Ökumenischer Rat der Kirchen
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Schweiz |
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ZENTRALAUSSCHUSS 1999 NR. 1
OHNE SIE GEHT NICHTS - DIE STEWARDS BEIM ZENTRALAUSSCHUSS DES ÖKUMENISCHEN RATES |
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Sie servieren Kaffee und Tee in den Sitzungspausen, versorgen die Delegierten mit Empfangsgeräten für die Simultanübersetzung, machen Fotokopien, helfen bei Ton- und Fernsehaufnahmen oder bei Computerproblemen - tun all die kleinen Dinge, die den reibungslosen Ablauf einer Konferenz mit mehr als 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern sichern. Arbeiten, die "jeder Jugendliche aus Genf genausogut tun könnte", wie es der Katholik Shannon (24) aus Liberia formuliert. Aber auch er weiss: Der Einsatz der Stewards ist Ausdruck des ökumenischen Gedankens, der an die junge Generation in den Kirchen in aller Welt herangetragen werden soll. Ein offener Geist, wenn man bedenkt, dass die römisch-katholische Kirche nicht Mitglied des ÖRK ist. Das Stewardprogramm wurde vom ersten Generalsekretär, W.A. Visser 't Hooft, ins Leben gerufen mit dem Ziel, den jungen Menschen auf diese Weise ökumenisches Bewusstsein und ein Gefühl weltweiter Solidarität zu vermitteln. "Es gab einige Bedingungen für die Bewerbung", erzählt die Methodistin Hilda (27) aus der Dominikanischen Republik, "man muss Englisch sprechen, aktiv in der eigenen Kirche sein, und bereit, nach der Rückkehr seine Erfahrungen in die Arbeit der Kirche einzubringen. Ich war so glücklich, dass ich ausgewählt wurde!" Die Ausgewählten haben ein gut gefülltes Dreiwochen-Programm, das für viele voller Überraschungen steckt - schliesslich sind die meisten von ihnen zum ersten Mal überhaupt im Ausland. "Ich war förmlich geschockt, dass es einen Platz auf der Welt gibt, in dem Häuser und Strassen alle in Ordnung sind, so viele Waren in den Geschäften liegen, die Busse und alles andere so gut funktionieren...!" beschreibt Shannon, der während des Bürgerkrieges in Liberia aufgewachsen ist, seine Gefühle.
Ökumenische Fortbildung "Ich finde es toll, im Sitzungssaal zu arbeiten", meint Hilda, "man kommt ganz leicht ins Gespräch mit den Delegierten." Die Orthodoxe Samantha (29) aus den USA hat immer spät Feierabend. Sie kopiert und verteilt bis in den Abend hinein die Pressemitteilungen des ÖRK. Dafür hat sie den Vormittag über frei. Einen Teil ihrer Anreisekosten sollten die Stewards nach Möglichkeit selber tragen. Der positive Effekt: Die Suche nach Geld bindet sie verstärkt in ihre Heimatkirchen ein. Jan (21) aus der Slowakei, der Internet-Freak, hat inzwischen alle Gruppemitglieder mit der Nutzung des Internets vertraut gemacht. Alle sind jetzt begierig, ihre neuen Kenntnisse zuhause zu nutzen - am eigenen Computer, bei Freunden, in Universität oder Arbeitsstelle. Und alle sind sicher, dass sie den Kontakt zueinander über dieses Medium aufrechterhalten wollen, wenn sie am Ende der Sitzung wieder in alle vier Winde auseinandergehen. "Sicher mit Tränen in den Augen!" sagt Shannon, der nie gedacht hätte, dass sich Menschen so verschiedener Herkunft und Tradition so gut verstehen können. "Ich wünsche mir, dass die Menschen in Liberia endlich merken, dass wir als Gottes Kinder friedlich zusammenleben können und uns nicht gegenseitig quälen und umbringen!" Was die Stewards nach Genf tun, ist so unterschiedlich, wie ihre Herkunft es erwarten lässt. Shannon wird im Don Bosco Heim in Monrovia, Liberia, weiter mit früheren Kindersoldaten arbeiten: ADie Zeit hier beim ÖRK ist eine echte Erholung. Ich kann die Geschichten, die mir die kriegstraumatisierten Jungen und Mädchen zuhause erzählen, manchmal kaum verarbeiten." Shannon holt zur Zeit seine Schulausbildung nach und möchte eines Tages als Psychologe oder Sozialarbeiter mit Traumatisierten arbeiten. Viola wird ihr Theologiestudium in Rostock fortsetzen. "Meine Heimat ist der württembergische Pietismus, und ich hoffe, mit meinen Berichten in meiner Gemeinde die Vorbehalte vor der weltweiten Ökumene mindern zu können." Hilda kehrt in ihren Job als Chefsekretärin einer Baufirma in Santo Domingo, Dominikanische Republik, zurück. "Mein Chef fand meine Chance, hierherzukommen, so toll, dass er mir Sonderurlaub gegeben hat - unter der Bedingung, dass ich allen in der Firma davon erzähle." Für viele ehemalige Stewards war ihr Einsatz bei einer der grossen Konferenzen ein prägendes Erlebnis für das ganze Leben - im kleinen oder grösseren Rahmen. So betonte auch der Methodist Philip Potter, der von 1972 bis 1984 Generalsekretär des ÖRK war, immer wieder, dass seine ökumenische Karriere in den 40er Jahren als Steward begonnen habe. Wer weiss - vielleicht sehen wir in einigen Jahren ja eine oder einen der hier tätigen Stewards als Präsident oder Generalsekretärin des ÖRK wieder ...
Der Ökumenische Rat der Kirchen ist eine Gemeinschaft von inzwischen 336 Kirchen in über 100 Ländern auf allen Kontinenten und aus praktisch allen christlichen Traditionen. Die römisch-katholische Kirche ist keine Mitgliedskirche, arbeitet aber mit dem ÖRK zusammen. Oberstes Leitungsorgan ist die Vollversammlung, die ungefähr alle sieben Jahre zusammentritt. Der ÖRK wurde 1948 in Amsterdam (Niederlande) offiziell gegründet. An der Spitze der Mitarbeiterschaft steht Generalsekretär Konrad Raiser von der Evangelischen Kirche in Deutschland.
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