird sie leisten?
In dem Heft Von Canberra nach Harare hiess es: "... der Rat kann keineswegs alles tun, und
er sollte es auch nicht versuchen" - man sollte nicht vergessen, dass gute Vorsätze nicht immer
auch zu guten Ergebnissen führen. Es gibt aber Aufgaben, die nur der ÖRK
übernehmen kann. Als Beispiele seien das Programm zur Bekämpfung des Rassismus
und das Lima-Papier zu Taufe, Eucharistie und Amt genannt. Ansonsten jedoch sollten die
Vollversammlung und der Rat ausgehend vom Subsidiaritätsprinzip zunächst die Frage
stellen: "Was sollte vom ÖRK getan werden?", sodann "Was sollte auf Ortsebene getan
werden?" und "Was sollte von anderen ökumenischen Einrichtungen getan werden?" und
schliesslich "Was sollte von den weltweiten christlichen Gemeinschaften getan werden?"
Der ÖRK kann der einen ökumenischen Bewegung in besonderer Weise dienen. Er muss Partner finden, mit ihnen zusammenarbeiten und, wo immer möglich, die Zusammenarbeit fördern, und er muss direkt an andere ökumenische Organisationen, Studieneinrichtungen, weltweite christliche Gemeinschaften und auch die Kirchen mit der Bitte herantreten, im Namen der einen ökumenischen Bewegung Arbeiten durchzuführen.
Wem wird sie zugute kommen?
Es steht fest, dass der ÖRK sehr viel gute Arbeit geleistet hat, doch ein grosser Teil davon ist
Kirchenleitungen wie Christen an der Basis weder bekannt noch wird er von ihnen genutzt. Der
CUV-Prozess hat deutlich gemacht, dass die Kirchen an den Programmen teilhaben und sie in ihrem
Leben verankern müssen.
Das Büro für Beziehungen zu Kirchen und ökumenischen Einrichtungen (OCER) wurde nach der Vollversammlung in Canberra eingerichtet und soll die Gemeinschaft und gegenseitige Rechenschaftspflicht unter den Mitgliedskirchen fördern sowie die Beziehungen zu Nichtmitgliedskirchen und -organisationen ausbauen. Der potentielle Aufgabenbereich des Büros im Hinblick auf den Ausbau der Beziehungen des Rates übersteigt bei weitem seine personelle Ausstattung. Die vergangenen sieben Jahre sind jedoch der Beweis dafür, dass seine Funktion von entscheidender Wichtigkeit ist. Der Studienprozess über das gemeinsame Verständnis und die gemeinsame Vision, die Rolle, die der Mitwirkung der orthodoxen Kirchen im Leben des Rates eingeräumt wurde, zunehmende Erwartungen seitens der Pfingstkirchen, evangelikalen Gemeinschaften und neu entstandenen Kirchen, neue Initiativen in der Gemeinsamen Arbeitsgruppe mit der römisch-katholischen Kirche wie auch die mögliche Einrichtung des "Forums" - all dies deutet darauf hin, dass dieses Büro nach Harare erheblich höheren Bedarf an Kapazitäten haben wird.
Das Büro für interreligiöse Beziehungen (OIRR) wurde nach Canberra in das Generalsekretariat eingegliedert in der Absicht, die Tätigkeit in diesem Bereich vom "Dialog" zur Förderung interreligiöser Beziehungen zu verlagern. Die Arbeit an dem Thema "religiöse Dimensionen von Konflikten", das im vorigen Mandat vorgesehen war, bedarf noch stärkerer Aufmerksamkeit. Das OIRR muss in erster Linie Mitgliedskirchen helfen, die unter den Bedingungen des religiösen Pluralismus mit immer grösseren theologischen, missiologischen und politischen Herausforderungen konfrontiert sind. Schliesslich sollte die Arbeit nicht von einem einzelnen Büro, sondern in den neuen Strukturen interaktiv geleistet werden.
Das Ökumenische Institut in Bossey wurde vier Jahre nach der Vollversammlung in Canberra aus der Einheit I in das Generalsekretariat verlagert. Trotz Perioden finanzieller Unsicherheit ist in Bossey in letzter Zeit ein wiedererwachtes Engagement für die theologische Ausbildung festzustellen. In den kommenden Jahren wird das Institut seine Verbindungen zu ehemaligen Studenten verstärken, die Programme für Laien ausbauen und Beziehungen zu anderen ökumenischen Ausbildungsstätten knüpfen sowie darüber nachdenken müssen, wie es sein reiches Bildungspotential an Orten in aller Welt vermitteln kann. Noch wichtiger ist zur Zeit die Konzipierung der ökumenischen Ausbildung und geistlichen Zurüstung von künftigen kirchlichen Verantwortlichen, Seminarleitern/innen und anderen sowie die Prüfung von Methoden für den ökumenischen Dialog. Die gewonnenen Erkenntnisse müssen ständig in das breitere Spektrum des Lebens des ÖRK einfliessen.
Das Büro für Kommunikation hat seine wichtigen Aufgaben in der Zeit nach Canberra mit einem verkleinerten Stab und immer grösseren technologischen Anforderungen an seine Arbeit bewältigen müssen. Das als halb autonomes Büro gegründete ENI hat sich als zuverlässige ökumenische Informationsquelle in der ganzen Welt besonders bewährt. Für die Zukunft muss die Rolle der Printerzeugnisse im Verhältnis zu den elektronischen Kommunikationsmitteln noch geklärt und dabei den breitgefächerten Bedürfnissen in den Mitgliedskirchen Rechnung getragen werden. Eine Priorität in der vor uns liegenden Zeit wird die Umsetzung einer integrierten Kommunikationsstrategie im ganzen Rat sein.
EINHEIT I - EINHEIT UND ERNEUERUNG
Das Mandat der Einheit, das sie teilweise mit anderen Einheiten gemeinsam erfüllte, bestand darin, den Prozess der Erneuerung und Versöhnung in den Kirchen zu unterstützen und auf die sichtbare Einheit der Kirche hinzuarbeiten. Dies geschah durch theologischen Dialog und Reflexion, ökumenische theologische Ausbildung, integrative Mitwirkung der Laienschaft, Gottesdienst und Spiritualität. Das Hearing bekräftigte, dass das leidenschaftliche Ringen um die sichtbare Einheit im Mittelpunkt des gemeinsamen Lebens der Kirchen stehen muss, und diese Arbeit muss innerhalb des ÖRK auch in Zukunft deutlichen Ausdruck in den Programmen finden.
Die Arbeit der Einheit wurde in vier Arbeitsbereichen geleistet.
Glauben und Kirchenverfassung
Glauben und Kirchenverfassung muss sich weiterhin um eine Verbesserung der regionalen
Mitwirkung wie auch der Zusammenarbeit mit anderen Programmeinheiten bemühen und auch
weitaus stärker den Rezeptionsprozess als integralen Bestandteil seines Arbeitsstils und seiner
Arbeitsmethoden in den Vordergrund stellen. Die Arbeit an einer ökumenischen Hermeneutik
erhielt nachdrückliche Unterstützung und sollte unbedingt fortgeführt werden.
Der Text zu "Wesen und Aufgabe der Kirche" ist erst im Anfangsstadium und muss noch einen
Reifeprozess durchlaufen. Das Mandat von Evian sah vor, dass Glauben und Kirchenverfassung eine
Studie zum Thema "Ethnische Identität, nationale Identität und die Einheit der Kirche"
durchführen sollte. Diese Studie ist gerade angelaufen und steckt noch in einem sehr
frühen Anfangsstadium.
Integrative Gemeinschaft durch Mitwirkung der Laienschaft
Dieses Thema hat das
Potential, missionarische Ortsgemeinden zu erneuern und Brücken zu anderen
Programmbereichen des ÖRK zu bauen sowie Partnerschaften mit Bewegungen und
Organisationen ausserhalb des ÖRK einzugehen. Dieser Arbeitsbereich machte deutlich,
über welch grosse Ressourcen die Kirche und die ökumenische Bewegung dank all jener
Menschen verfügt, die bereits Laienämter innehaben, und dass die Kirchen und
Bewegungen folglich in ihren Bemühungen unterstützt werden müssen, die
Laienschaft für diese Ämter zuzurüsten.
Bereitschaft zur Integration und Sichtbarmachung werden als geistliche Aufgaben gesehen. Obwohl die Anliegen von Menschen mit Behinderungen verwaltungsmässig in diesem Arbeitsbereich angesiedelt waren (so wie die Anliegen von jungen Menschen in Einheit III), sind diese Anliegen doch für das Leben der Kirchen und des ÖRK insgesamt wesentlich, damit der Leib Christi vollen Ausdruck finden kann. Deshalb werden sie auch in anderen Bereichen des Rates aufgegriffen.
Ökumenische theologische Ausbildung
Dieser Arbeitsbereich betonte die Notwendigkeit von Kontextualisierung und Netzwerkarbeit sowie
die Zukunftsfähigkeit und strategische Bedeutung der ökumenischen theologischen
Ausbildung sowohl für Ordinierte als auch für Laien. Er hat den interregionalen
Austausch gefördert und Zugang zu Ausbildungsmöglichkeiten geschaffen. Wo immer
diese Arbeit in Zukunft auch geleistet wird, wichtig ist, dass ihre regionale Ausrichtung beibehalten
wird und dass die zentralen Themen und Standards theologischer Ausbildung auf internationaler
Ebene behandelt werden. Es hat sich klar gezeigt, dass theologische Ausbildungseinrichtungen
ermutigt werden müssen, ökumenische Offenheit und Integrationsbereitschaft zu zeigen
und Theologie ganzheitlich zu betreiben, um der Erneuerung von Mission und Amt der Kirche und
ihrem ökumenischen Engagement dienen.
Gottesdienst und Spiritualität
Gemeinsame Gottesdienste sind die sichtbarste Ausdrucksform der Ökumene. Sie stellen ein
machtvolles Instrument dar, um eine integrative Gemeinschaft herzustellen, und tragen dazu bei, den
geistlichen Reichtum der verschiedenen Traditionen, Kulturen und Kontexte zu vermitteln. Es gibt
einen Hunger nach Spiritualität, der diese Arbeit heute zu einer Priorität werden
lässt, und es ist wesentlich, eine Verbindung zwischen Spiritualität und Gottesdienst
herzustellen. Die Arbeit an Veröffentlichungen von Liturgien und Kirchenliedern, die sich auf
Quellen ausserhalb des ÖRK stützte, hat gute Ergebnisse gebracht. Die Initiative zur
Vorbereitung eines gemeinsamen Osterdatums ist den Kirchen anempfohlen worden.
EINHEIT II KIRCHEN IN MISSION GESUNDHEIT, BILDUNG, ZEUGNIS
Aufgabe der Einheit war es, die Kirchen für ihre Rolle in der Mission Gottes zu stärken und zuzurüsten sowie die Arbeit der Kirchen zu unterstützen und zu fördern. Dies geschah durch Netzwerkarbeit, Begleitung und die Aufforderung der Kirchen zu gegenseitiger Rechenschaft.
Mission
Es wurde vielfach der Sorge um die Zukunft der Mission im ÖRK Ausdruck gegeben,
insbesondere angesichts der neuen Strukturen. Die Tradition des früheren Internationalen
Missionsrates (IMC) muss fortgeführt werden. Mission sollte weiterhin eine zentrale Rolle in
der ökumenischen Bewegung spielen und muss in engem Zusammenhang mit den
Bemühungen um Einheit stehen.
Insbesondere sollte die derzeit in Arbeit befindliche Missionserklärung fertiggestellt werden; ferner ist die Nacharbeit zur Studie "Evangelium und Kulturen" und zur Konferenz von Salvador aufzunehmen (besonders im Bereich der Entwicklung hermeneutischer Methoden für die Untersuchung der Kulturen und des Evangeliums). Die Erfahrungen der Urvölker und die von ihnen aufgeworfenen Fragen sowie die Entwicklung neuer und effektiver Methoden für das Zeugnis in säkularen Gesellschaften sollten ebenfalls weiter Beachtung finden.
Der Proselytismus gibt nach wie vor Anlass zur Sorge und ist ein Problem, das weit über die früheren kommunistischen Länder hinausreicht und wesentlich mehr Kirchen betrifft als nur die orthodoxen. Was für die einen Proselytismus ist, ist für andere Evangelisation; die Verurteilung des Proselytismus durch den Rat hat die dafür Verantwortlichen nicht von diesen Aktivitäten abgehalten. Die Kirchen sollten ihre Aufmerksamkeit auf ihren eigenen Glauben und ihre eigene Mission konzentrieren, so dass sie ein positives, attraktives und glaubwürdiges Zeugnis vor den Menschen ablegen. Dazu könnte der ÖRK Mittel zur Verfügung stellen.
Die in Auftrag gegebene Studie zur Theologischen Bedeutung anderer Religionen wurde nicht durchgeführt. Dies war einer der Fälle, in denen die nach Canberra unternommene Umstrukturierung nicht effektiv war. Der Ausschuss für Programmrichtlinien nahm die im Hearing zum Generalsekretariat eingebrachten Stellungsnahmen sowie die Änderungsvorschläge zur Verfassung des Rates zur Kenntnis, die zusammengenommen die Konzentration und Weiterführung dieser Arbeit notwendig erscheinen lassen.
Gesundheit
Die Mission Gottes umfasst Heilung im weitesten Sinne des Wortes. Der Ausschuss für
Programmrichtlinien nahm zur Kenntnis, dass dieser Arbeitsbereich Kürzungen hinnehmen
musste, hob aber zugleich die entscheidende Bedeutung der Arbeit zu HIV/AIDS hervor und
würdigte die beeindruckenden Leistungen, die die Einheit in diesem Bereich vollbracht hat,
indem sie die Kirchen aufforderte, sich dieses Problems anzunehmen, und ihnen Anstösse zum
Nachdenken und zum Handeln gab.
Bildung wird auch in Zukunft ein Anliegen des ÖRK sein. Ziel dieser Arbeit sollte es sein, die Kirchen für die Mission in einem pluralistischen Kontext zuzurüsten. Dabei müssen in den verschiedenen Teilen der Welt, die alle auf verschiedenste Weise schnellen Veränderungen ausgesetzt sind, flexible Strategien angewendet werden.
Der Kirchliche Dienst im städtischen und ländlichen Bereich (URM) hat unterstrichen, wie wichtig die Präsenz der Kirchen bei den Marginalisierten und Schutzlosen ist. Sie bildet einen zentralen Bestandteil dessen, was es heisst, Kirche zu sein. Dieser Aufgabe sollten sich die Kirchen der Mittelschicht, die sich davon bisher offenbar nicht haben tangieren lassen, stärker als bisher stellen.
EINHEIT III GERECHTIGKEIT, FRIEDEN UND SCHÖPFUNG
Der Auftrag der Einheit bestand darin, die Arbeit zu Gerechtigkeit, Frieden und der Bewahrung der Schöpfung (JPIC) fortzusetzen. Im Jahre 1995 definierte die Einheit fünf Programmthemen, um die herum sie ihre Arbeit organisierte (vgl. Arbeitsbuch für die Vollversammlung, S. 67ff.). Der Ausschuss für Programmrichtlinien nahm zustimmend zur Kenntnis, dass die Einheit sich darum bemüht hat, einzelne Programme nach der Umstrukturierung zu vereinfachen und innerhalb eines grösseren Rahmens miteinander zu verbinden.
Theologische Grundlegung
In jedem der Programmbereiche wurde die Notwendigkeit erkannt, die theologische Grundlage ihres
ethischen Handelns deutlich zu machen. Damit wurde in den Studien zu Ekklesiologie und Ethik (in
Zusammenarbeit mit Einheit I) sowie im Programm zur "Theologie des Lebens" begonnen.
Arbeitsweise
Die Notwendigkeit, dass die Einheit und der ÖRK Programmprioritäten künftig in
Netzwerkarbeit behandeln müssen, war ein ständiges Thema. Die Einheit hat ihre
Netzwerkarbeit ausgebaut und damit experimentiert. In jedem der Programmbereiche sind bereits
Studien angefertigt worden oder aus anderen Quellen verfügbar; es muss jedoch noch ein Weg
gefunden werden, wie die aktuellen Materialien in einer klaren und nicht von ökumenischem
Jargon geprägten Sprache aufbereitet und zusammengefasst werden können. Solche
Materialien können die Netzwerkarbeit ergänzen.
Zusätzlich zu konkreten Programmen hat die Einheit grosse Mühe darauf verwendet, neue Arbeitsweisen zu entwickeln, einschliesslich des Sokoni (Arbeitsbuch für die Vollversammlung, S. 68). Damit will man einen Raum und eine Methode für offene Partizipation schaffen. Diese Arbeitsweise hat sich als erfolgreich erwiesen, unter der Voraussetzung, dass sie gut vorbereitet wird.
Programmbereiche
Alle Programmbereiche fanden starke Unterstützung. Wichtige Anliegen waren:
Gewalt
Als Schwerpunkt für die künftige Arbeit wurde die Notwendigkeit gesehen, die
Definitionen der Formen von Gewalt zu erweitern. Nachdrücklich wurde eine Klärung
des Verhältnisses zwischen Gewalt und Abrüstungprogrammen gefordert. Es ist bereits
deutlich geworden, dass die Ökumenische Dekade "Kirchen in Solidarität mit den
Frauen" diesen Arbeitsbereich noch erweitert hat, indem sie auf die Notwendigkeit hinwies, die in
Kirche und Gesellschaft vorhandene Gewalt gegen Frauen zu benennen und sich ihr zu stellen.
Rassismus
Auch hier wurde die Notwendigkeit hervorgehoben, bestehende Definitionen von Rassismus und
Ethnizität zu berücksichtigen und zu erweitern und dieser Arbeit auch in Zukunft eine
hohe Priorität einzuräumen. In dem Hearing ist deutlich geworden, dass es eine
Wechselbeziehung zwischen Rassismus und Gewalt gibt, die bei jeder zukünftigen Arbeit
berücksichtigt werden muss.
Umwelt und Wirtschaft
Der Ausschuss für Programmrichtlinien nahm zur Kenntnis dass es notwendig ist, das
Verhältnis von Umwelt und Wirtschaft zu untersuchen. Hier wurde der Prozess der
Globalisierung als wichtiges strukturierendes Element der verschiedenen Einzelthemen
angesehen.
Internationale Angelegenheiten
Im Mittelpunkt der Stellungnahmen zu den internationalen Beziehungen stand die Nutzung der
bestehenden lokalen, regionalen und internationalen Netzwerke, und insbesondere der Vereinten
Nationen, zur Aufklärung und Mobilisierung in diesen Fragen.
In der Arbeit mit Frauen, Jugendlichen und Urvölkern wurde weit mehr als reine Programmarbeit gesehen. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil des Lebens der Mitgliedskirchen und des ÖRK. Diese Arbeit hat den betreffenden Gruppen sowohl innerhalb des Rates als auch in vielen seiner Mitgliedskirchen Stimme und Gehör verschafft. Während diese Programme Teil von Einheit III geworden sind, hat sich ihre vollständige Integration in die Arbeit des ganzen ÖRK als schwierig erwiesen.
Die Leistungen der Ökumenischen Dekade "Kirchen in Solidarität mit den Frauen" wurden gewürdigt und empfohlen. Die Plenarsitzung und das Hearing der Einheit III wiesen auf die Notwendigkeit hin, die Arbeit in den Bereichen Rassismus, wirtschaftliche Gerechtigkeit, Partizipation innerhalb der Kirche und, wie bereits erwähnt, Gewalt gegen Frauen fortzusetzen.
Die Arbeit und die Programme im Zusammenhang mit Urvölkern fanden Beachtung und Anerkennung. Sie werden auch in Zukunft fortgesetzt werden müssen.
Die Arbeit mit jungen Menschen muss wesentlich verstärkt werden. Die Bedeutung der ökumenischen Ausbildung, insbesondere durch Praktika, das Steward-Programm und die Orientierungen vor Tagungen wurde unterstrichen. Diese Arbeit wird am besten durch eine grössere Mitwirkung von jungen Menschen in den Entscheidungsgremien gefördert.
Aufgabe der Einheit war es, die Mitgliedskirchen und ökumenische Einrichtungen und Organisationen darin zu unterstützen, Menschenwürde und bestandfähige Gemeinschaft mit den Marginalisierten und Ausgegrenzten zu fördern. Dadurch wird die diakonische Arbeit des ÖRK erleichtert. Im Hearing kamen die theologischen und methodischen Grundlagen dieser Arbeit sowie die Herausforderungen und gewonnenen Erkenntnisse zur Sprache. Die spezifischen Verfahren, mit denen die Einheit IV ihr Mandat ausführte, können im Arbeitsbuch für die Vollversammlung, S. 92-96, nachgelesen werden. Im einzelnen machte die Einheit Gebrauch von den Modellen des Runden Tisches, der Regionalreferate, der Einrichtung von globalen Netzwerken (insbesondere von Kindern und entwurzelten Menschen) und Fürsprache.
Wie dem Ausschuss für Programmrichtlinien berichtet wurde, bedarf es künftig vor allem in drei Bereichen weiterer Reflexion:
Wie in anderen Einheiten fand die Sorge um die Marginalisierten ihren Ausdruck in der Hoffnung, dass untersucht wird, wie diakonische Arbeit durch den Ausbau der Kapazitäten verhindern kann, dass die ohnehin schon Marginalisierten nicht noch weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, sondern vielmehr zu einem ganzheitlichen Verständnis des Zeugnisses der Kirchen führen kann.
Übergangsphase
Wie in dem CUV-Dokument "Auf dem Weg zu einem gemeinsamen Verständnis und einer
gemeinsamen Vision" unterstrichen wurde, steht der ÖRK vor der grundlegenden Aufgabe, die
Gemeinschaft und die gegenseitige Rechenschaftspflicht seiner Mitgliedskirchen weiter zu
entwickeln. Ausserdem muss er sich darum bemühen, diese Gemeinschaft im Dienste der
einen ökumenischen Bewegung zu erweitern. Der absolute Vorrang dieser Ziele muss
anerkannt sein, bevor programmatische Schwerpunkte gesetzt werden können.
Wie nicht anders zu erwarten war, wurde in den jeweils drei Sitzungen dieser Hearings ein breites Spektrum von Fragen und Themen diskutiert. Unter den Titeln Gerechtigkeit und Frieden, Einheit und Spiritualität, Gemeinsam auf dem Weg, Bildung und Lernen, Mission und Zeugnis, Solidarität (wobei jeder dieser Themenbereiche des Padare in mehrere Unterthemen aufgeteilt wurde) brachten die Teilnehmenden nicht nur ihre Eindrücke und Erkenntnisse aus den von ihnen besuchten Padare-Angeboten in die Sitzungen ein, sondern auch Hintergrundinformationen zum Lebensumfeld ihrer eigenen Kirchen, ihre ökumenischen Erfahrungen und Überzeugungen.
Die Mitglieder des Ausschusses für Programmrichtlinien notierten in jedem Hearing sorgfältig, was gesagt wurde. Sie stellten gelegentlich klärende Fragen zu Beiträgen von Teilnehmern/innen und gaben auch vorläufige Zusammenfassungen dessen, was sie hörten. Es war jedoch nicht geplant, einen Bericht vorzubereiten, der von dem Hearing selbst hätte angenommen oder akzeptiert werden müssen. Jede Hearing-Reihe befasste sich so mit vielen Anliegen und Themen, die in der ökumenischen Bewegung von aktuellem Interesse sind, und lieferte hilfreiche Erkenntnisse zu möglichen Arbeitsmethoden des Rates. Aber keines der Hearings - die alle ihren eigenen Themenbereich hatten - konnte für sich übergreifende Arbeitsschwerpunkte des ÖRK für die kommenden Jahre definieren oder eine umfassende Liste aller wichtigen ökumenischen Anliegen sowie potentiellen Anliegen in dem von ihm behandelten Themenbereich erstellen.
Jede Untergruppe legte dem Ausschuss für Programmrichtlinien eine mündliche Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse ihres Hearings vor. Berichte von anderen Vollversammlungsausschüssen wurden unter dem Aspekt geprüft, ob sie irgendeine Bedeutung für die Ausarbeitung von Richtlinien für die zukünftige Arbeit des ÖRK hätten. Ausgehend davon wurde sodann eine Reihe übergreifender Themen für die Arbeit des ÖRK in den nächsten Jahren festgelegt. Während diese Themen den Hauptteil des vorliegenden Berichts ausmachen, sah der Ausschuss für Programmrichtlinien es als nützlich an, an dieser Stelle auch kurze Zusammenfassungen von jedem der sechs Hearings in Phase II aufzunehmen.
1. Einheit und Spiritualität
Ziel der ökumenischen Bewegung ist es, dass alle an einem Tisch das eucharistische Mahl
miteinander teilen können. Unsere Theologie ist entstanden durch die Verflechtung von
ökumenischer Hermeneutik, Gottesdienst, Spiritualität, Untersuchungen zu
Ekklesiologie und Ethik.
Seit langem haben wir erkannt, dass beim ökumenischen Miteinanderteilen zwischen und unter den Kirchen Gebet und theologische Grundsätze unserem Leben mehr Tiefe gegeben haben. Die neuere ökumenische Studienarbeit von Glauben und Kirchenverfassung zur Kirche als koinonia sollte durch eine Untersuchung der vielfältigen Ausdrucksformen christlicher Spiritualität, denen wir in den Kirchen in aller Welt begegnen, vertieft werden. Die Spiritualität der Urvölker, die an vielen Orten der Welt Ausdruck findet, kann einen Beitrag zu dieser Arbeit leisten.
Die Arbeit von Glauben und Kirchenverfassung ist dazu angetan, die Kirchen und den Ökumenischen Rat der Kirchen vor wichtige ökumenische Herausforderungen zu stellen und ihnen gleichzeitig eine solide theologische Grundlage für gemeinsame Anstrengungen um sichtbare Einheit, gemeinsames Zeugnis und integrativen Dienst zu bieten. Diese Arbeit stützt sich auf andere im ÖRK durchgeführte programmatische Arbeiten und trägt zu ihnen bei, insbesondere die Arbeit zu Gottesdienst und Spiritualität sowie zur theologischen Grundlage des ökumenischen Engagements für Solidarität, Gerechtigkeit und Frieden.
Heute, da wir an der Schwelle zu einem neuen Jahrtausend stehen, wird eine der wichtigsten Aufgaben der Kirchen darin bestehen, sich den aktuellen ethischen Fragen zu stellen, die sich aus den riesigen Fortschritten in Bereichen wie Gentechnologie und elektronische Kommunikation ergeben. Ferner müssen ethische Fragen, die das Individuum sowie die zwischenmenschlichen Beziehungen betreffen, behandelt werden. Der ÖRK sollte Raum schaffen und Orientierungshilfe geben für Diskussionen und Konsultationen, die den Mitgliedskirchen einen Austausch über diese schwierigen Fragen - einschliesslich menschlicher Sexualität - ermöglichen, die innerhalb und unter den Mitgliedskirchen zu Spaltungen führen. Diese Diskussionen müssen auf einer gemeinsamen theologischen und hermeneutischen Reflexion aufbauen, wie es auch bei früheren ökumenischen Diskussionen über ethische Fragen, wie die Frage des Rassismus, der Fall war.
Da die ökumenische Landkarte schnellen Veränderungen unterliegt, muss der ÖRK fortfahren, bilaterale und multilaterale Gespräche auf lokaler und regionaler Ebene zu fördern und zu unterstützen, indem er denjenigen, die auf dem Weg zur Einheit aktiv vorwärtsgehen, Raum für Reflexion, Diskussion und die Auswertung der Fortschritte und Vorgehensweisen bietet.
2. Gemeinsam auf dem Weg
In ihrer Botschaft der ersten ÖRK-Vollversammlung in Amsterdam 1948 erklärten die
Delegierten: "Wir haben den festen Willen, beieinander zu bleiben." Eine passende Verpflichtung der
Vollversammlung in Harare 50 Jahre später wäre: "Wir sind verpflichtet, gemeinsam auf
dem Weg voranzugehen." Dabei sollte das "wir" als Beschreibung einer inklusiven
Gemeinschaft verstanden und betont werden.
Kirchen und ökumenische Organisationen auf lokaler und regionaler Ebene entdecken in zunehmendem Masse neue Möglichkeiten des Zusammenlebens und Zusammenarbeitens. Diese ökumenische Flexibilität und Kreativität sollte begrüsst werden; und der ÖRK sollte aus diesen Erfahrungen lernen, dabei aber weiter auf die Hindernisse aufmerksam machen, die der Proselytismus unserem gemeinsamen Voranschreiten in den Weg stellt.
Um gemeinsam vorangehen zu können, ist besonders darauf zu achten, dass regionale ökumenische Organisationen (REOs), christliche Weltgemeinschaften (CWCs), geldgebende Stellen und ökumenisch gesinnte Gruppen und Netzwerke als ökumenische Partner in der ÖRK-Familie zusammengebracht werden. Mit der Einführung einer neuen internen Struktur sollte der ÖRK auch adäquate Mechanismen zur Verbesserung seiner Beziehungen und der Modelle der Zusammenarbeit mit diesen Gruppen entwickeln.
Die gegenwärtigen Rückschläge in der ökumenischen Bewegung können zu einem grossen Teil darauf zurückgeführt werden, dass es den Kirchen und historischen Traditionen an Verständnis füreinander und an gründlichem Wissen voneinander fehlt. Eine Möglichkeit, dem abzuhelfen und unsere ökumenische Gemeinschaft zu vertiefen, könnten zwischenkirchliche Besuche bieten - nicht primär in Form von Delegationen, die der ÖRK in die Kirchen entsendet, sondern vielmehr von Delegationen aus den Kirchen, die über den ÖRK in andere Kirchen entsandt werden.
Die Zusammenarbeit des ÖRK mit theologischen Fakultäten und Seminaren in allen Teilen der Welt ist für Theologiestudium, Ausbildung zum Pfarramt und Forschung unerlässlich. Austausch und Partnerschaftsbeziehungen, die in einigen Teilen der Welt bereits erfolgreich unter den Fakultäten verwirklicht werden, könnten, vielleicht mit Hilfe des ÖRK, nutzbringend erweitert werden; auch könnte bei der Durchführung von ÖRK-Studienprojekten systematischer die Unterstützung von theologischen und anderen Fakultäten gesucht werden. Angesichts der Fortschritte, die dank der bilateralen theologischen Gespräche im gegenseitigen Verständnis und in der Zusammenarbeit erzielt werden konnten, sollte der ÖRK auch in Zukunft zu solchen Gesprächen anregen, von denen die Kirchen auf der ganzen Welt profitieren würden.
Der ÖRK sollte sich auch weiterhin über die ungeheuren Möglichkeiten informieren, die die technologischen Entwicklungen im Bereich der Kommunikation eröffnen, und andererseits die Herausforderungen der heutigen Medien im Auge behalten, die beispielsweise ein auf Konsum ausgerichtetes Verhalten propagieren und damit die Kluft zwischen Reichen und Armen, Mächtigen und Machtlosen vertiefen.
Durch die vielfältige Nutzung der Printmedien hat der ÖRK in bedeutender Weise zur Übermittlung der ökumenischen Botschaft beigetragen; gesteigerte Aufmerksamkeit muss der Verbreitung dieses Materials geschenkt werden, wobei die Einschränkungen berücksichtigt werden sollten, die durch Sprache, Herstellungsart und Kosten entstehen.
Das Potential, das Kunst, Musik und andere kreative Ausdrucksformen als Kommunikationsmittel der Ökumene bieten, muss weiter erforscht werden.
3. Gerechtigkeit und Frieden
Das Bemühen der Kirchen um Gerechtigkeit und Frieden beruht auf dem Engagement aus dem
Glauben und hat das Ziel, die Gleichberechtigung und die Gleichwertigkeit aller Völker und
Menschen, eine bestandfähige und gerechte Entwicklung, die Überwindung von Gewalt
und die uneingeschränkte Beteiligung für alle zu bejahen und zu bewahren.
Diskriminierung, Menschenrechtsverletzung, Ausgrenzung und die Unfähigkeit, Konflikte
friedlich beizulegen, sind eng miteinander verknüpft.
Menschenrechte sind unteilbar. Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sind mit den bürgerlichen und politischen Rechten untrennbar verbunden. Das Evangelium gebietet den Kirchen, Menschenrechtsverletzungen nicht nur wahrzunehmen, sondern zu handeln, wenn die Gabe des Lebens und die Heiligkeit und Würde der ganzen Schöpfung verletzt werden. Die Kirchen müssen die Ursachen von Menschenrechtsverletzungen untersuchen und aus der Sicht der Opfer analysieren. Sie müssen bestehende Bedrohungen für die Natur und für die ganze Schöpfung aufdecken. Gemeinsam und mit Menschen anderen Glaubens sollten sie an einer globalen Ethik arbeiten, die das Eintreten für die Menschenrechte in immer grösserem Masse für die interdependente Weltgemeinschaft verbindlich macht.
Innerhalb der Kirchen muss auf die zunehmende wirtschaftliche Ungerechtigkeit im Gefolge der Globalisierung und des herrschenden internationalen Finanzsystems sowie deren Auswirkungen auf das Recht auf Arbeit und auf ausreichenden Lebensunterhalt aufmerksam gemacht werden. Den negativen Auswirkungen der Globalisierung muss mit energischen Anstrengungen zum Schutz der Rechte der Urvölker und ethnischer Minderheiten auf Selbstbestimmung und gesetzlichen Schutz ihres Eigentums an Ressourcen entgegengetreten werden. Bei der Analyse und Bekämpfung dieser Kräfte muss stets eine Verknüpfung von Globalem und Lokalem gewährleistet sein. Es muss bedacht werden, dass entwurzelte Menschen besonders schutzlos sind. Auf ethnische Säuberungen und Genozid muss von den Kirchen auf örtlicher, nationaler und globaler Ebene entschlossen reagiert werden; besondere Verantwortung tragen die Kirchen, wenn die Prinzipien der Religionsfreiheit in Frage gestellt werden.
Diskriminierung ist in allen ihren Formen eine Verletzung von Rechten. Angesichts der zunehmenden Komplexität der Diskriminierung müssen die Kirchen die ihr zugrunde liegenden Mechanismen der Ausgrenzung und Marginalisierung aufdecken und öffentlich blossstellen. Allein durch die Bekräftigung von Wert, Identität und Würde eines jeden Menschen, ungeachtet seiner geistigen und körperlichen Fähigkeiten, durch Aufnahme in die Gemeinschaft der Kirche kann der Leib Christi seinen vollen Ausdruck finden. Strukturelle und zwischenmenschliche Diskriminierung aus rassischen Gründen sind in Kirche und Gesellschaft noch immer virulent, und es entstehen immer noch neue Formen des Rassismus.
Bewaffnete Konflikte und Gewalt sind schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen und verursachen unermessliches menschliches Leid. Die christliche Antwort darauf müssen die Schaffung eines gerechten Friedens, Konfliktbewältigung und Versöhnung sein. Kirchliches Handeln muss situationsgerecht sein und Fürsprache, prophetisches Handeln und Vermittlung miteinander verbinden. Es müssen wirksamere und flexiblere Verbindungen zwischen lokalem und globalem Handeln hergestellt werden; die Kirchen müssen entschlossener mit Kirchen ausserhalb der Gemeinschaft des ÖRK zusammenarbeiten und sich stärker darum bemühen, interreligiöse Reaktionen zu beeinflussen und zu ermöglichen.
Der Kirche kommt daher auf allen Ebenen die Aufgabe zu, 1) eine Beobachter- und Fürsprecherrolle zu übernehmen und die Ursachen von Menschenrechtsverletzungen, Diskriminierung und Gewalt aufzudecken und öffentlich blosszustellen; 2) durch die Schaffung von Möglichkeiten für offenen und geschützten Dialog Gruppen zusammenzuführen, die sich für Frieden und Versöhnung einsetzen; 3) geistliche und emotionale Präsenz und Begleitung zu gewährleisten, damit die Hoffnung auf Versöhnung nicht aus dem Blick gerät.
4. Bildung und Lernen
Entscheidend wichtig für die Stärkung und Erneuerung der ökumenischen
Bewegung ist die Heranbildung von Geistlichen und Laien. Am wirkungsvollsten hat sich für
die ökumenische Arbeit das Modell der kontextuellen Bildungsarbeit erwiesen, bei der sich
Lernen in Reflexion und Aktion vollzieht und lokale, regionale und internationale Tagesordnungen
einander ergänzen und bereichern sollen. Dabei ist sicherzustellen, dass insbesondere Frauen,
Ureinwohner/innen, Behinderte und junge Menschen Zugang zu ökumenischem Lernen
erhalten.
Zu den zukunftsweisenden Modellen für die ökumenische Bildungsarbeit gehören Fortbildungsprogramme in Seminaren, Laienbildungsstätten und im Ökumenischen Institut in Bossey, die in grösserem Masse offen sein müssen für Menschen, die über begrenzte finanzielle Mittel und wenig Zeit verfügen. Besonderer Bedarf an ökumenischer Bildungsarbeit und Ausbildung zeigt sich in den Kirchen Ost- und Mitteleuropas. Es sollten mehr Mittel für Stipendienprogramme zur Verfügung gestellt werden.
Angesichts der zunehmenden religiösen Pluralität in der Welt, in der die Kirchen leben und arbeiten, sollte der ÖRK auch Vorsorge für interreligiöses Lernen im Rahmen seiner eigenen Bildungsarbeit treffen, in der Bildungsarbeit der Kirchen und Laienbildungsstätten interreligiöses Lernen fördern und darauf achten, dass interreligiöses Lernen und der interreligiöse Dialog eng miteinander verknüpft werden.
Ökumenische Ausbildung und theologische Ausbildung müssen in der Bildungsarbeit des ÖRK weiterhin Priorität haben. Netzwerkarbeit, Partnerschaft und Zusammenarbeit in Programmen des ÖRK, des Ökumenischen Instituts in Bossey und der Laienbildungsstätten können den Bildungsprozess intensivieren. Seminare und Fakultäten in den Regionen sollten mit Ressourcen ausgestattet und dadurch unterstützt werden, die ökumenische Ausbildung voranzutreiben. Der Rat sollte dort die Einrichtung von Laienausbildungsstätten ermöglichen, wo noch keine bestehen, insbesondere in Osteuropa und im Pazifik.
Die Arbeit im Bereich der Bildung und des ökumenischen Lernens, die alle Bemühungen des Rates um Gerechtigkeit, Frieden und Schöpfung begleiten und untermauern kann, muss fortgesetzt und vertieft werden. Ein besonders wichtiges Beispiel ist die Entwicklung von Lehr- und Aufklärungsmaterial zum Thema Familie und Gewalt in der Familie; weitere Themenbereiche sind Globalisierung, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, die Rolle der Religion beim Aufbau der Nation sowie Fragen im Zusammenhang mit Behinderung.
5. Mission und Zeugnis
Mission und Evangelisation sollten im Mittelpunkt des Lebens der Kirchen und daher auch der
Arbeit des ÖRK stehen. In diesem Zusammenhang bilden sich drei Bereiche besonders heraus:
(1) Evangelium und Kulturen (mit einem besonderen Schwerpunkt auf der Untersuchung der
Beziehungen zwischen Evangelium und Kulturen in Afrika und im Westen); (2) Mission und
Evangelisation in den säkularisierten Gesellschaften der Gegenwart; (3) Gesundheit und
Heilung (mit besonderem Schwergewicht auf gemeinschaftsbezogener Gesundheitsarbeit und
HIV/AIDS).
Da die letzte Konferenz des ÖRK für Weltmission und Evangelisation (Salvador, Nov.-Dez. 1996) kurz vor Beginn der intensiven Vorbereitungsarbeiten für die Achte Vollversammlung stattfand, war es noch nicht möglich, viele der Anregungen für weiterführende Arbeiten, die aus dieser Konferenz hervorgingen, in die Tat umzusetzen. Daher liegt für den ÖRK eine umfangreiche Tagesordnung auf dem Gebiet der Mission und der Evangelisation vor.
Zu den missionsbezogenen Studien und Programmen, die der ÖRK in den kommenden Jahren durchführen sollte, gehören: (1) die Untersuchung und Überprüfung von missionarischen Arbeitsmethoden; (2) der Aufbau von Solidarität zwischen den Kirchen in der Mission; (3) Definition "neuer Missionsfelder", wozu auch Fragen der Gesundheit und des Heilens zu rechnen sind, in Zusammenarbeit mit Regierungs- und internationalen Organisationen (z.B. UN AIDS); (4) die weiterführende Erforschung der Einwurzelung des Evangeliums in verschiedenen Kulturen; (5) die Stärkung des gemeinsamen Zeugnisses und die Aufnahme von Gesprächen über Proselytismus; (6) die Beziehung zwischen Glaube, Heilung und Ganzheit; (7) Beziehungen zwischen Missionswerken, Kirchen und dem ÖRK.
6. Solidarität
Die Entwicklung eines einzigen globalen Wirtschaftsnetzes, das von keinerlei Rahmenwerten
eingeschränkt wird, die für das Gemeinwohl der Menschheit, die Würde aller
Menschen und den Eigenwert der Schöpfung Gottes eintreten würden, beschert den
Kirchen eine Vielzahl miteinander eng verknüpfter Probleme, mit denen sie sich
auseinandersetzen müssen -- darunter die Bedrohungen der Umwelt, die internationale
Schuldenlast, die hoffnungslose Lage der entwurtzelten Menschen, HIV/AIDS. Im Zentrum der
Antwort der Kirchen auf die "Globalisierung" steht der Aufruf, "zu Gott umzukehren". Nur dann
können sie eine globale Vision entwickeln und alternative Initiativen und Modelle
unterstützen, die Menschen dazu befähigen, "fröhlich zu sein in Hoffnung".
Aufgerufen zur Einheit, müssen die Kirchen sich in Antwort auf die verwandelnde Liebe Gottes in Christus dem Leiden der Welt zuwenden und miteinander handeln. Die Ausmerzung der Armut durch den Aufbau tragfähiger Gemeinschaften steht auf der Tagesordnung des ÖRK, weil sie auf der Tagesordnung Gottes für die Welt steht. Das Vertrauen auf Gott weist die Kirchen an, das globalisierte Leiden der Welt mit der Hoffnung eines ganzheitlichen Evangeliums für die ganze Welt zu umfassen. Unsere ökumenische Berufung ist ein Auftrag Gottes zum gemeinsamen Zeugnis in unserer einen Welt.
Dieser Auftrag weist die Kirchen an, das Leben ihrer eigenen Gemeinschaft zu erbauen, ihr Engagement für die Gemeinschaft der Kirchen untereinander zu vertiefen und auf eine weltweite Gemeinschaft, die Gottes unbeschränkte Liebe annimmt, zu hoffen und dafür zu beten und zu arbeiten. Hierfür ist eine sachbezogene theologische Grundlegung nötig. Frühere Arbeiten zur "Theologie des Lebens" und zur Theologie des Teilens und Dienens müssen weiterentwickelt und integriert werden.
Seit der Vollversammlung von Vancouver hat der ÖRK erhebliche Anstrengungen unternommen, um das Engagement der Kirchen für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung zusammenzuführen. Seit der Vollversammlung von Canberra hat sich die in diesem Bereich geleistete Arbeit des ÖRK an diesem Thema orientiert. Der ÖRK kann jetzt sachkundig auf die Herausforderung, tragfähige Gemeinschaften aufzubauen, eingehen und handeln. Die Arbeit in diesem Rahmen muss im kommenden Zeitabschnitt fortgeführt werden. Beispiele, die angeführt werden könnten, sind Klimaveränderung, globale Ethik, Handel, Schuldenreduzierung und Biotechnologie. Ebenso ist die Zeit gekommen, zu prüfen, wie das Engagement des ÖRK für Menschenrechte und -würde in einen globalen Werterahmen eingebunden werden kann, der die Kräfte, die die Weltwirtschaft gestalten, rechenschaftspflichtig zu machen vermag.
Ebenso bedeutend für das Zeugnis des ÖRK war sein Engagement dafür, die Kirchen zum Miteinanderteilen von Ressourcen zu befähigen und dadurch die geteilte Liebe Gottes zum Ausdruck zu bringen und tragfähige Gemeinschaften für die Zukunft aufzubauen. Im gegenwärtigen globalen Kontext sollte der ÖRK dafür sorgen, dass sich die Kirchen erneut dazu verpflichten, wechselseitig die teuren Verpflichtungen einzulösen, die aus ihrer Zusammengehörigkeit erwachsen.
Die in der Vergangenheit geleistete Arbeit beim Miteinanderteilen von Ressourcen zwischen den Kirchen hat einerseits die Bande der Gemeinschaft enger geknüpft und andererseits konkrete ekklesiologische Fragen aufgeworfen. Ebenso hat die gemeinsame Verpflichtung der Kirchen auf Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung die ekklesiologischen Fragen verschärft, die im Zusammenhang mit ethisch-moralischem Handeln entstehen. Die Arbeit zu Ekklesiologie und Ethik hat eine wichtige Grundlage geschaffen. Doch in den kommenden Jahren sollten die Erfahrung der koinonia und der Auftrag der Kirchen zur Mission der geleisteten Arbeit des ÖRK auf dem Gebiet der Ekklesiologie und Ethik neue, integrierende Kapitel anfügen.
Wie können die Kirchen zum Wohle der Welt ihre Ressourcen, ihr Engagement und ihr Leben miteinander teilen? Es wird in den kommenden Jahren eine zentrale Aufgabe sein, die Kirchen zu befähigen, sich dieser Herausforderung in Vertrauen und Glauben zu stellen.
Übergreifende Themen
Die revidierte Verfassung des ÖRK besagt, dass "Das Hauptziel der Gemeinschaft der
Kirchen im Ökumenischen Rat der Kirchen darin besteht, einander zur sichtbaren Einheit in
dem einen Glauben und der einen eucharistischen Gemeinschaft aufzurufen, die ihren Ausdruck im
Gottesdienst und im gemeinsamen Leben in Christus findet, durch Zeugnis und Dienst and der Welt,
und auf diese Einheit zuzugehen, damit die Welt glaube". Die Themen der sichtbaren Einheit,
Mission und Evangelisation und Dienst wurden in den Hearings und im Plenum wieder und wieder
angesprochen. Es ist undenkbar, dass diese Arbeit nicht weitergeführt werden sollte. Der
Ausschuss für Programmrichtlinien unterstreicht die Bedeutung der weiteren Arbeit in diesen
Bereichen.
Aus den Berichten der sechs Hearings - aber auch aus den Beiträgen und Interventionen in anderen Sitzungen des Vollversammlung - ist klar hervorgegangen, dass eine ganze Anzahl weitgesteckter Fragenbereiche in den kommenden Jahren stärkere Beachtung verdient, wenn der Ökumenische Rat der Kirchen danach trachten will, "der einen ökumenischen Bewegung zu dienen". All diese Fragenbereiche sind vielfältig und vielfach miteinander verknüpft. Was im folgenden als Prioritäten herausgearbeitet wird, darf darum keinesfalls so aufgefasst werden, als ob damit einzelne Programmaktivitäten bezeichnet wären. Es handelt sich vielmehr um Tätigkeitsbereiche, in denen der ÖRK exemplarisch den integrativen Arbeitsstil darstellen muss, der so zentral für seine neue interne Struktur ist.
Eine Ökumene des Herzens
Das Thema der Vollversammlung heisst uns, "zu Gott umzukehren". Die eine ökumenische
Bewegung besteht nicht in erster Linie aus Programmen, Strukturen und Zusammenarbeit. Das
Fundament all unseres ökumenischen Engagements ist vielmehr die Antwort, die wir Gott
geben. Damit ist nichts weniger gefragt als die Bekehrung unserer Herzen. Da die Ökumene
auf Gott gerichtet ist und auf die von Gott so sehr geliebte Welt, müssen Gottesdienst und
Spiritualität noch tiefere Wurzeln fassen in allem, was wir als Ökumenischer Rat der
Kirchen tun. Wir erkennen, dass dies nicht ohne Schmerzen und Konflikte gehen wird. Und doch
gibt es nur einen Weg ins Herz der Einheit, die wir suchen, und der führt uns zusammen im
Gottesdienst, im Gebet und einem miteinander geteilten geistlichen Leben.
Der Rat hatte dies, in der Folge von Vancouver und Canberra, schon gesagt. Jetzt aber merken wir, dass es sich dabei nicht nur um ein "Programm" unter vielen handelt. Vielmehr sind Gottesdienst und Spiritualität heute eine wesentliche "Methode" für unsere ökumenische Reise. Sie gestalten und erhalten unsere Reise. Nachdem wir dies in Harare erneut erfahren haben, wissen wir, dass diese Dimension aus dem Leben des Rates nie wieder verdrängt werden kann. Im Gegenteil, wir müssen diese reichen Ressourcen, die so viel zu unserer Umkehr und Zuwendung zu Gott beitragen, voll ausschöpfen.
Integrative Gemeinschaft
In einem grossen Teil der Hearings wurde deutlich, dass die Rolle von Frauen, jungen Menschen,
Ureinwohnern/innen und Behinderten im Leben der Kirche weitaus mehr beinhaltet, als in der
Programmarbeit jemals erfasst werden kann. Erstmals erhielt eine ÖRK-Vollversammlung
einen Brief von Kindern, und damit war die ganze Kirche in Harare präsenter als jemals zuvor.
Es sollte ganz besonders darauf geachtet werden, dass die Arbeit des ÖRK mit diesen
marginalisierten Gruppen beim Übergang von der jetzigen Struktur nach Einheiten zur
künftigen Teamstruktur nicht verlorengeht.
Viele sind der Meinung, die Jugendarbeit sei heute im ÖRK sehr viel weniger sichtbar und integriert als in der Vergangenheit. Um der Vision der integrativen Gemeinschaft ein Stück näher zu kommen und die Zukunft der ökumenischen Bewegung zu sichern, ist es von entscheidender Bedeutung, gemeinsam mit jungen Menschen an Fragen der ökumenischen Ausbildung und anderen für ihre Zukunft relevanten Themen zu arbeiten.
Die Vision einer integrativen Gemeinschaft, in der sich alle willkommen fühlen, die alle zu Wort kommen lässt und die allen die Chance gibt, ihre spezifischen Gaben zum Leben der Gemeinschaft beizutragen, sollte von der Vollversammlung mit allem Nachdruck befürwortet werden.
Um auf diese Vision zuzugehen, sollte der ÖRK eine Tagesordnung und eine Methode für den Aufbau integrativer und versöhnter Gemeinschaften entwickeln, die den Wert, die Gaben, die Identität und die Würde einer jeden Person anerkennen und so zu einem umfassenderen Ausdruck des Leibes Christi gelangen. Eine wesentliche Voraussetzung hierfür ist es, Raum für das vertrauensvolle Gespräch zu schaffen, in dem wir einander zuhören und unser Verständnis von der Realität der Ausgrenzung vertiefen, und zu reagieren, indem wir Busse tun, Wiedergutmachung leisten und auf Versöhnung hinwirken. Bei dieser Arbeit sollte auch die Frage der Versöhnung in Situationen religiöser Intoleranz, durch die Minderheiten bedroht sind, behandelt werden. Der Ökumenische Rat der Kirchen sollte dafür Sorge tragen, dass die Kirchen auf der nächsten Vollversammlung einander Rechenschaft über ihre Weiterarbeit zur Ökumenischen Dekade Kirchen in Solidarität mit den Frauen" geben.
Gewaltlosigkeit und Versöhnung
Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden sind Voraussetzungen für die Achtung der
Menschenrechte, die Einbeziehung aller und die Versöhnung. Wenn diese Voraussetzungen
nicht gegeben sind, dann tritt Furcht an die Stelle des Vertrauens und steht menschliche Macht nicht
mehr im Dienste des Lebens und der Heiligkeit und Würde der ganzen Schöpfung.
Gewalt, die durch verschiedene Formen von Menschenrechtsverletzungen, Diskriminierung und struktureller Ungerechtigkeit ausgelöst wird, gibt auf allen Ebenen einer zunehmend pluralen Gesellschaft immer mehr Anlass zur Sorge. Rassismus begleitet und verstärkt andere Ursachen von Ausgrenzung und Marginalisierung. Konflikte werden immer komplexer und werden immer häufiger innerhalb von Staaten als zwischen ihnen ausgetragen. Frauen und Kindern in Konfliktsituationen sollte besondere Aufmerksamkeit gelten.
Die Arbeit im Zusammenhang mit geschlechtsspezifischen Rollen und Rassismus, Menschenrechten und Konfliktbewältigung sollte so miteinander verbunden werden, dass die Kirchen zu Versöhnungsinitiativen motiviert werden, die auf Busse, Wahrheit, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und Vergebung aufbauen.
Der Rat sollte in diesen Fragen strategisch mit den Kirchen zusammenarbeiten, um eine Kultur der Gewaltlosigkeit zu schaffen. Hierbei sind Querverbindungen zu anderen internationalen Partnern und Organisationen und Interaktion mit ihnen sowie die Prüfung und Entwicklung geeigneter Ansätze für Konfliktbewältigung und die Schaffung eines gerechten Friedens im Kontext der Globalisierung sinnvoll.
Der ÖRK erklärt daher den Zeitraum 2000-2010 zur Ökumenischen Dekade zur Überwindung von Gewalt.
Menschliche Sexualität
In den Plenarsitzungen, Padareveranstaltungen und Hearings wurde deutlich, dass die menschliche
Sexualität ein wichtiges Thema für die Kirchen sein muss. Lange genug haben Fragen
im Zusammenhang mit dem Verständnis der Sexualität des Menschen in manchen
Kirchen zu Uneinigkeit geführt.
Ein ökumenischer Ansatz zu Fragen menschlicher Sexualität müsste vom christlichen Menschenbild ausgehen, also einer Hermeneutik, die sich auf das biblische Zeugnis und auf das Verhältnis zwischen Ethik und Kultur stützt; dieser Ansatz müsste so gestaltet werden, dass christliche Frauen und Männer genügend Freiraum für die Untersuchung dieser Fragen haben und zugleich gegenseitiges Vertrauen schaffen und vertiefen können.
Die ÖRK-Studienarbeit und Diskussion über die theologischen, gesellschaftlichen und kulturellen Aspekte der menschlichen Sexualität kann die seit der Vollversammlung in Canberra geleisteten Studienarbeiten über Ekklesiologie und Ethik nutzen und sollte sich an den Perspektiven orientieren, die das von der Gemeinsamen Arbeitsgruppe verfasste Dokument "Der ökumenische Dialog über ethisch-moralische Fragen: Potentielle Quellen des gemeinsamen Zeugnisses oder der Spaltung" (1996) entwickelt hat.
Globalisierung
Der Begriff "Globalisierung", der in den letzten Jahren weiten Gebrauch gefunden hat, fiel
häufig auf dieser Vollversammlung. Wie es im CUV-Dokument heisst (Absätze 1.8,
2.9), haben "die in den letzten Jahrzehnten entstandenen transnationalen und zunehmend auch
weltweiten Strukturen in Kommunikation, Finanz und Wirtschaft ... eine besondere Art von globaler
Einheit geschaffen". Der Preis dafür ist "die zunehmende Zersplitterung von Gesellschaften
und die Ausgrenzung immer weiterer Teile der menschlichen Familie. ... Diese Entwicklung ist ...
eine ernsthafte Gefahr für die Integrität der ökumenischen Bewegung, deren
Organisationsformen ein deutlich anderes Beziehungsmodell darstellen, das auf Solidarität und
Miteinanderteilen, gegenseitige Rechenschaft und Hilfe zur Selbstbestimmung aufbaut."
In diesem Sinne, muss die Herausforderung der Globalisierung in erster Linie als theologische und geistliche Herausforderung der Kirchen verstanden werden. Gottes Liebe, die in Christus ihren vollkommenen Ausdruck findet, zeigt eine Vision der Fülle des Lebens für alle; die entstehende Weltwirtschaft zeichnet eine Vision der grenzenlosen materiellen Befriedigung für all die, die es sich leisten können. So sind die Kirchen dazu aufgerufen, angesichts der zunehmenden Globalisierung und der dahinterstehenden Wertvorstellungen Gottes Absicht für die Welt zu bezeugen und ihr konkrete Gestalt zu geben.
Der ÖRK als weltweite Gemeinschaft hat einzigartige Voraussetzungen, die es ihm gestatten, die Kirchen bei der Reaktion auf diese Herausforderung zu unterstützen. Seit vielen Jahre spielt er eine entscheidende Rolle beim Aufbau von Netzwerken aus ökumenischen Gruppen und Organisationen, die sich für die Ziele der Gerechtigkeit, des Miteinanderteilens und des Aufbaus einer bestandfähigen Gemeinschaft einsetzen. Aus dieser Erfahrung heraus kann er die immer wichtigere Arbeit der Formulierung alternativer Modelle unterstützen, die den Weg zur Bestandfähigkeit weisen. Er kann sich auf die umfangreichen Ressourcen seiner Mitgliedskirchen und ökumenischen Partner stützen, um das Zeugnis der Kirchen zu wichtigen Fragen auf der internationalen politischen, sozialen, ökonomischen und kulturellen Tagesordnung zu bündeln und zu stärken. Er kann seine Mitgliedskirchen nachdrücklicher dazu anregen, ihr Wissen und Bewusstsein vom Leben und Zeugnis der Partnerkirchen in der ganzen Ökumene zu vertiefen, und sie in die Lage versetzen, die Verbindungen zwischen ihren eigenen lokalen Anliegen und den globalen Realitäten besser herauszustellen. Er kann Beziehungen zu Partnern anderer Religionen aufbauen, um zu erkunden, wie die Schritte zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde in einen globalen Werterahmen integriert werden können.
Auch wenn der Begriff "Globalisierung" häufig mehrdeutig verwendet wird und viele Merkmale des als "Globalisierung" bezeichneten Prozesses ambivalent sind, ist es offensichtlich, dass die Elemente des neuen globalen Kontextes, die mit diesem Begriff beschrieben werden, in den kommenden Jahren die konzentrierte Aufmerksamkeit des ÖRK erfordern.
Der Rat sollte sich in einem ökumenischen Ansatz mit der Globalisierung beschäftigen und eine Perspektive wählen, die die Probleme sichtbar macht und miteinander verbindet und die die biblischen Gebote herausarbeitet. Internationale Organisationen und nationale Regierungen, Konsum- und Produktionsstrukturen, Finanzsysteme und Handel sowie deren Auswirkungen auf die nationalen Schulden und die Rechte der Völker auf Landbesitz und auskömmliches Leben verdienen dabei besondere Aufmerksamkeit.
Schuldenerlass
In vielen Ländern des Nordens wird immer stärker der Ruf laut,
nichtrückzahlbare
Schulden zu erlassen. Vor allem in der Plenarsitzung zu Afrika, aber auch bei vielen anderen
Gelegenheiten während dieser Vollversammlung wurde die Gemeinschaft der
Mitgliedskirchen,
kirchlichen Einrichtungen und sozialen Bewegungen dazu aufgerufen, sich prioritär für
einen Erlass der Schulden einzusetzen, die gerade für die Länder eine schwere
Belastung
darstellen, die es sich am wenigsten erlauben können, ihre knappen Ressourcen noch weiter zu
verausgaben. Der ÖRK sollte einen Aktionsplan zum Schuldenerlass ausarbeiten, der der
Komplexität der Frage Rechnung trägt, damit die Befreiung von Schulden auch die
Befreiung der Bewohner dieser Länder von der Armut nach sich zieht.
Anschliessend wird eine weitere Phase vonnöten sein, in der man sich nicht nur mit der Wiedergutmachung sozialer und ökologischer Schäden, sondern auch mit der Ausarbeitung eines Systems von weltweiten Handelsabkommen beschäftigt, bei dem die Konzepte von Gerechtigkeit und Fairness im Vordergrund stehen.
Neben einem solchen Programm empfahl der Weisungsausschuss für Grundsatzfragen II die Ausweitung der mit dem Studien- und Dialogprogramm zum Wiederaufbau Afrikas - dessen Schwerpunkt der Aufbau von Kapazitäten und der Informationsaustausch ist - begonnenen Arbeiten, damit Afrika seinen einzigartigen Beitrag zur ökumenischen Bewegung leisten kann.
Arbeitsmethoden
Wie in der Einleitung festgestellt, hat der Rat bei den finanziellen und personellen Mitteln für
sein
künftiges Mandat Einschränkungen vornehmen müssen. Das hat zu einer Vielzahl
von Vorschlägen zu den Arbeitsmethoden geführt, die der Rat in den nächsten
Jahren
einführen sollte. Das CUV-Dokument regt dazu an, dass die Mitgliedskirchen, Netzwerke und
angeschlossenen Organisationen bei der Durchführung von Programmen und
Aktivitäten
gemeinsam die Verantwortung übernehmen.
In den Hearings aller Arbeitsbereiche wurde dazu aufgefordert, der Notwendigkeit einer theologisch-biblischen Grundlage für die Programmarbeit ernstlich Rechnung zu tragen. Das setzt enge Arbeitsbeziehungen und teamübergreifende Aufgabenverteilung voraus, wobei speziell Glauben und Kirchenverfassung mit anderen zusammenarbeiten wird.
Natürlich entstehen durch die Fortentwicklung der Informationstechnologie neue, interessante und sogar kostengünstige Formen der Umsetzung. Die Pflege der Programmbeziehungen wird durch, da E-Mail s Internet und das World Wide Web erleichtert. Auch die traditionellen Arbeitsmethoden - Fürsprache, Netzwerkarbeit auf regionaler und weltweiter Ebene sowie Informationsaustausch - werden durch diese neuen Kommunikationsmittel effektiver gestaltet. In jüngerer Zeit konnten auch neue Arbeitsmethoden erprobt werden, die aus anderen, nicht-westlichen Kulturen kommen. Ein Beispiel ist der afrikanische Sokoni, eine Methode, mit der bei entsprechender Vorbereitung vielversprechende Resultate erzielt werden konnten.
Mit Bedauern mussten wir feststellen, dass die Ortskirchen bestenfalls sporadisch, allzuoft aber nicht erkennbar in der Lage waren, diese neuen Ansätze in das eigene kirchliche Leben zu übernehmen. Wenn wir die vorhandenen Ressourcen sinnvoll nutzen wollen, müssen wir in den nächsten sieben Jahren mehr Zeit und Ideen darauf verwenden, zu prüfen, wie die Arbeit des Rates sich stärker auf das Leben der Mitgliedskirchen auswirken kann.
Der ÖRK muss für seine künftige Arbeit die folgenden Rollen weiter ausbauen:
Ein Rahmen und eine Ausrichtung für die zukünftige Arbeit des Rates
Auf dem Weg zu einem gemeinsamen Verständnis und einer gemeinsamen Vision muss der
Ökumenische Rat der Kirchen die Gemeinschaft, die wir als Kirchen teilen, entscheidend
vertiefen
und auch erweitern. Unser Zeugnis und unser Dienst in der Welt, die heute immer dringender
benötigt werden, hängen davon ab, dass wir unsere Bande der Verpflichtung und
Rechenschaft geistlich stärken. Wir müssen, wie wir in Harare versprochen haben,
"gemeinsam bauen".
Dafür muss die Gemeinschaft des ÖRK in der Zeit nach der Achten Vollversammlung und auf dem Weg in das 21. Jahrhundert jede Mitgliedskirche direkt dazu verpflichten, sich mit vier Fragen zu beschäftigen, die zentral für die Ziele des Ökumenischen Rates der Kirchen sind:
Dies kann nur dann geschehen, wenn sich die Arbeitsweise des ÖRK in der nächsten Zeit grundlegend ändert und sich dabei an neuen Wertvorstellungen und Methoden orientiert. Wie unser Generalsekretär erklärte, können wir nicht einfach von Harare "nach Hause zurückkehren und mit unserer ökumenischen Arbeit fortfahren wie zuvor". Vielmehr müssen wir unsere Kirchen dazu verpflichten und unser gemeinsames Leben im ÖRK danach ausrichten, uns mit aller Kraft, Phantasie und Verantwortung für diese gemeinsame Berufung zu engagieren. Dann wird das Herz unseres ökumenischen Engagements uns in Gottes Zukunft führen.
Empfehlung
In diesem Bericht werden sowohl Programminhalte als auch ein Rahmen für die Ausrichtung
der
künftigen Aktivitäten des Rates in der nächsten Amtszeit vorgestellt. Dem PGC
war
es nicht möglich, diese Programminhalte vollständig in den vorgeschlagenen Rahmen zu
integrieren; daher empfehlen wir, dass eine kleine Arbeitsgruppe diese Aufgabe in
Vorbereitung der Tagung des Zentralausschusses im August 1999 weiterführt.
Weitere Dokumente
Notes:
- Verfassung des ÖRK, V.1.c.3.
- Verfassung des ÖRK, I.
- CUV-Dokument, 2.5.
Vollversammlungsausschüsse
8. Vollversammlung und 50. Geburtstag |