Achte Vollversammlung Beratende Plenarsitzung zur Oekumenischen Dekade "Kirchen in Solidarität mit den Frauen" |
Phase 1 - Die
Vergangenheit (Dieser Abschnitt wird vorgestellt mit einer Prozession, einem Video und Den folgenden Dankesworten von Despina M. Prassas.)
Die Ökumenische
Dekade
Ich grüsse Sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen
Geistes.
Amen.
Guten Morgen. Ich möchte Gott, unserem Herrn, danken, dass er uns die
Möglichkeit gegeben
hat, hier zu sein und den Abschluss der Oekumenischen Dekade "Kirchen in Solidarität
mit den
Frauen" des Ökumenischen Rates der Kirchen zu feiern. Wir sind dankbar für so
viele
Gelegenheiten, bei denen wir unsere Gaben und Talente feiern konnten, Gaben, die wir der
Kirche dargebracht haben. Das mutige Bemühen und das Engagement der Frauen, die sich
an der
Dekade beteiligt haben, ist vielen zugute gekommen. Unsere Liebe zueinander ist die Hoffnung,
die die Kirchen am Leben hält und den Auftrag Jesu Christi erfüllen lässt.
Frauen aus allen Teilen der Welt hatten sich zu einem Gottesdienst zusammengefunden, um den
Beginn der Dekade zu feiern. Überall in Afrika fanden in mehr als einem Dutzend
Ländern
nationale und regionale Treffen statt; in Asien gehörten zu den
Eröffnungsveranstaltungen
Ostergottesdienste bei Sonnenaufgang in Pakistan und auf den Philippinen; im Vereinigten
Königreich von Grossbritannien versammelten sich viele Menschen zum Gottesdienst in
der
Westminster Abtei, und in den methodistischen Kirchen predigten Frauen in den
Ostergottesdiensten; in Costa Rica war eine ökumenische Gruppe von mehr als 150 Frauen
zur
Eröffnung der Dekade zusammengekommen; orthodoxe Frauen aus der ganzen Welt trafen
sich
zum Feiern in Kreta und überall in den Vereinigten Staaten sorgten die Verantwortlichen
der
Programme und Räte für die Koordinierung der Materialien für die Dekade
und andere Kirchen
verabschiedeten besondere Resolutionen, in denen sie zur Mitwirkung an der Dekade
aufriefen.
Zur Halbzeit der Dekade besuchten ökumenische Teams fast alle Mitgliedskirchen, um
sich
einen Überblick über das zu verschaffen, was in der ersten Hälfte der Dekade
geleistet worden ist
und die Kirchen zu ermutigen an den Verpflichtungen, die sie für ihre Mitglieder
eingegangen
sind, weiterzuarbeiten, und Bilanz zu ziehen. |
INHALT Für weitere Informationen zu folgenden Themen, bitte hiere klicken:
Die Vergangenheit
|
Es gibt noch immer viele Schwierigkeiten; eines der grössten Hoffnungszeichen ist jedoch, dass den Kirchen bewusst geworden ist, dass die meisten Probleme im Verhältnis zwischen Männern und Frauen und in der Gemeinschaft nicht allein Frauenprobleme sind, sondern die gesamte Kirche angehen. In dem Text, Die Herausforderungen der Frauen: Auf dem Weg ins 21. Jahrhundert - dem Aktionsprogramm, das letzte Woche während des Oekumenischen Dekade-Festivals: Visionen über 1998 hinaus, diskutiert und weiterentwickelt wurde, - werden Schwierigkeiten und Hoffnungen dokumentiert.
Einige Anliegen der Frauen sind zwar aufgegriffen worden, aber es bleibt noch viel zu tun. Deshalb sind wir hier, um "umzukehren zu Gott und fröhlich zu sein in Hoffnung."
Ich bin gebeten worden, auch
kurz auf das Symbol des Dekade-Festivals einzugehen, das Wasser. Frauen aus der ganzen Welt
haben Wasser zum Dekade-Festival mitgebracht und heute hier ausgestellt. Frauen aus den
Kirchen der einzelnen Regionen der Welt haben das Wasser, das sie mitgebracht haben, als
Zeichen der Solidarität und des Engagements füreinander und für die
Erhaltung des Lebens
dargebracht. Wasser ist etwas sehr Gewöhnliches, denn es bedeckt nahezu drei Viertel der Erdoberfläche; andererseits ist es aber auch etwas Ausserordentliches, denn es ist für das Leben der Welt unverzichtbar: einige Mikroorganismen können ohne Luft leben, aber kein Lebewesen kommt ohne Wasser aus. Wasser hat grosse Zivilisationen entstehen lassen, ist manchmal aber auch die Ursache ihrer Zerstörung gewesen. Über Hunderte von Millionen Jahren war das Wasser eine der grössten Kräfte bei der Gestaltung und Umgestaltung des Antlitzes der Erde, als gefrorene Gletscher, als strömende Flüsse und als Ozeane. Es reguliert das Klima, nährt den Boden, in dem Saaten und Wälder Wurzeln schlagen können, und als Dampf- oder Wasserkraft treibt Wasser die Anlagen der modernen Technik. Es ist ein unerlässlicher Bestandteil nahezu aller Fabrikationsprozesse, vom Brotbacken bis zur Herstellung von Mikrochips für Computer. |
Das Ausgiessen der "Tränen", die von Frauen aus aller Welt zum Dekade-Festival mitgebracht wurden |
Wasser ist aber auch etwas in sich Widersprüchliches. In manchen Regionen ist es knapp, in anderen fliesst es reichlich. Es ist eine Ware, die Menschen und Regionen der Welt spaltet, und als wertvolle und knappe Ressource hat es Länder zur Erschliessung und Verteilung der Wasserquellen miteinander verbunden. Seine zerstörerischen Fähigkeiten sind bekannt; sie zeigten sich mit ihrer ganzen Härte bei den Auswirkungen von El Niño und in allerjüngster Zeit beim Orkan Mitch, der das Leben Tausender hinweggerafft hat. Gleichzeitig tragen diese Naturkatastrophen dazu bei, das Ökosystem wiederzubeleben und das Wasser im Binnenland und an den Küsten zu entgiften.
Es gibt allerdings eine Art von Wasser: das keine Widersprüche in sich birgt, das lebendige Wasser, das Jesus der hlg. Fotini, der Frau am Brunnen (Joh. 4), gegeben hat. Unser Herr und Heiland hat der hlg. Fotini ins Herz gesehen und merkt, dass sie der Heilung bedarf; und er macht sie wahrhaft heil, lässt sie wahrhaft neues Leben erfahren, schenkt ihr das ewige Leben. Durch das Wasser der Taufe "wäscht uns Jesus mit seinem Wasser vom Schmutz der Sünde rein, der die Schönheit des Ebenbildes entstellt hat."
Deshalb ist Wasser nicht nur ein Symbol für unsere Solidarität untereinander, sondern vielmehr noch ein Symbol für die Ernennung unserer Liebe für unseren Herrn Christus und unseren Glauben an ihn. "Denn das Lamm mitten auf dem Thron wird sie weiden und leiten zu den Quellen des lebendigen Wassers, und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen" (Off 7,17).
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1 Hlg. Gregor von Nyssa, Predigt über die
Seligpreisungen
Phase 2 - Die
Gegenwart
Frauen und wirtschaftliche
Gerechtigkeit
Ich danke Gott für diese Möglichkeit, im Namen meiner
afrikanischen
Schwestern hier das Wort zu ergreifen, um über ein so brennendes und aktuelles Problem
wie die
wirtschaftliche Gerechtigkeit zu sprechen.
Die Wirklichkeit
Unglücklicherweise aber ist der Mensch, der die Schöpfung zu seinem eigenen
Wohl nutzen und
schützen sollte, zum Henker seines Nächsten geworden, als er Wirtschaftssysteme
und
Handelsverträge erfand, die den Markt, das Geld und den Profit auf Kosten des Menschen
und
seiner Würde privilegieren.
Die Globalisierung der Wirtschaft, die Einführung der Marktwirtschaft, die Reduzierung
der
Sozialleistungen und die Auslagerung von Betrieben in Billiglohnländer zeigen zur
Genüge die
Absicht des Menschen, eine ungerechte Weltwirtschaftsordnung durchzusetzen, in der
Wirtschaftspolitik Vorrang hat vor Sozialpolitik.
Von den Auswirkungen dieses menschlichen Egoismus sind vor allem die Frauen betroffen. Die
Feminisierung der Armut ist in allen Ländern zu beobachten, auch wenn Armut in
verschiedenen
Kontexten unterschiedliche Formen annimmt.
In Europa und Nordamerika gehören die meisten erwerbstätigen Frauen zu den
Niedriglohngruppen. Sie sind als erste von der Senkung der Sozialausgaben und von der
Vernichtung von Arbeitsplätzen betroffen, durch die sie nicht nur ihr Gehalt, sondern auch
ihre
Rente verlieren. So wird die Kluft zwischen Reichen und Armen, vor allem aber zwischen
Männern und Frauen immer breiter.
In den Entwicklungsländern sind Frauen in zweifacher Hinsicht Opfer der
Wirtschaftskrise: zum
einen als Frauen, die arm und ungebildet sind, und zum andern als Ehefrauen von
Männern, die
entweder arbeitslos oder chronisch unterbezahlt sind, wodurch sie sich manchmal gezwungen
sehen, auf der Suche nach einer ungewissen Arbeit in die Fremde zu gehen. Dann tragen die
Frauen allein die Verantwortung für das Überleben der Familie, und zwar
häufig auf Kosten ihrer
Gesundheit.
Das strukturelle Anpassungsprogramm - dieses breit angelegte internationale Komplott, durch
das die Staaten veranlasst werden sollen, ihre Verantwortung für das Gesundheits- und
Bildungswesen und für die öffentlichen Dienste abzugeben und gleichzeitig ihre
Einnahmen
(Steuern und Gebühren für Dienstleistungen) zu erhöhen, in anderen Worten,
die Bevölkerung
noch stärker auszubeuten, und dadurch die Reichen noch reicher werden und die
Arbeitslosigkeit, die Armut und das Elend in den jeweiligen Ländern weiter ansteigen zu
lassen
-- ja, dieses Komplott, wie ich es nannte, hat seine Ziele wirklich erreicht. Überall dort, wo
es
greift, wartet die Bevölkerung vergebens auf Zeichen des von den Urhebern so oft
beschworenen
wirtschaftlichen Aufschwungs. Im Gegenteil, Millionen von Menschen sind zu Armut und
vorzeitigem Tod verurteilt, denn das Geld, das der Deckung ihrer Grundbedürfnisse dienen
sollte, wurde für den Schuldendienst zweckentfremdet. Es handelt sich letztendlich doch
nur um
einen Kapital- und Ressourcentransfer von den armen in die reichen Länder.
Von diesem traurigen Tatbestand sind vor allem Frauen, aber auch Kinder betroffen, die auf dem
Altar des Profits geopfert werden und schon sehr jung arbeiten müssen, um zum
Überleben der
Familie beizutragen, wobei sie oft ihr Leben aufs Spiel setzen (Sextourismus, Prostitution,
Vergewaltigung, Jugendkriminalität usw.).
Was konnten die Kirchen zusammen mit den Frauen bisher erreichen?
Dieser Abschnitt wird durch Lala Biasima, M. Deenabandhu,
Mukami McCrum und Bischof Ambrosius aus Oulu eingeleitet.
Pastorin Lala Biasima
Dokument Nr. DE 2
In der Heiligen Schrift lesen wir, dass es Gottes Wille ist, als Ausdruck seiner Liebe und seiner
Gerechtigkeit die Schöpfung mit allem auszustatten, was zum Glück und zum
Überleben des
Menschen notwendig ist.
Während der Dekade konnte mit Hilfe von Kampagnen, Konferenzen, Programmen zur
wirtschaftlichen "Alphabetisierung" und zu einkommenschaffenden Tätigkeiten die
folgenden
Resultate erzielt werden:
Herausforderungen über die Dekade hinaus
Obwohl die Dekade den Frauen viele neue Erkenntnisse und Einsichten brachte, bleiben viele
Herausforderungen bestehen.
Soviel also zu den verbleibenden Herausforderungen an die Kirchen, mit den Frauen über
die
ausklingende Dekade hinaus solidarisch zu sein. Es geht um das christliche Zeugnis in der
Welt.
Gewalt gegen
Frauen
Die weite Verbreitung und anhaltende Zunahme von Gewalt gegenüber
Frauen überall in der Welt ist vielleicht der sichtbarste Beweis für den
ethisch-moralischen
Verfall unserer Generation. Wir sind hier als weltweite Gemeinschaft von Kirchen
zusammengekommen, um aus den Lehren dieser Dekade zu lernen, und sehen uns mit dieser
Realität konfrontiert, gegen die wir anscheinend nichts machen können.
Bei den Besuchen der Dekade-Teams - der sogenannten "lebenden Briefe" - in den
Mitgliedskirchen wurde deutlich, daß Gewalt gegen Frauen überall zum Alltag
gehört. Den
Berichten der Teams läßt sich entnehmen, daß über alle Schranken von
Klasse, Rasse, Kaste,
Alter, Bildung, Kultur, Status und Konfessionen Frauen unterschiedlichen Formen von Gewalt
ausgesetzt sind - körperlicher, wirtschaftlicher, gesellschaftlicher, institutioneller,
psychischer
und spiritueller Gewalt. Alle, die letzte Woche am Dekade-Festival teilgenommen haben,
erinnern sich noch an das bewegende Zeugnis von Frauen, die Gewalt im kirchlichen Leben
selbst erfahren hatten.
Ich komme aus Indien, einem Land, das immer wieder für seine ahimsa (Gewaltlosigkeit)
und
dharma (Ethik) gepriesen wird. Ironischerweise bezieht die indische Gesellschaft jedoch ihre
Stärke aus einer Kultur der doppelten Ausgrenzung durch Kastensystem und Patriarchat.
Das
bedeutet, daß nicht nur körperliche Gewalt, sondern auch eine sorgfältig
konstruierte, genährte
und durch die Religion bestätigte strukturelle Gewalt allen Ausgegrenzten das Leben
unerträglich
macht. Ich vertrete hier die Opfer beider Arten von Ausgrenzung - Frauen und Dalits (den
Unterdrückten), die die am meisten verachtete, verarmte und ausgebeutete
Bevölkerungsgruppe
Indiens ausmachen. Die Dalit-Frau ist in diesem System die "Dalit der Dalits". Sie ist dreifach
unterdrückt, denn sie ist arm, Dalit und Frau, das am schlimmsten betroffene Opfer von
Gewalt
aufgrund des Zusammenspiels von Klasse, Kaste und Geschlecht. Ich möchte, daß
wir alle heute
an die Millionen von Dalit-Schwestern denken, die tagtäglich Opfer von unterschiedlichen
Formen von Gewalt sind. Diese Kultur des Unterdrückers setzt sich in den Köpfen
der Opfer
derart fest, daß sie diese Gewalt als unvermeidlich hinnehmen und die anderen immun ihr
gegenüber werden. Wie dem auch sei, Indien hat weiterhin die Spitzenreiterrolle bei der
Gewalt
gegen Frauen inne. Jedes Jahr werden etwas mehr als
Während unserer Besuche konnten wir feststellen, daß die Kirchen diesen
Tatbestand im grossen
und ganzen als ein kulturelles Phänomen betrachten und nicht nur nicht darauf reagieren,
sondern
in vielen Fällen verschiedenste Formen der Gewalt gegen Frauen durch diskriminierenden
Sprachgebrauch, Ausschluß vom gesellschaftlichen Leben und Verstärkung von
Rollenbildern
auch noch aktiv unterstützen und somit festschreiben . Leider sieht es so aus, als sei der
Schutz
der Traditionen der institutionellen Kirche für viele Christen heutzutage mehr ein
Glaubensgebot
als Hunger und Durst nach Gerechtigkeit und Frieden. Aber inmitten dieser traurigen
Realität
lassen sich doch Anzeichen von Hoffnung wahrnehmen. Wir haben bei den Frauen ein
zunehmendes Bewußtsein ihrer Lage feststellen können. Sie schließen sich
zusammen, um
Widerstand zu leisten und für Gleichheit, Gerechtigkeit und gerechte Behandlung zu
kämpfen.
Sie durchbrechen die Kultur des Schweigens. Sie formulieren ihre Sicht einer neuen
Gesellschaftsordnung, die auf den Werten der gegenseitigen Unterstützung, Gleichheit und
Gerechtigkeit fußt. Sie entdecken das Befreiungspotential des biblischen Glaubens. Und
hierin
liegt die Herausforderung. Möchte die Kirche weiterhin die Hüterin einer Kultur der
Gewalt
bleiben oder zu einem Katalysator für eine Kultur des Lebens werden? Am Ende der
Dekade
zeichnen sich hinsichtlich der Problematik "Gewalt gegen Frauen" einige Möglichkeiten
ab:
1. In Situationen, in denen die menschlichen Beziehungen die von unterdrückerischen
Werten,
Strukturen und Kulturen geprägt sind, liegt die Herausforderung an die Kirchen in deren
Fähigkeit, formale wie inhaltliche Alternativen zu bieten. Dort, wo das Leben für
über die Hälfte
der Weltbevölkerung verleugnet, mißbraucht und zur Qual wird, sollte man das
Problem nicht
länger als frauenspezifisch, sondern vielmehr als eine Aufforderung auffassen, die uns
dazu
aufruft, Leben und Würde aller Menschen zu bekräftigen. Dies setzt voraus,
daß wir neu
entdecken, was Kirchesein bedeutet. Die Kirche ist nicht nur berufen, eine Gemeinschaft von
Gläubigen zu sein, die sich allein mit dem Geistlichen befasst, sondern sie muss eine
verwandelnde Präsenz sein, die durch ihr Sein und Handeln die Verheissung des
kommenden
Reiches Gottes vergegenwärtigt. Die Verbannung von Gewalt aus den kirchlichen
Strukturen und
Beziehungen, aus Bibel und Sprache ist die oberste, dringliche Aufgabe der Kirche heute.
2. Wir bekräftigen die Notwendigkeit von Kontextualisierung und Inkulturation, aber wir
müssen
gleichzeitig das verwandelnde Potential des Evangeliums vertreten, das alles
Unterdrückerische
in der Kultur bekämpft und verwandelt. Kultur kann nicht als Ausrede für
Passivität angeführt
werden. Die Kirche muß aufhören, die Kultur der Unterdrücker in Schutz zu
nehmen, und
anfangen, im Gehorsam gegenüber dem Gott der Befreiung die Kulturen und Perspektiven
der
Unterdrückten zu ihren eigenen zu machen. Kultur ist eine im ständigen Wandel
begriffene
Realität, die verändert werden kann. Vielerorts haben wir festgestellt, daß die
Kirche hinter
dieser Aufgabe zurückbleibt, auch wenn einige der streng patriarchalischen Gesellschaften
wie
Indien begonnen haben, Frauen gegenüber offener zu sein und praktische
Maßnahmen zu ihren
Gunsten zu ergreifen. Vielleicht handelt es sich hier um wenigstens einen Aspekt, in dem die
Kirche der Welt folgen sollte.
3. Wie die Dalits und viele andere unterdrückte Gruppen sind die Frauen sich heute ihrer
Lage
bewußt geworden. Zahlreiche Basisbewegungen sowie die wachsende Solidarität,
die sich aus
ihrem gemeinsamen Kampf gegen Hindernisse ergibt, zeugen von einem neuen
ökumenischen
Geist. Die Kirche muß dies erkennen und sich aktiv an den ökumenischen
Basisbewegungen für
Gerechtigkeit, Freiheit und Leben beteiligen, wenn sie nicht alle Chancen verspielen will, auf der
Seite des Lebens zu stehen.
Rev. Deenabandhu Manchala
Dokument No. DE 3
15 000 Frauen vergewaltigt, weitere
15 000 entführt
7 000 Bräute werden umgebracht, weil ihre Mitgift zu gering ist,
30 000 werden gefoltert, weitere
30 000 mißbraucht,
15 000 sexuell belästigt und ca.
15 000 sind "in unmoralische Geschäfte verwickelt", in anderen Worten, zur Prostitution
gezwungen.
Jährlich werden fast 125 000 Verbrechen gegen Frauen registriert. Weiterhin sind die
Mehrheit
der Personen, die aufgrund von schlechter Gesundheit, Epidemien, Naturkatastrophen, Kasten-
und Konflikten zwischen Gemeinschaften bzw. ethnischen Auseinandersetzungen sterben,
Frauen.
"Rassismus gegen
Frauen"
Ich spreche zu Ihnen heute aus der Perspektive verschiedener
Identitäten: der
einer schwarzen Frau, einer Mutter, Tochter, Schwester, Ehefrau und Christin. Als schwarze Frau
werde ich tagtäglich mit Rassismus konfrontiert. Als Mutter habe ich mit Rassismus gegen
meine
Kinder zu tun. Als Schwester teile ich das Leid meiner Schwestern, wenn sie mir ihre Geschichte
erzählen. Als Tochter verbindet mich die Pflicht und Schuldigkeit meinen Eltern
gegenüber mit
Generationen schwarzer Frauen aus Afrika, Asien, dem Pazifik, aus der Karibik, aus
Lateinamerika, Australien, mit Ureinwohnerinnen, Migrantinnen und Flüchtlingen aus
Vergangenheit und Gegenwart, die in ihrem Kampf gegen Sklaverei und gegen kolonialen und
imperialen Rassismus viel Not erleiden mußten. Als Ehefrau lassen die heulenden Sirenen
der
Krankenwagen mein Herz vor Angst stillstehen: Ob mein Mann und mein Sohn bei der
Anti-Rassismus-Demonstration wohl verletzt wurden? Als Christin suche ich bei der Kirche nach
Antworten auf meine Probleme und frage mich, warum wir einander nicht lieben können,
wie
Christus es uns gelehrt hat.
Von der Dekade "Kirchen in Solidarität mit den Frauen" erwartete man sich direkte
Antworten
auf Anliegen und Fragen von Frauen. Doch wenn ich Frauen zu ihrer Erfahrung mit der Dekade
befrage, so lautet die Antwort für gewöhnlich: "Welche Dekade?" Wenn ich einer
farbigen Frau
die gleiche Frage stelle, so lautet ihre Antwort: "Welche Dekade? Welche Frauen?" Das legt den
Schluß nahe, daß der "Stein des Rassismus" noch nicht "verrückt",
geschweige denn
"weggerollt" wurde. Es scheint mir, daß die Kirche und die Frauenbewegung an rassischen
Minderheiten, Migrantinnen und Ureinwohnerinnen vorbeigegangen sind. Unterstützt wird
diese
Sicht der Dinge durch die Tatsache, daß diese Frauen Rassismus, Unterdrückung
und
Ausbeutung sowohl durch Frauen als auch durch Männer der vorherrschenden Farbe,
Kultur,
Religion und Klasse in den meisten Ländern der Erde erleben. Die Kirchen haben
offensichtlich
diesen äußerst wichtigen Punkt vernachlässigt.
Viele Männer und Frauen in der Kirche oder der Gemeinde sind schockiert, wenn wir
ihnen von
unseren Erfahrungen mit Rassismus in der Kirche erzählen. Das liegt daran, daß es
ihnen nie in
den Sinn käme, Fensterscheiben mit Ziegelsteinen einzuwerfen, beleidigende Graffiti an
die
Wände zu sprühen oder Frauen zu bespucken und anzugreifen. Aber sie vergessen,
daß die
heimtückischste und hartnäckigste Form von Rassismus die "Ausgrenzung und die
Unsichtbarkeit" dieser Frauen aus und in allen Bereichen des kirchlichen Lebens ist. Es scheint,
daß die Kirchen, ausgenommen die von Schwarzen geführten Kirchen, nicht
begriffen haben, daß
Solidarität mit Frauen auch uns schwarze Frauen einschließen muß. Eine Frau
erzählte mir: "Es
schmerzt ungemein, wenn weiße Schwestern, die Du seit Jahren kennst, Dir sagen: `Wir
haben
vergessen, Dich einzuladen oder: `Wir wußten nicht, daß Du daran interessiert sein
würdest .
Wie können die Bedürfnisse von Menschen, die durch ihre Farbe so deutlich
sichtbar sind, so
unsichtbar werden?"
Jede Form von Rassismus ist sicher abstoßend und
eine
Sünde, doch habe ich nicht die Zeit, alle unterschiedlichen Konflikte zu nennen. Lediglich
zwei
Beispiele sollen, hier erwähnt werden:
1) Der Kampf der Dalitfrauen in Indien und der Kampf der Ureinwohnerinnen in der ganzen
Welt. Die Dalit sind verachteter ärmer und werden mehr ausgebeutet als jede andere
Gruppe der
indischen Gesellschaft. Die Dalitfrauen werden dreifach unterdrückt: Weil sie Dalit sind,
weil sie
Frauen sind, und weil sie arm sind. So werden sie zum besonders willkommenen Opfer für
Gewalt, die durch das Zusammenspiel von Klasse, Kaste und Geschlecht entsteht. Wenn Sie statt
"Dalit" "schwarze Frau" sagen, dann bleibt die Botschaft die gleiche. Die Kaste ist eine Form des
Rassismus, die auf institutioneller und auch auf ideologischer Ebene bekämpft werden
muß.
2) Der Zusammenhang zwischen Rassismus und Frauenhandel ist evident. Die Mehrheit der
armen Frauen lebt in den Entwicklungsländern mit vorwiegend schwarzer
Bevölkerung. Es gibt
eine historische Verbindung zwischen Rassismus und Ausbeutung. Heute werden diese
Länder
nach wie vor von globalen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Kräften ausgebeutet,
und
die Frauen werden als bloße Ware gesehen, die auf dem Markplatz ge- und verkauft wird.
Rassismus ist mitverantwortlich für die Armut, die Frauen und Kinder mittellos und daher
empfänglich macht für Kriminelle, die sie versklaven und in Länder
verkaufen, in denen
Fremdenfeindlichkeit und rassistische Einwanderungsgesetze sie in den Strudel von Prostitution
oder Gewalt ziehen. Rassismus und Frauenhandel sind schwere
Menschenrechtsverletzungen.
An der Schwelle zu einem neuen Jahrtausend, an der sich zahlreiche Veränderungen
vollziehen,
steht für die Frauenbewegung eines fest: Der Rassismus ist nach wie vor da. Wie ein
Wirbelsturm fegt er über nationale und geographische Grenzen hinweg; und richtet
Verwüstung
an, wenn er jede Form der Solidarität zwischen Frauen zerstört. Um sicherzustellen,
daß sich die
Gaben aller Frauen weiterentwickeln können, muß eine Reihe von Dingen
geschehen. Die
Dekade hat dazu beigetragen, vielen die Augen zu öffnen, und wir können nicht ins
Dunkel und
in die Kälte zurück - dorthin, wo Frauen ohne Stimme wohnten. Wir haben alle
Formen der
Unterdrückung von Frauen beim Namen genannt und angeprangert. Aber wir
müssen fest
zusammenstehen und weiterhin die Probleme und Konflikte benennen, die dort entstehen, wo
extremer wirtschaftlicher Mangel auf politische, religiöse, rechtliche und kulturelle
Faktoren
trifft, die Rassismus legitimieren.
Meiner Tochter und den jungen Frauen auf der ganzen Welt sage ich: Wenn Ihr im Schatten der
Bäume sitzt, die Eure Mütter, Tanten und Großmütter gepflanzt haben,
dann hegt und pflegt die
Bäume gut; seid wachsam, schlaft abwechselnd und bewacht die Bäume gut.
Vergeßt nie, daß es
draußen noch Kräfte gibt, die lieber die Bäume fällen und mitsamt den
Wurzeln ausreißen
würden. Wenn Ihr die Bäume pflegt, bringt die Samen aus, damit noch mehr
Bäume für Eure
Kinder wachsen können.
Den Kirchen und dem ÖRK sage ich: Ich möchte den Herausforderungen, die in den
Lebendigen Briefen aufgelistet sind, beipflichten. Zusätzlich bitte ich die Kirchen
und vor
allem unsere weißen Schwestern,
Mukami McCrum
Dokument Nr. DE 4
Dennoch würde man die
Anstrengungen und Errungenschaften der Dekade, so klein sie auch sein mögen, leugnen,
wenn
man sagte, sie habe nichts bewirkt. Tausende von Frauen haben hart gearbeitet, um Probleme und
Anliegen aufzuzeigen, selbst wenn sie zu krank oder zu müde waren. Auch ist es
äußerst wichtig,
daß wir die Bemühungen der Kirche honorieren und ihr Anerkennung zollen, wo es
angebracht
ist. Ich denke hier an den Erfolg von Programmen wie zum Beispiel Frauen als Opfer des
Rassismus und SISTERS.
SISTERS ist ein weltweites Frauennetzwerk. Es verbindet Frauen aus Afrika, Asien, der Karibik,
aus Nord- Mittel- und Südamerika, Europa und dem Pazifik, und jetzt können wir
wirklich
sagen, daß die Welt unsere Nachbarschaft ist. Viele Frauen erkennen heute, daß sich
die Formen
der Unterdrückung von Frauen gleichen und daß es notwendig ist, sich gegenseitig
zu
unterstützen und gemeinsam dem Rassismus zu widerstehen. Mit Stolz kann ich sagen,
daß die
Kränkung einer Schwester heute die Kränkung aller bedeutet und zum Anliegen
jeder einzelnen
geworden ist.
Die Kirche muß diese Schritte unternehmen, denn Rassismus missachtet die Grenzen von
Kirche, Staat und Völkern. Daher ist es überaus wichtig, daß ein Handeln
gegen den Rassismus
nicht an ebensolchen Grenzen haltmachen darf. Ich bitte die Kirche, die Frauenorganisationen,
die an vorderster Front gegen alle Formen des Rassismus kämpfen, zu begleiten und zu
unterstützen. Die farbigen Frauen, die Migrantinnen, die Flüchtlinge und die
Ureinwohnerinnen
brauchen den Schulterschluß mit der Kirche gegen die unterdrückerischen
Kräfte und mächtigen
Staatsmaschinerien, die oft gegen sie mobilisiert werden. Im Bewußtsein der Tatsache,
daß
Rassismus eine Form der Gewalt ist, müssen wir auf die Umsetzung der
Menschenrechtskonvention dringen.
Die Arbeit hat gerade erst begonnen. Ich bete für ein Jahrtausend ohne Rassismus und
freue mich
darauf. Gott sei mit uns allen.
Beteiligung der Frauen am Leben der
Kirche
"Du hast den Tod durch Dein Kreuz vernichtet ... Du hast die Klage der
Myrrheträger in Freude verwandelt". (Orthodoxer Auferstehungshymnus)
Aus der Sicht der Kirchen war die Ökumenische Dekade "Kirchen in Solidarität mit
den Frauen"
für den ÖRK und seine Mitgliedskirchen sehr wichtig. Sie hat uns dabei geholfen,
einige der
Grenzen heutiger Entscheidungsprozesse und Machtstrukturen in unseren Kirchen und deren
Mängel - die fehlende Integration der Frauen und die fehlende Transparenz - mit
kritischerem
Auge zu sehen. Vielerorts bleiben Frauen unsichtbar und verkannt, obwohl Gemeinschaft in der
Kirche immer gleichbedeutend mit Gemeinschaft von Frauen und Männern sein sollte. Die
Anliegen der Frauen sind eine entscheidende Voraussetzung für die Stärke und das
Wohl der
gesamten Kirche. Was die Zukunft unserer Kirchen betrifft, so streben wir danach, unseren
Traum von einer Gemeinschaft zu verwirklichen, die für die Hoffnungen, Träume
und auch die
Enttäuschungen ihrer Mitglieder ein offenes Ohr hat. Sie sollte eine Quelle der Befreiung
für
Mann und Frau gleichermassen sein, denn beide sind zum Bilde Gottes geschaffen und zu Seiner
Herrlichkeit berufen, indem sie die Kirche als Gemeinschaft bauen.
Wir sind dankbar dafür, daß wir an verschiedenen Aktionen der Dekade und an den
Besuchsteams der Dekadenmitte teilnehmen durften. Jetzt sehen wir die Bedeutung der Dekade
klarer und konstruktiver vor uns. Einige mehr traditionell geprägte Kirchen waren zu
Beginn eher
zögerlich und zurückhaltend. Aber wir erkannten Schritt für Schritt,
daß es sich bei der Dekade
nicht um eine feministische Bewegung handelt - obwohl wir diese vielleicht auch brauchen
würden - sondern um etwas, das die gesamte Kirche, ihr Selbstverständnis und ihr
Wesen als
Kirche betrifft. Die Dekade hat nicht den Versuch unternommen, in negativer Weise jene
kirchlichen Traditionen in Frage zu stellen, die Frauen nicht ordinieren. Wir haben die Arbeit der
Dekade nicht als Bedrohung erlebt, sondern als positive Möglichkeit, innerhalb unserer
Kirchen
aktiv zu werden.
Das Evangelium hat die Pflicht und die Macht, Kultur zu kritisieren. Während der
Teambesuche
und danach waren viele Männer - darunter auch ich - schockiert, sich zum ersten Mal
bewusst zu
werden in welch hohem Maße Gewalt und wirtschaftliche Ungerechtigkeit gegen Frauen,
kulturell bedingt oder nicht, innerhalb und außerhalb der Kirchen überall auf der
Welt existieren.
Es scheint so, als sei keine Region frei von unterschwelligen Strukturen durch die Frauen auf
verschiedene Weise ausgegrenzt und marginalisiert werden.
Aus diesem Grund haben wir in Zukunft die Pflicht, ja sogar das Privileg, die Früchte und
Ergebnisse dieser Dekade zurück in unsere Kirchen zu tragen.
Oft sind kontextuelle Theologien nötig, um Stereotypen zu korrigieren, die wir
bezügliche der
Qualität unserer Mitwirkung, Solidarität, Liebe und des gegenseitigen Vertrauens
zwischen
Frauen und Männern haben, beispielsweise bei Entscheidungsprozessen, theologischer
Erziehung
und Laienämtern in jeder Kirche. Die Aufgabe, die die Dekade uns gestellt hat, sollte
bestehenbleiben. Geleitet vom Heiligen Geist werden wir, Frauen und Männer, dann in
jeder
Kirche Briefe Christi werden, "geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des
lebendigen Gottes, nicht in steinerne Tafeln, sondern in fleischerne Tafeln des Herzens."
(2.Kor.3,3)
Phase 3 - Die Zukunft
Es ist aber der Glaube eine gewisse Zuversicht des, das man hofft, und ein
Nichtzweifeln an dem, das man nicht sieht." (Hebräer 11,1)
In unserer Geschichte als gläubigem Volk gab es einen Tag, jenen ersten Ostermorgen, an
dem die Frauen entdeckten, daß Jesus vom Tod erstanden war. Doch wurde ihr Zeugnis
vor den männlichen Aposteln als bloßes Märchen abgetan. Ihrem Bericht von
der Guten Nachricht wurde kein Glauben geschenkt.
Die Besuchsteams Lebendige Briefe" haben aufgezeigt, daß Frauen tatsächlich in
allen Regionen der Welt die Säulen der Kirche sind. Sie sind das Mark des Leibes Christi.
Genau wie am ersten Ostermorgen wird die Kirche von der Treue und dem Zeugnis der Frauen
getragen und genährt. Wir haben gelernt, und hieran gibt es keinen Zweifel, daß
Frauen die Kirche lieben, so wie sie es immer getan haben. Heutzutage, das ist den Lebendigen
Briefen bei jedem ihrer Besuche deutlich geworden, erkennen Frauen mehr denn je ihre von Gott
empfangenen Gaben als unschätzbaren Beitrag für das Leben der ganzen Kirche und
der ganzen Welt.
Frauen rufen die Kirche als Leib Christi auf, für Gerechtigkeit einzutreten, wo immer
Ungerechtigkeit herrscht, so wie Christus es getan hat; Menschen einzubeziehen, wo immer sie
ausgeschlossen werden, sei es in der Kirche oder in der Gesellschaft, und so dem Beispiel Christi
zu folgen. Der Aufruf, Veränderungen herbeizuführen, begann mit den Lehren Jesu,
der viele der traditionellen Einstellungen Frauen gegenüber verwarf, und den Lehren, die
Wege für Frauen und Männer aufzeigten, als gleichberechtigte Partner zu leben, zu
Hause, in der Glaubensgemeinschaft und in der Gesellschaft. Frauen und glücklicherweise
auch viele Männer haben nicht untätig herumgesessen. Wir haben gelernt, wie
global und ökumenisch das Engagement und die Energie sind, durch die wir die wie auch
immer gearteten Hindernisse überwinden können, die Menschen in unseren Kirchen
trennen und die unsere Fähigkeit blockieren, Solidarität mit allen Menschen in der
Welt zu leben.
Bei den Besuchen in fast allen Mitgliedskirchen haben die Besuchsteams gezeigt, daß
Solidarität und kulturelle Sensibilität Hand in Hand gehen können. Die
Besuche haben die Kirchen in den verschiedensten Umfeldern und Traditionen ermutigt, ihre
Stimme zu erheben. Sie haben Frauen und Männern in jeder der Kirchen ermöglicht,
zu erkennen, was Solidarität mit Frauen in ihrer Umgebung konkret bedeutet. Die Besuche
bieten wirklich ein Modell, das zeigt, wie der ÖRK auf andere Fragen von
ökumenischem Belang reagieren könnte.
Die Besuchsteams haben deutliche Zeichen der Hoffnung entdeckt. Diese Zeichen lassen uns
hoffen, daß wir schon jetzt über die Ergebnisse der Dekade sagen können,
daß sie dauerhafte Veränderungen für die Kirchen und den ÖRK
bewirkt haben werden. Positive Veränderungen haben schon stattgefunden. An vielen
Orten überprüfen Verantwortliche in den Kirchen ihre Prioritäten und
konfrontieren die ganze Kirche mit dem Status der Frauen in der Kirche und dem Aufruf, der
Kirchen an Gottes Mission teilzuhaben und von den Visionen des Propheten Amos zu lernen, die
Risse zu vermauern und die Ruinen wiederaufzurichten, die die Lebensumstände viel zu
vieler Frauen geprägt haben. Wir haben das kraftvolle Zeugnis vieler Männer
gehört, die ihren Worten zufolge bekehrt" worden sind. Solidarität ist zwischen
Frauen entstanden, hat Frauen über menschengemachte Grenzen wie Rasse, Klasse,
Nationalität, Konfession, theologische Ausrichtung und Aufgabe in der Kirche hinweg
zusammengeführt. Frauen sind aufgestanden, um sich gegenseitig in Situationen des
Krieges und der Gewalt zu unterstützen. Die Dekade und die Besuchsteams haben den
Kirchen und ihren Mitgliedern gutgetan, vor allem den Frauen, aber nicht nur ihnen. Die Dekade
war ein Geschenk Gottes für die Kirchen und die ökumenische Bewegung.
Leider gab es aber auch deutliche Zeichen der Verzweiflung. Es erfüllt uns mit Trauer und
Wut, zu sehen, daß eine Erfahrung den Frauen gemeinsam ist, egal, welchen Status in
Kirche oder Gesellschaft sie innehaben: die Erfahrung von Gewalt, Gewalt zu Hause, in unserer
Gesellschaft und sogar in unseren Kirchen. Die Kultur des Schweigens" angesichts von Gewalt
war so vorherrschend, daß sie bisweilen wie eine Verschwörung anmutete. Der Leib
Christi ist da, um zu verändern, nicht um von der Welt verändert zu werden.
Dennoch haben wir die weltweite Tendenz festgestellt, Kultur" als Bollwerk einzusetzen, um
traditionelle Einstellungen und Verhaltensweisen in bezug auf Frauen nicht in Frage stellen zu
müssen. In vielen Kirchen sind hier bemerkenswerte Fortschritte erzielt worden, aber die
Dekade war über weite Teile eine Dekade der Frauen, die Solidarität mit Frauen in
der Welt geübt haben. Im allgemeinen konnten die Ziele und das Wirken der Dekade die
gesamte Kirche nicht mit neuen Visionen der Treue zum Evangelium durchdringen. Allerorts
bestand eine riesige Kluft zwischen Worten und Taten. Die Zeichen der Verzweiflung erinnern
uns daran, daß wir bekennen müssen, daß die Ziele der Dekade die Kirchen
noch nicht erreichen. Die Tagesordnung der Dekade ist eindeutig noch nicht abgearbeitet.
Und doch haben Frauen und kooperative Männer in dieser Situation unglaublichen Mut
und Engagement für die Kirchen und das heilende, versöhnende Wort des
Evangeliums bewiesen. Strukturen der Diskriminierung und Unterdrückung sind in aller
Öffentlichkeit angeprangert worden. Dieser Mut und dieses Engagement werden
bleiben.
Bei der Planung der Dekade fürchteten viele von uns, daß die Ausrichtung an einem
bestimmten Zeitrahmen die Gefahr bergen könnte, daß die Kirchen und der
ÖRK eines Tages dem Ende der Dekade mit einem Seufzer der Erleichterung
entgegensehen könnten und die Vision, Energie und Mittel, die nötig sind um die
Kirche auf ihrem Weg zu die Gesundheit und Ganzheit zu unterstützen, wieder umleiten
könnten. Dennoch wußten wir, daß die Zeit reif war, sich intensiver auf diese
schon lange bestehende ökumenische Aufgabe zu konzentrieren. Wir sind vielleicht am
Ende der Dekade, aber wichtiger noch ist, daß wir uns auf einem Höhepunkt des
Kairos befinden. Wir täten gut daran, erneut daran zu erinnern, daß die Frauen, die
sich am ersten Ostermorgen dem Grab näherten und entdeckten, daß der Stein
beiseite geschoben worden war, es dabei nicht bewenden ließen, sondern sich aufgefordert
fühlten - und das gilt auch für die anderen Jünger - zu einer Reise des Lebens
und Zeugnisses für den auferstandenen Christus aufzubrechen, der uns von all dem
erlöst und befreit, was nicht dem Bild Gottes entspricht, nach dem wir als Männer
und Frauen alle erschaffen worden sind.
Glaube ist die Zuversicht, dass das, was wir hoffen eintreten wird, ist das Nichtzweifeln an dem,
was wir nicht sehen. Am Ende der Dekade und an der Schwelle zum 21. Jahrhundert rufen wir
die Kirchen erneut auf, an die Ergebnisse und das unvollendete Werk der Dekade
anzuknüpfen. Wir vertrauen darauf, daß der Gott, dem wir uns zuwenden, seine
Versprechen einlöst. Wir schließen uns einer Wolke von Zeugen unserer Generation
und vergangener Generationen an, wenn wir vorausschauend sagen, daß Gott sein Werk
mit den Kirchen und den Gläubigen fortführen wird, indem er das Leben einzelner,
unsere Kirchen, unsere Kulturen und unsere Welt verändern wird.
Das Dekade-Festival legt dieser Versammlung und den Kirchen, die wir vertreten, das
Kommuniqué Herausforderungen für Frauen: Auf dem Weg ins 21. Jahrhundert"
vor. Es enthält spezifische Aufgaben, die uns zum Handeln auffordern. Die Suche nach
wirtschaftlicher Gerechtigkeit geht weiter, vor allem, da Frauen und Kinder am unmittelbarsten
von der wirtschaftlichen Globalisierung betroffen sind. Wir sind dem ethischen und
theologischen Gebot dass die Kirche alle Menschen annehmen und ihre uneingeschränkte
Beteiligung fördern soll, noch nicht gerecht geworden. Wir haben den Weg eingeschlagen,
der Frauen ermutigt, die Fülle ihrer Gaben miteinander zu teilen, und der die Kirche
befähigt, von diesen Gaben befruchtet zu werden; noch liegt aber ein langer Weg vor uns.
Frauen haben Möglichkeiten gefunden, die Mauern aus Rassismus und ethnischen
Spannungen zu überwinden, um Solidarität mit anderen zu üben und darin zu
wachsen. Die ökumenische Bewegung und unsere Kirchen sind aufgerufen, diese
führende Rolle der Frauen kontinuierlich zu unterstützen.
Frauen wissen, daß Gewalt gegen Frauen in jedweder Form Sünde ist, und rufen die
Kirchen auf, den mutigen Schritt zu wagen, dies auch offen auszusprechen, so wie Kirchen auch
andere gesellschaftliche Sünden angeprangert haben, weil sie dem Wesen der Kirche und
dem Leib Christi widersprechen.
Betrachten wir nochmals das Symbol des Wassers. Rufen wir uns nochmals die Worte des
Propheten Amos in Erinnerung: Es ströme das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit
wie ein nie versiegender Bach. Den Frauen und Männern, die den Garten der Dekade
beackert haben, könnten wir zurufen: Faßt Mut. Oft fallen Samenkörner des
Wortes Gottes dorthin, wo man es nie vermutet oder vorhergesehen hätte.
Neues Wachstum sprießt oft später, wo der felsige Boden geebnet und der Samen
ausgebracht worden ist. Oft entdecken diejenigen, die später durch den Garten wandeln,
die Veränderung. Die Ernte ist reich, und mehr Menschen müssen bei der Ernte
helfen. Unsere Hoffnung gründet sich auf das Zukünftige, so wie unsere Kirche und
unsere Gesellschaft mit den Wassern des Rechts und dem Bach der Gerechtigkeit gelabt
werden.
Metropolit Ambrosius aus Oulu, Finnland
Dokument Nr. DE 5
Die Vorstellung der Empfehlungen
an die Kirche, die die Teilnehmerinnen
und Teilnehmer des Festivals erarbeitet haben,
wird vom Bertrice Wood moderiert.)
Brief an die Achte
Vollversammlung des ÖRK
von den Frauen und Männern des Dekade-Festivals:
VON DER SOLIDARITÄT ZUR RECHENSCHAFTSPFLICHT
Die Ökumenische Dekade
"Kirchen
in Solidarität mit den Frauen:
Die Reise geht weiter
Bertrice Y. Wood
Dokument Nr. DE 7
Die Gute Nachricht für das Leben der Kirche
über die Generationen hinweg ist,
daß damit nicht das letzte Wort über die Erfüllung der Verheißungen
Gottes in der Auferstehung gesprochen war.
Auch wenn die von Herzen kommenden Berichte der Augenzeugen und vieler Gläubigen,
vor allem vieler Frauen, über Gottes mächtige Taten in der Geschichte als
bloße Märchen abgetan wurden, bleibt eine der wichtigen Tatsachen, an die uns die
Dekade Kirchen in Solidarität mit den Frauen" erinnert und die sie bekräftigt,
daß Frauen nicht untätig herumgesessen haben.
Plenarsitzungen
der Vollversammlung
8.
Vollversammlung und 50. Geburstag