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14. Oktober 1999

INTERNATIONALE FÜHRUNGSSPITZE
TRIFFT MIT CASTRO ZUSAMMEN


Vgl. ÖRK-Pressemitteilung vom 8. Oktober 1999
Vgl. WCC Press Update of 12 October 1999 (nur auf Englisch)

Eine der grössten Herausforderungen für Kuba ist es, "die kubanische Bevölkerung auch weiterhin durch Solidarität statt Egoismus zu motivieren," erklärte der kubanische Präsident Fidel Castro vor einer internationalen ökumenischen Delegation, die zu einem Besuch auf der Karibikinsel weilt.

Castro empfing die Gruppe zu einem Essen und vierstündigen Gespräch im imposanten Regierungsgebäude des Staatsrates in Havanna. Das Interview begann am späten Abend des 12. Oktober und dauerte bis 3 Uhr morgens am 13. Oktober.

Die Delegation wurde angeführt von Pfr. Dr. Konrad Raiser, dem Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK). In seiner Begleitung befanden sich Dr. Walter Altmann, Präsident des Lateinamerikanischen Rates der Kirchen, und Pfr. Carlos Emilio Ham, einer der Präsidenten der Karibischen Konferenz der Kirchen

Das Gespräch zwischen den Kirchenführern und dem 73-jährigen kommunistischen Staats- und Regierungschef erstreckte sich auf ein breites Spektrum von Themen - von der Gedankenwelt des Thomas von Aquin über die Probleme der Auslandsverschuldung bis hin zur Festnahme des ehemaligen chilenischen Diktators Augusto Pinochet in London.

Castro, der als Kind katholische Schulen besucht hatte, befragte die Gruppe ausführlich über die Reformation und insbesondere über das Leben und Denken Martin Luthers.

Castro beschrieb Jesus als "einen grossen sozialen Revolutionär". Als Raiser und Altmann ihm beschrieben, wie Luther die katholische Kirche seiner Zeit herausgefordert hatte, bemerkte Castro, er habe sich oft so gefühlt, wie Luther sich gefühlt haben musste. Der kubanische Präsident erklärte seinen Besuchern, er bewundere, wie sich der Protestantismus ausbreite. "Mir gefällt es, wie die Protestanten beten," sagte Castro, "es ist ein sehr direkter Weg, um mit Gott zu sprechen."

Zu der drohenden Auslieferung Pinochets an Spanien erklärte Castro, der Quellen zufolge die rechtlichen Folgen eines solchen möglichen Präzedenzfalles fürchtet, die Festnahme des Diktators sei "moralisch gerechtfertigt, rechtlich aber fragwürdig". Und er fügte hinzu: "Pinochet sollte bestraft werden, aber in Chile."

Raiser erwiderte, was immer auch jetzt entschieden werde, "das wichtigste politische Signal ist gesetzt - Pinochet muss zur Verantwortung gezogen werden. Straffreiheit darf nicht toleriert werden. Ob Pinochet schliesslich verurteilt wird oder nicht, darüber ist bereits entschieden worden."

Kuba ist die erste Etappe auf der Reise der ökumenischen Delegation in vier Länder der Region. Als nächstes stehen Haiti und Honduras auf dem Programm. Castro wies darauf hin, dass die Delegation dort medizinisches Personal aus Kuba antreffen werde, das unter den Armen arbeite. Er erläuterte, dass die Ärzteausbildung in der Regel einen Auslandsaufenthalt einschliesse. "Das macht die angehenden Mediziner einfühlsamer für die Solidarität," fügte er hinzu.

Raiser erwähnte Castro gegenüber, dass "Gerechtigkeit ein gemeinsames Anliegen" für die Kirchen in der ökumenischen Bewegung sei und sie daher "mit dem Leben und dem Kampf des kubanischen Volkes sehr viel gemeinsam haben".

An der Begegnung nahmen auch führende Persönlichkeiten aus einer Reihe von evangelischen Kirchen in Kuba teil, und Castro befragte sie zu den geschichtlichen und theologischen Unterschieden zwischen den einzelnen Kirchen.

Die Gruppe informierte Castro darüber, wie die Kirchen in verschiedenen lateinamerikanischen Ländern wie Guatemala und Kolumbien in Friedensinitiativen zusammengearbeitet hätten.

Die Begegnung mit dem kubanischen Präsidenten kam am dritten Tag eines viertägigen Besuchs in Kuba zustande. Vorher am selben Tag war die Delegation mit dem römisch-katholischen Erzbischof von Havanna, Jaime Ortgea, einem notorischen Kritiker der Regierungspolitik, zusammengetroffen.

Ortega erklärte der Gruppe, dass die direkte Diskriminierung der katholischen Kirche zwar der Vergangenheit angehöre, ein grosser Teil des guten Gefühls, das durch den Papstbesuch im letzten Jahr entstanden sei, inzwischen aber wieder verschwunden wäre. "Die Regierung wusste nicht, wie sie die Hoffnung, die der Papstbesuch hinterlassen hat, für sich einspannen konnte," meinte Ortega.

Ortega führte weiter aus, dass die kommunistischen Führer Kubas zwar angeordnet hätten, die Behinderung der Kirche einzustellen, "diese Anordnungen aber mitunter von Kommunalbeamten ausgeführt werden, die in ihrer Perspektive noch sehr eingeschränkt sind".

Die kubanische Regierung war bis 1992 offiziell atheistisch. Dann erklärte Castros Kommunistische Partei Kuba zu einem weltlichen Staat und hob für die Parteimitglieder den Zwang auf, sich zum Atheismus zu bekennen. Ortega sagte der protestantischen Gruppe, der Atheismus sei nie sehr weit in das kubanische Denken vorgedrungen: "Der Atheismus hat nie einen grossen Eindruck auf die kubanische Bevölkerung gemacht. Wir Kubaner nehmen die Dinge meistens nicht so ernst, und ich glaube, wie haben auch den Atheismus niemals so richtig ernst genommen."

Die ökumenische Delegation reist am 14. Oktober nach Haiti weiter.

Kontaktadresse: Kristine Greenaway, ÖRK-Direktorin für Kommunikation, Tel. +49 69 744 3394; Fax +49 6196 642 744 oder ÖRK-Büro für Beziehungen zu den Medien, Tel. +41 22 791 6153


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