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ZENTRALAUSSCHUSS 1999 NR. 1


2. September 1999

LANDESBISCHOF EBERHARDT RENZ:
EIN PRÄSIDIUMSMITGLIED ZUM ANFASSEN


"Nein, für existentiell halte ich die Kontroverse zwischen den orthodoxen Kirchen und dem ÖRK nicht", betont Landesbischof Eberhardt Renz, einer der acht Präsidenten des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK). Seine Ausführungen sind lebhaft und schnörkellos einfach, sein schwäbischer Dialekt schafft Nähe. Renz verkörpert sein Engagement, nicht Funktion und Status.

So im Gespräch in einer Hotelhalle hat man fast Mühe, ihn sich als pastoralen Würdenträger vorzustellen. Während den Sitzungen des Zentralausschusses trug er wie ein Delegierter des Südens ein buntes Hemd über der Hose. Doch das ist nicht weiter erstaunlich: Renz war zwischen 1968 und 1971 Lehrer am Theological College der Presbyterianischen Kirche in Kamerun und später Afrika-Referent der Basler-Mission, und in seiner Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Württemberg war er mitverantwortlich für den OeME-Bereich (Mission, ökumenische Beziehungen und kirchliche Entwicklung).

In gewisser Weise ist für ihn die Auseinandersetzung zwischen Orthodoxen und Protestanten im ÖRK "selbstverständlich" angesichts der stark unterschiedlichen Entwicklungsgeschichte. Es sei nicht zuletzt auch eine Generationenfrage. Nicht wenige jüngere Vertreter orthodoxer Kirchen könnten erst jetzt, nach 40 Jahren Kommunismus, eigene ökumenische Erfahrungen machen. Dabei würden sie mit einer verwirrend neuen Welt und ganz andern Werten konfrontiert. Ein Beispiel sind für Renz die Orthodoxen in Georgien, die sich auf Grund innerkirchlicher Schwierigkeiten aus dem ÖRK zurückziehen mussten - unter grossem Bedauern der eigenen Kirchenleitung. Doch das wird sich, vermutet Renz, geben, wenn das Gespräch innerhalb der Orthodoxie weitergeht und gleichzeitig die Anfragen der Orthodoxen an die anderen Mitgliedskirchen im ÖRK intensiv diskutiert werden. (Inzwischen ist bekannt geworden, dass die an der achten Vollversammlung in Harare angeregte orthodox-protestantische Sonderkommission noch dieses Jahr zusammentreten wird.) Renz erinnert im Übrigen daran, dass selbst seine württembergische Landeskirche in den 70er Jahren an einen Austritt aus dem ÖRK dachte. Auch damals seien intensive Gespräche mit Genf nötig gewesen.

Deshalb ist es nur logisch, wenn er zum Schluss kommt, dass auch bei einem Austritt einiger orthodoxer Kirchen (wie Georgien und Bulgarien) aus dem ÖRK der Dialog weitergehen muss. Diese Erkenntnis hat er aus seinen langjährigen Kontakten mit vielen orthodoxen Kirchen in Deutschland gewonnen, wo viele Ostkirchen mittlerweile in Arbeitsgemeinschaften mit den andern christlichen Kirchen eingebunden sind. Aber auch die zahlreichen Begegnungen im ÖRK bestärken seine Haltung. "Erst durch Erzbischof Anastasios von Tirana habe ich verstehen gelernt, wie sehr der Balkan ein Teil Europas ist und dass diese Länder nicht einfach mit ökonomischen Kriterien in einen Stabilitätspakt eingebunden werden können, dass wir andere Kriterien für die östlichen Bewohner des Hauses Europa entwickeln müssen." (Bischof Anastasios stammt selbst aus Griechenland. Er wurde von seinen Vorgesetzten nach der Wende 1989 nach Albanien geschickt, um dort die albanisch-orthodoxe Kirche neu aufzubauen.)

Diese "zusätzliche Dimension", dieser Austausch von Erfahrungen und Kenntnissen, die die Auseinandersetzungen im ÖRK bringen, ist für den Bischof von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung der Kirchen auch in Deutschland. "In einer Mischehe ändern sich meistens die Ansichten über die Konfession, die der Partner einbringt".

Vor allem aber ist Bischof Renz die "Christuszentriertheit" der Kirchen wichtig und nicht die Form. Wenn sich alle Kirchen darum bemühten, Christus nachzufolgen, das Evangelium unter die Leute zu bringen, und nicht Form und Strukturen zu betonen, dann würden viele Fragen, selbst solche wie die Frauenordination oder die Homosexualität ihre Sprengkraft verlieren. Damit hätte auch unterschiedliches Kirche-Sein nebeneinander Platz, davon ist Bischof Renz überzeugt. Auch darum braucht es für ihn den ÖRK, damit die Kirchen immer wieder an ihre eigentliche Aufgabe erinnert werden, gemeinsam Zeugnis abzulegen.

Mit dem Stein mit dem aufgemalten Schiff der Ökumene, den alle Mitglieder des Zentralausschusses zu Beginn auf ihrem Platz vorfanden, verbindet Eberhardt Renz den Wunsch, dem ÖRK auch in Zukunft das nötige Gewicht zu geben.

Lange Jahre hatte der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) ein Präsidium, in dem die fünf wichtigsten Konfessionen (mit Ausnahme römisch-katholischen Kirche) vertreten waren. Da jedoch immer mehr Kirchen des Südens Aufnahme im ÖRK fanden und die Kirchen des Nordens in Minderzahl gerieten, verschoben sich Ende der 60er Jahre die Gewichte im Präsidium zunehmend zugunsten geografischer Gesichtspunkte. Heute repräsentiert es mit Afrika, Asien, Lateinamerika/Karibik, dem Nahen Osten, Nordamerika, Pazifik und Europa sieben Weltgegenden. Doch das kleine Europa stellt gleich zwei Vertreter, den Metropoliten Chrysostomos von Ephesos (Türkei) vom Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel, und eben Eberhard Renz, Bischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Württemberg (Deutschland). Renz ist seit 1994 Bischof und Mitglied des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates. Letztes Jahr wurde er auf der 8. Vollversammlung in Harare ins Präsidium gewählt.


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Der Ökumenische Rat der Kirchen ist eine Gemeinschaft von inzwischen 336 Kirchen in über 100 Ländern auf allen Kontinenten und aus praktisch allen christlichen Traditionen. Die römisch-katholische Kirche ist keine Mitgliedskirche, arbeitet aber mit dem ÖRK zusammen. Oberstes Leitungsorgan ist die Vollversammlung, die ungefähr alle sieben Jahre zusammentritt. Der ÖRK wurde 1948 in Amsterdam (Niederlande) offiziell gegründet. An der Spitze der Mitarbeiterschaft steht Generalsekretär Konrad Raiser von der Evangelischen Kirche in Deutschland.