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ZENTRALAUSSCHUSS 1999 NR. 2


3. September 1999

FERNANDO ENNS - EIN LEIBHAFTIGER PIONIER


Er ist eine leibhaftige Premiere: Fernando Enns, der erste Mennonit im Zentralausschuss des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) - und das, obwohl zu den 147 Gründungsmitgliedern des ÖRK vor 51 Jahren auch Mennonitenkirchen gehörten. "Die starke Orientierung auf die lokale Gemeinde hat die Mennoniten sehr zurückhaltend gemacht im Blick auf überregionale Zusammenschlüsse", sagt Enns. Aber das weltweite Engagement sei ihnen im Laufe dieses Jahrhunderts immer wichtiger geworden.

Dass der 35jährige Pfarrer als eines der wenigen Mitglieder des Zentralausschusses sich während der Sitzungen nicht mit den Kopfhörern für die Simultanübersetzung plagen muss, hat gute Gründe: geboren in Brasilien wuchs er seit seinem zehnten Lebensjahr in Deutschland auf. Einen Teil seines Theologie Studiums verbrachte er an einem mennonitischen Seminar in den USA. Den multikulturellen Kontext führt er in der eigenen Familie fort, so ist seine Frau Tochter japanisch-deutscher Eltern.

Aus der Tradition seiner Kirche als "Friedenskirche" hat er einen ganz besonderen Bezug zu der "Dekade zur Überwindung von Gewalt". "Ich wünsche mir, dass bei dieser Dekade der Begriff Friedenskirche schliesslich überflüssig wird, weil alle Kirchen ganz selbstverständlich die Bemühung um eine Kultur des Friedens ins Zentrum rücken." Entscheidend für die Dekade ist für Enns, dass sie auf lokaler Ebene stattfindet und Gemeinden, Friedensinitiativen und andere Nichtregierungsorganisationen (NGOs) vernetzt, er warnt aber vor Selbstüberschätzung. "Es hängt nicht nur an unserem Tun. Wir werden sicher nicht innerhalb von zehn Jahren alle Gewalt überwinden. Frieden ist eine sehr schwierige Aufgabe, an der wir mitwirken können, die aber niemals vollkommen gelingen kann. Die Frage des Friedenstiftens muss verbunden werden mit der Frage der Gerechtigkeit und Wahrheit. Das Beispiel der Wahrheitskommission in Südafrika zeigt, wie man nach sehr schwerer, konfliktreicher Geschichte zu einer Versöhnung kommen kann, ohne tatsächlich Gerechtigkeit für alle herstellen zu wollen. Gerechtigkeit kann nicht allen widerfahren. Und trotzdem müssen wir versuchen, als Friedensstifter zu leben und einen Frieden zu bauen, der die Menschen miteinander versöhnt."

Wichtig ist für Enns, dass die Idee der Dekade nicht in der Hierarchie der Kirchen steckenbleibt. Das Thema Gewalt betreffe die ganze Gesellschaft - in Deutschland in anderer Weise als in Bürgerkriegsgebieten, in einer Stadtgemeinde anders als auf dem Land. Es sei sehr wichtig, an die Erfahrungen aus der ÖRK-Aktion "Frieden für die Stadt" anzuknüpfen, und zum Beispiel Initiativen von den Gemeinden vor Ort mit der Polizei und Lehrerkollegien zu vernetzen. "Wir alle müssen mit dem Thema Gewalt umgehen, nicht nur in der Kirche, sondern in der Schule, im Fussballstadion, auf der Strasse, gegen Ausländer." Kirche könne einen entscheidenden Beitrag leisten aus der Hoffnung heraus, dass Gewalt wenigstens zum Teil überwunden werden kann, sagt Enns. Diese Hoffnung stehe im Zentrum unseres christlichen Glaubens. Kirche könne auch starken Einfluss gewinnen, wenn sie sich verbünde mit bestimmten Institutionen in der Gesellschaft. "Wir dürfen uns nicht eingraben. Was hinter verschlossenen Kirchentüren passiert, interessiert keinen Menschen." Wenn die Kirche sich hier nicht einbringt, dann weiss ich nicht, wo sie ihre Aufgabe in der Gesellschaft hat!"

Fernando Enns ist Studienleiter am Ökumenischen Institut und Studentenwohnheim der Theologischen Fakultät in Heidelberg. Studierende aus allen Ländern, Konfessionen und sogar Religionen leben dort ökumenische Gemeinschaft im Alltag - eine Gemeinschaft, die Enns eher als persönliche Bereicherung empfindet denn als Arbeitslast. Aber nicht nur aus der Begegnung mit den Studierenden schöpft der schlanke Mittdreissiger seine Kraft, sondern auch auf ganz andere Art: "Jeden Morgen gehe ich joggen, noch vor dem Frühstück laufe ich zum Heidelberger Schloss hinauf und geniesse die Aussicht auf die Stadt. Das sind die intensivsten Minuten am Tag, die ich für mich selber geniesse und in denen ich mich erhole."


Weitere Informationen erhalten Sie von Karin Achtelstetter, ÖRK-Medienbeauftragte
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Foto F. Enns

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