Nr. 2 -Juni 1999 |
Liebe Freunde und Freundinnen,
wie Sie mir sicher zustimmen werden, ist es eines der großen "Zeichen unserer Zeit",
daß Menschen aus vielen Lebensbereichen und grundverschiedenen Kontexten sehr
starkes Interesse an Spiritualität zeigen. Heute interessieren sich Millionen von
Menschen auf der ganzen Welt so sehr für religiöse Erfahrungen, Mystik und
Spiritualität, daß dies von Wissenschaftlern, die sich mit dem gesellschaftlichen
und kulturellen Wandel beschäftigen, registriert und zu einem ihrer wichtigsten
Diskussionspunkte gemacht wird. Einige sehen diese Veränderung als ein weiteres
Beispiel für den Paradigmenwechsel, den unsere Kulturen durchlaufen.
In diesem Brief möchte ich einige Aspekte dieser Entwicklung aus der Sicht der
Evangelisation erörtern. Was lernen wir als Kirchen und als Menschen, die andere dazu
einladen, die Gute Nachricht Christi zu entdecken, aus diesem neuen Interesse? Welche
dringenden Herausforderungen und neuen Chancen ergeben sich aus dem Hunger der
Menschen nach Spiritualität für den Dienst der Evangelisation? Und wie sehen
Auswirkungen dieser Entwicklung auf das Zeugnis unserer Zeit aus? Weil es sich hier um ein
so dynamisches und komplexes Gebiet handelt, kann ich im folgenden natürlich nur
einige Anstöße zum weiteren Nachdenken geben.
Ich freue mich, in dieser Ausgabe einen kurzen Text und einen Erfahrungsbericht zur
Evangelisation mit abzudrucken; beide Texte habe ich von Menschen "aus der Praxis"
bekommen. Der erste Text stammt von einer jungen Theologiedozentin aus Tonga, der zweite
von einem bekannten evangelischen Theologen aus Peru. Beide gehen auf eine Initiative
zurück, die auf der Vollversammlung in Harare ins Leben gerufen wurde. Dort hatten
die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Vollversammlung die Behauptung aufgestellt,
daß eine kontextuelle Evangelisation möglich ist und praktiziert wird, worauf ich
sie darum gebeten hatte, etwas zu diesem Thema zu schreiben, damit andere an ihren
Erkenntnissen und Geschichten teilhaben können und diese zu einer Quelle der
Ermutigung für andere werden können. Lesen Sie also bitte weiter. Sie werden
die Beiträge sicherlich spannend finden.
Nun zur Suche nach Spiritualität und zu ihren Auswirkungen auf die Evangelisation.
Am besten betrachten wir zunächst einige der zahlreichen Formen, in denen sich das
starke Interesse an allem Transzendenten äußert. Die kommerziellen
Ausdrucksformen sind natürlich nicht zu übersehen. Bücher, die sich mit
den mystischen und spirituellen Dimensionen des Lebens befassen, verkaufen sich sehr gut.
Einen ähnlich großen Erfolg haben CDs und Musikkassetten mit mystischem
Charakter. Einige dieser populären Ausdrucksformen haben eine lange Tradition. So
erleben derzeit, kurz vor der Jahrhundertwende, Versammlungen und Zeremonien mit
großen Menschenmengen, Pilgerfahrten, Besuche heiliger Stätten und die
Teilnahme am Klosterleben ein Comeback. Weitere Ausdrucksformen sind moderne Formen
religiöser Ansätze unter der Bezeichnung des Gnostizismus; wieder andere
Formen lassen sich grob einteilen in "fernöstlich" und "traditionell". In manchen Teilen
der Welt besuchen ernste Menschen Seminare, Rüstzeiten und Kurse, bei denen es um
religiöse Erfahrungen geht. Andere suchen nach einem spirituellen Meister oder Lehrer.
Wenn wir noch hinzunehmen, was im wissenschaftlichen Bereich passiert, so wird dieses Bild
noch bunter, denn immer stärker wird die transzendente Dimension in
Naturwissenschaften wie Physik und Medizin einbezogen.
Lassen Sie mich schnell hinzufügen, daß wir meiner Meinung nach der
Versuchung widerstehen müssen, zu glauben, daß dieses Phänomen
ausschließlich die Wohlhabenden betrifft, die, die sich den "Luxus" leisten
können, über spirituelle Dinge nachzudenken. Natürlich kommt die
Sehnsucht nach tiefgehenden religiösen Erfahrungen bei den Armen und in Gebieten, in
denen die Mächte der ökonomischen Ausgrenzung regieren, anders zum
Ausdruck; aber sie ist in beiden Fällen stark spürbar. Der Wunsch nach einer
unmittelbaren Erfahrung des Heiligen, einer unmittelbaren Erfahrung Gottes, ist ein Wunsch,
den Arme und Reiche gleichermaßen teilen. Kürzlich berichteten mir die
Vorsitzenden von christlichen Studentenverbänden aus Lateinamerika über eine
Umfrage, die sie bei anderen Vorsitzenden auf einer regionalen Konferenz von
Universitätsstudenten durchgeführt hatten. Die Frage lautete schlicht und einfach:
"Welche Themen sollten für unsere Studentengemeinden im nächsten Jahr im
Mittelpunkt stehen?" Die meisten Antwortenden nannten als wichtigstes Interesse "Gebet"
oder die Frage eines "sinnvollen Gebetslebens".
Es gibt zahlreiche Erklärungen für den gegenwärtigen Zeitgeist. Es
heißt, daß ganz gewöhnliche Menschen sich aus Frustration und Desillusion
zur Spiritualität hinwenden. Dies hängt mit der Krise der modernen
Rationalität zusammen, mit der Art und Weise, wie wir gelernt haben, die Welt auf der
Grundlage von analytischen Methoden und Theorien anhand von nachprüfbaren Fakten
zu verstehen. Es hängt auch zusammen mit Dingen, die so unterschiedlich sind wie der
Zusammenbruch des Sozialismus in Osteuropa, die Gewalt und die skandalösen
Ungerechtigkeiten der neuen Weltordnung und die Institutionalisierung der Spiritualität
durch organisierte Religionen.
Unsere Mitmenschen wenden sich - enttäuscht von falschen Versprechungen- von
Institutionen, Systemen, Ideologien und Projekten aller Art ab. In den meisten Fällen
verhalten sie sich gleichgültig gegenüber der Institution Kirche und können
nicht allzuviel mit der traditionellen Sprache des Christentums anfangen. Gleichzeitig
spüren sie aber, daß es nicht ausreicht, einfach nur "vor sich hin zu leben", doch
sind sie nicht daran interessiert, für eine bessere Welt zu kämpfen, wenn dieser
Kampf oder diese Welt nur eindimensional sind. Nein, für sie muß die Welt einen
Sinn haben. Leben muß lebenswert sein. Es muß doch möglich sein, dem
Leben seinen Zauber zurückzugeben. So suchen sie nach Werten, Idealen,
tragfähigen Beziehungen und Sinn.
Ohne Zweifel stellt diese dynamische Situation eine besondere Herausforderung und eine neue
Chance für die Evangelisation dar. Zunächst bedeutet sie ein provokatives neues
Forum, auf dem Ortskirchen und Christen die Strukturen und die Einstellungen, die Sprache
und die Lebensweisen, die ihr Leben und ihr Zeugnis prägen, untersuchen
können. Wie werden dadurch Interesse und Achtung vor Menschen gefördert, die
sich nach Spiritualität sehnen oder die ihre Spiritualität auf andere Weise
ausdrücken? Es besteht eine inhärente Wechselbeziehung zwischen der Suche
nach Spiritualität und dem Zusammenbruch von Gemeinschaft. Unsere mit Medien
übersättigten und immer individualistischeren Gesellschaften bringen viele
einsame, verletzte und verwirrte Menschen hervor. Wie ermutigt man Christen dazu, diese
Menschen kennenzulernen, Zeit mit ihnen zu verbringen und Bereiche des eigenen Lebens mit
ihnen zu teilen?
In einem sehr realen Sinn sind die Skepsis und die Gleichgültigkeit der Menschen
gegenüber der Kirche als Institution, gegenüber autoritären Prinzipien,
abstrakten Doktrinen und Glaubenssätzen Einladungen an unsere Kirchen, die
Realität der Liebesgeschichte, die das Geheimnis hinter ihrem Leben und Sinn darstellt,
aufzuzeigen. Ich glaube, daß die jungen Menschen von heute, die Opfer der Gier und
der Gewalt der Welt sind, und unzählige andere, die desillusioniert von falschen
Versprechungen sind- wie auch viele unserer Mitmenschen anderer Glaubensrichtungen-,
unsere Kirchen dazu auffordern, wahrhaftige Gemeinschaften des Evangeliums zu sein. Junge
Menschen suchen nach Hoffnung und nach dem Beweis nicht für die Existenz Gottes,
sondern für die tiefe Liebe zu Gott. Das ist eine neue Chance für eine
Evangelisation, die sich an Beziehungen orientiert. In der heutigen Welt ist es- mehr als alles
andere- die Qualität unserer Liebe zu Gott, zueinander und zu unserem Nächsten,
die Chancen eröffnet, die Geschichte des gekreuzigten und wiederauferstandenen Jesus
mit anderen zu teilen und sie denen, die nach Spiritualität dürsten,
unverfälscht vorzustellen.
Die Offenheit, die Menschen religiösen Erfahrungen und Spiritualität
entgegenbringen, ist auch ein eindeutiger Aufruf an die Kirchen, neu anzuknüpfen an die
Freude, den Frieden und die Kraft ihrer ursprünglichen Erfahrung und Botschaft. Sie
drängt uns, das Potential der Liturgie, des gemeinsamen Gottesdienstes und der
Sakramente zu erschließen als ein Mittel, die umstürzlerische Botschaft von
Gottes Sieg für uns über Sünde und Tod zu vermitteln. Sie ruft uns auch
dazu auf, die Gemeinschaft und die gemeinschaftstiftenden Dimensionen von Gottes
Liebesgeschichte mit dem Universum deutlich zu machen. Dazu gehört, daß man
sich von Belastungen freimacht und Möglichkeiten schafft, damit Menschen ganz
persönlich erfahren, wer sie vor Gott sind.
Als prophetisch erweist sich eine Aussage des römisch-katholischen Theologen Karl
Rahner, der vor Jahrzehnten die These aufstellte, das Christentum der Zukunft müsse
mystisch sein oder es höre auf, christlich zu sein. Damit wies er auf Belastungen hin, die
sich angesammelt haben und keinen Sinn mehr ergeben; gleichzeitig unterstrich er die
Notwendigkeit, Gottes außergewöhnliches Geschenk von Sinn und Leben durch
Christus transparenter zu machen. Er warnte uns, daß schlechte Methoden der
Glaubensvermittlung- die unengagierte Weitergabe von Informationen über Gott und
Lehre, das mechanische Abspulen von Ritualen, die Verwendung abstrakter theologischer
Erklärungen und das mangelnde Vertrauen in den Heiligen Geist- über das
Überleben des Christentums entscheiden würden.
Rahner hat ausführlich zu der Notwendigkeit und Möglichkeit für
gewöhnliche Menschen Stellung genommen, Christus durch eine direkte,
persönliche und individuelle Erfahrung des lebendigen Gottes zu entdecken. In
jüngerer Zeit hat Matthew Fox, Autor des bekannten Bestsellers Creation Spirituality
(San Francisco: Harper Collins 1991) auf seine eindrucksvolle Art ähnliche Ansichten
geäußert. Fox behauptet beispielsweise, daß "Lernen zwar sicherlich ein
wesentlicher Bestandteil einer gesunden Religion ist, aber kein Ersatz für Praxis sein
kann. Das Nachdenken über Gott ist kein Ersatz dafür, Menschen
Möglichkeiten der Gotteserfahrung zu geben". Die Beobachtungen von Rahner und Fox
liegen "voll auf der Linie" des aktuellen spirituellen Zeitgeistes. Unser religiöses Umfeld
schreit nach einer tiefgehenden Erfahrung Gottes. Die Kirchen, die dies nicht fördern
oder die es Menschen schwer machen, sich von Gottes Geist oder der Macht der Vergebung
und Heilung berühren zu lassen, zeigen mangelndes Gespür für dieses sehr
deutliche seelsorgerische Bedürfnis. Wo Kirchen andererseits bewußt Raum
dafür schaffen, daß Gottes Geist Menschen anrühren kann, verändert
sich das Leben von Menschen und entstehen lebendige Gemeinschaften. Dies ist eindeutig da
der Fall, wo Kirchen massiv wachsen, aber es gilt ganz besonders für kleinere
Gemeinschaften, die ums Überleben kämpfen. Auch diese können geistlich
stark sein. Eine solche Erfahrung- die allen Menschen ungeachtet von religiösen
Kategorien offensteht- wird für Christen das wichtigste Element in ihrer ständigen
Umkehr zu Gott und in ihrer Nachfolge Jesu sein. Aus dem großen Umfeld erneuerter
Beziehungen, aus der Leidenschaft für das Reich Gottes und der demütigen
Haltung gegenüber Menschen anderer spiritueller Richtungen erwachsen ihnen
Gelegenheiten, den christlichen Glauben zu erläutern und andere zur Nachfolge Jesu
einzuladen.
Angesichts der immer schnelleren Veränderungen in fast allen modernen Gesellschaften
gibt es potentiell zahlreiche Berührungs- und Begegnungspunkte zwischen Christen und
anderen, die auf der Suche nach sinntragenden Ideen und Wertvorstellungen sind. Die
Bühne ist nun frei. Die schroffe antireligiöse und intellektuelle
Voreingenommenheit, die Glaubenserfahrungen bisher von vornherein abtat, ist weitgehend
verschwunden. Dies gilt nicht nur in den westlichen und postsozialistischen Staaten, sondern
auch in den riesigen Städten der südlichen Erdhalbkugel. Mehr als je zuvor
können Christen ihre Glaubensreisen mit anderen teilen und sie dazu einladen, die
gesuchte Spiritualität in Gemeinden zu erleben, die ihre Identität auf Jesus
Christus gründen.
Natürlich sollten wir nicht übersehen, daß es einen Zusammenhang gibt
zwischen der Suche nach spiritueller Erfüllung und dem gewaltigen Chaos, das durch
unser Weltwirtschaftssystem verursacht wurde. Wir wissen, daß das "Festessen des
freien Marktes" den meisten Menschen nicht offensteht. Unsere Welt wird von einer
Konsumideologie beherrscht, die künstliche Bedürfnisse schürt und tiefe
Frustration hervorruft. An die Stelle der Werte von Gemeinschaft und Solidarität treten
Einstellungen der Gleichgültigkeit. Ist es überraschend, wenn man feststellt,
daß hinter dem derzeitigen Hunger nach Spiritualität häufig die Gesichter
von Menschen stehen, die Entfremdung, Hoffnungslosigkeit und Langeweile erfahren haben?
Wie kann in dieser Realität eine mutige Evangelisation entstehen, die - die
öffentlich und persönlich, prophetisch und mitfühlend - von der Absicht
Gottes für das menschliche Leben spricht?
Für die Evangelisation liegt hierin eine besondere Herausforderung. Gerade weil wir
verstehen, daß es eine direkte Beziehung zwischen der Globalisierung der
Marktwirtschaft und der Sinnsuche der Menschen gibt, sollten wir es vermeiden,
Fürsprache und öffentliches Zeugnis von der Befriedigung der tatsächlichen
spirituellen Bedürfnisse der Menschen in ihrem Alltag zu trennen. Beides gehört
zusammen. Der aktuelle Kontext ruft dazu auf, deutlicher zu demonstrieren, daß sich
die gute Nachricht auf das menschliche Leben insgesamt mit all seinen Dimensionen
richtet.
Noch ein Wort in diesem Zusammenhang, weil dies ebenfalls Auswirkungen auf die
Evangelisation hat. Ich meine die offensichtliche Tatsache, daß Menschen nicht nur
passive Beobachter der dramatischen Veränderungen und Widersprüche sind, die
sie betreffen. Ganz im Gegenteil. Sie streben nach Überleben und Sinn. Wenn es um
religiöse Dinge geht, dann "konstruieren" sie ihre Suche aktiv. Dies zeigt sich daran,
daß sie sich erst einmal umsehen und sich dann "herauspicken" und zusammenstellen,
was ihnen gefällt.
Bei dieser aktiven Suche werden manche intolerant und fanatisch, wenn sie die für sie
gültige Antwort gefunden haben; für andere wiederum ist Spiritualität
lediglich eine weitere Sache, die man konsumieren kann.
Gerade weil die Bühne jetzt frei ist, sollten Christen aufgrund ihrer Liebe zu Christus
und ihres Verständnisses der Mission in der Nachfolge Jesu Christi auf diese
Realität reagieren. Weil sie sich für die von Ihm hergestellten Beziehungen
einsetzen, können sie beispielsweise ihre Mitmenschen hinterfragen, deren
religiöse Bedürfnisse sie in die Macht von Sekten und Kulten getrieben haben. Sie
können versuchen, denen zu helfen, deren Religiosität eine Ablehnung jeglichen
rationalen Denkens erfordert; und sie können dazu beitragen, daß die, die durch
ihre Sinnsuche den Bezug zur Realität des Leidens in dieser Welt verloren haben, diesen
Bezug wiederfinden.
Es ist ermutigend zu sehen, daß das veränderte religiöse Umfeld bereits
heute Auswirkungen auf den Stil der Evangelisation durch Ortskirchen und individuelle
Christen in verschiedenen Teilen der Welt hat. Diese Auswirkungen zeigen sich am
deutlichsten in dem "Ansatzpunkt" für das evangelistische Zeugnis, wie auch in einem
Bericht der Church of England über die Entwicklung ihrer Dekade zur Evangelisation
hervorgehoben wird. In diesem Bericht (Robert Warren: Signs of Life, London: Church House
Publishing 1996) werden auffällige Veränderungen in den Ansätzen der
modernen Evangelisation beleuchtet. Weil diese Trends auch in anderen Kontexten deutlich
werden, möchte ich Ihnen an dieser Stelle einige davon vorstellen, damit Sie sich ein
eigenes Bild machen können. Bedenken Sie dabei, daß es sich hier um
Entwicklungen von einem Ansatz hin zu einem anderen handelt, nicht um einen strikten
Gegensatz zwischen zwei "Polen".
Ich glaube, daß die einzigartige spirituelle Situation heute eine Chance zur Erneuerung
der Evangelisation bietet. Wenn wir erkennen, daß der Geist, der die Menschen zur
Spiritualität drängt, derselbe Geist ist, der sie zum Glauben erweckt,
müssen wir kreativ und einfühlsam Zeugnis von der Erfüllung ablegen, die
Gott in Jesus Christus schenkt. Ich bin überzeugt, daß uns im aktuellen
spirituellen Kontext zahlreiche wirksame Methoden zur Verfügung stehen, wenn wir
bereit sind, den Preis dafür zu zahlen.
Lassen Sie mich hier schließen. Ich hoffe, daß einige der in diesem Brief
angesprochenen Fragen und Ansichten ein Echo in Ihrem Dienst finden, und ich bin sehr daran
interessiert, von Ihnen zu hören, warum dies so ist oder nicht so ist. In diesem
Zusammenhang möchte ich all denen danken, die mir auf den vorangegangenen Brief
geantwortet haben. Einige Ihrer Stellungnahmen zum Thema Evangelisation und Frauen waren
sehr nützlich, und wir sollten daher daran denken, an dieser Stelle auch Platz für
die Reaktionen von Lesern und Leserinnen zu schaffen.
Ich verabschiede mich an dieser Stelle von Ihnen, aber ich bitte Sie: Lesen Sie weiter!
Möge Gott Ihr Leben und Ihre Arbeit segnen,
Ana Langerak
Diese Punkte scheinen mir eine nützliche Zusammenfassung darzustellen. Sie zeigen,
wie Ortskirchen und Christen bereits heute auf das aktuelle Interesse an spirituellen Fragen
reagieren, indem sie neue Akzente in der Evangelisation setzen. Man erkennt ohne weiteres,
daß ein so praktiziertes Zeugnis in der Suche der heutigen Menschen nach dem
Transzendenten die Schöpferkraft des Heiligen Geistes am Werk sieht. Meiner Meinung
nach zeigt sich in einem solchen Zeugnis nicht der Wunsch nach weltlicher Anpassung oder
der Versuch, mit der Mode zu gehen, sondern echtes Vertrauen in die hoffnungsvolle,
überzeugende Botschaft Christi für die Bedürfnisse dieser Welt. Hier wird
das ernsthafte Ringen mit der Frage der Integrität deutlich.Friede und Wohlergehen
Referentin für Evangelisation
Der erste Beitrag kommt von Lynette Mo'unga Fuka, Dozentin am Sia' atoutai Theological
College der Freien Wesleyanischen Kirche von Tonga. Lynette wies uns darauf hin, dass
Tonga zwar das kleinste Königreich im Südpazifik ist, aber die Ehre hat, jeden
Morgen als erstes Insel-Königreich die Sonne zu begrüßen.
Lasst Gott Evangelist sein
Es gibt viele verschiedene Definitionen von Herz. Zunächst ist damit natürlich
jenes sehr empfindliche Organ gemeint, dessen Funktion über Leben und Tod eines
Menschen entscheidet. Das Herz nimmt das Blut aus den Venen auf und pumpt es durch die
Arterien, wo es während seines Kreislaufs Sauerstoff zugeführt bekommt. Das
Herz kann aber auch als Mittelpunkt der gesamten Persönlichkeit, einschließlich
der Gefühle, Emotionen und Intuitionen, verstanden werden, so z.B. wenn wir
sagen:"Du weißt in deinem Herzen, dass es wahr ist."
Ich glaube, dass Gott das Herzstück jeder echten Evangelisation ist. Gott, der
Evangelist, ist lebendig in uns, reinigt uns und bringt die gute Nachricht von Christus mit
unserer Hilfe zu anderen Menschen. So wie Gottes Leben und Erneuerung durch die Arterien
unseres täglichen Lebens gepumpt werden, verkünden wir als Kinder Gottes in
dynamischer und authentischer Weise Gottes Liebe in Christus und teilen sie mit anderen. Die
Arbeit des Evangelisten entfaltet sich so jeden Tag und von Generation zu Generation.
Lassen wir Gott nun ungehindert sein Werk tun? Als Frau aus Tonga frage ich mich, ob wir
Gottes Wirken im Leben der Menschen wirklich zulassen, so dass jeder die einzigartige Person
werden kann, zu der er erschaffen wurde. Eine Gesellschaft wie die unsere, die sich aus
unterschiedlichen Gemeinschaften zusammensetzt, ermächtigt indirekt die Mehrheit
dazu, zu herrschen und die Meinungen von Minderheiten, die als "anders" angesehen werden,
zu übergehen. Infolgedessen legt die Mehrheit die Normen fest, nach denen jeder leben
sollte, und die gegnerischen Parteien verbringen viel Zeit damit, die jeweils anderen für
Fehlentwicklungen in unserer Gesellschaft verantwortlich zu machen. Ich glaube, dass diese
Mentalität dem Wirken Gottes, des Evangelisten, Steine in den Weg legt.
Wenn wir gebeten werden, Predigten oder Meditationen vorzubereiten, verbringen wir oft
viele Stunden damit, Fachliteratur und Fachleute zu konsultieren. Wird damit das Wirken
Gottes, des Evangelisten, in uns nicht eingeengt? Sollten wir nicht lieber erforschen, wie Gott
in unserem eigenen Leben und im Leben unserer Brüder und Schwestern wirkt? Und
wenn wir Evangelisten und Evangelistinnen dazu ausbilden, andere auf "unseren Weg" zu
bringen, weil ihr Weg "der falsche" ist, müssen wir uns da nicht fragen, inwieweit wir
uns damit dem Wirken Gottes, des Evangelisten, in all seiner Weite widersetzen?
Anstatt Gottes Wirken einzuschränken, indem wir anderen unsere Normen aufzwingen,
indem wir unsere ganze Zeit darauf verwenden, von anderen Menschen gemachte Vorschriften
zu konsultieren, oder indem wir sein Wirken in anderen Menschen leugnen, sollten wir uns
Gott, dem Evangelisten, öffnen und es so zulassen, dass das Evangelium von Gottes
Liebe authentisch gepredigt und miteinander gelebt werden kann.
Der folgende Beitrag stammt von Tito Paredes, einem peruanischen Theologen und Pfarrer, der Generalsekretär der Lateinamerikanischen Theologischen Bruderschaft ist. Er hat seinem Bericht die Überschrift "Eine singende missionarische Kirche" gegeben.
Die Kirche Christi unter den Quechua - von Nordecuador über Peru bis nach Südbolivien - ist dabei, ihr kulturelles Erbe und ihre Führungsqualitäten wiederzuentdecken und sie in ihre Verkündigung des Evangeliums einzubringen.
Bis in die jüngste Zeit hinein wurden die Christen unter den Quechua bewusst oder unbewusst gelehrt, dass sie einige der wertvollen Elemente ihrer eigenen Kultur aufgeben müssten. Dazu gehörten u.a. ihre Musik und ihre Musikinstrumente. Bei ihrer Bekehrung zum Christentum verkauften begabte Musiker, die auf "heidnischen" Festen und bei anderen Gelegenheiten Musik gemacht hatten, ihre "Instrumente des Teufels" oder legten sie weg und spielten nie wieder darauf.
Wenn man sich vor Augen hält, wie wichtig im gesellschaftlichen und religiösen Leben der Quechua-Gemeinschaften nichtchristliche Feste und Musik sind, wird deutlich, dass etwas Lebenswichtiges fehlte, wenn das Evangelium nur in gesprochener Form verkündet wurde. Musik ist ein natürliches Medium, das zum Leben der Quechua dazugehört und es zum Klingen bringt.
Kein Wunder also, dass so wenige Quechua den christlichen Glauben annahmen! Sie empfanden ihn als etwas Fremdes, das wertvolle Dimensionen ihrer Gesellschaft zu zerstören drohte. Aber als die Quechua anfingen, das Evangelium mit ihrer eigenen Musik und mit biblischen Botschaften, die ihrer eigenen Inspiration entsprangen, zu predigen, begannen viele, die befreiende Botschaft zu hören und anzunehmen. Der Kairos Gottes ist für die Quechua gekommen, und Gott benutzt die Gläubigen unter ihnen und ihre Kirche, um vielen Menschen die Botschaft von Christus zu bringen.
Ich hatte das Privileg, an einem ganz besonderen Ereignis in der Stadt Yungay am Fuße der grandiosen schneebedeckten Huascara-Berge in Nordperu teilzunehmen. Es war die Zweite Nationale Begegnung von Quechua-Führern, kombiniert mit einem Musik-Festival, das vom Nationalen Evangelischen Quechua-Komitee von Peru und dem Evangelischen Missionszentrum des Anden-Amazonas-Gebiets gemeinsam organisiert wurde. Die Teilnehmenden waren aus ganz Peru gekommen.
An einem der Abende, als die Menge den musikalischen Vorführungen zuhörte, stand ich neben einem 80jährigen Quechua-Mann. Er hatte ein breites Lächeln auf seinem Gesicht, und mir fiel auf, dass er vor Freude strahlte. Wir unterhielten uns über das Festival, und er erzählte mir, dass er und die anderen Gläubigen einen ganzen Tag lang zu Fuß unterwegs gewesen waren, um nach Yungay zu kommen, weil es keine Straße bis zu ihrem Dorf gibt. Ihm liefen Tränen über die Wangen, als er über das Fest und die Quechua-Lieder sprach.
Er sagte:"Ich war der erste Christ in meinem Dorf. In jenen Tagen wurden wir verfolgt und verspottet. Damals hätten wir uns nicht vorstellen können, dass wir einmal so etwas wie dieses Fest erleben würden - mit so vielen Christen, die zusammenkommen und dem Herrn freudig und frei Lieder singen! Ich bin ein alter Mann. Ich weiß nicht, ob ich noch einmal an solch einer Begegnung teilnehmen kann, aber ich bin sehr dankbar, dass der Herr mir ein so langes Leben geschenkt hat, dass ich dies miterleben kann." Als er mir das erzählte, kam mir Lukas 2, 29-30 in den Sinn, wo geschildert wird, wie Simeon schließlich das Kommen des Messias sah.
Viele ältere Gläubige, die einsame Inseln waren, als sie den christlichen Glauben vor vielen Jahren annahmen, erleben heute, wie Gottes Geist auf ihr eigenes Volk ausgegossen wird. Ihr Glaube und ihr Zeugnis von Gott inmitten von Verspottung und Verfolgung trägt Früchte. In einer Zeit, in der die Kirche Musik, Kunst und darstellende Kunst der Ureinwohner entdeckt, um den christlichen Glauben zum Ausdruck zu bringen, kehren Hunderttausende Quechua um zum Herrn.
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