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9. Februar 1999

BESUCH EINER INTERNATIONALEN KIRCHLICHEN DELEGATION IN INDONESIEN


Im Anschluss an einen Besuch in Indonesien hat eine gemeinsame Delegation des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) und der Asiatischen Christlichen Konferenz (ACK) die indonesische Regierung aufgerufen, unverzüglich die Personen zu identifizieren und vor Gericht zu stellen, die Gottesdienststätten angesteckt und zerstört haben und die für Gewaltausbrüche zwischen Christen und Muslimen sowie Angehörigen der Minderheit chinesischer Abstammung verantwortlich sind.

Während ihres Besuchs vom 28. Januar bis zum 3. Februar sprach die 9köpfige Delegation mit Präsident B.J. Habibie und teilte ihm ihr Befremden darüber mit, dass die indonesische Regierung bisher noch nicht in der Lage gewesen ist, diejenigen zu identifizieren, die während der Mai-Unruhen und im Anschluss daran gewaltsame Übergriffe auf Menschen und Eigentum angezettelt oder durchgeführt haben.

Das indonesische Volk ist stolz auf seine Tradition des religiösen Pluralismus. Dennoch sind seit der Unabhängigkeit des Landes 1945 544 Kirchen zerstört worden, und das Phänomen dauert an. Mitte Januar 1999, wenige Tage vor der Ankuft der Degelation in Jakarta, kam es in der Hafenstadt Ambon, wo Muslime und Christen seit langem friedlich zusammenleben, zu einer Welle von Gewalt und Zerstörung, bei der über vierzig Menschen starben und zahlreiche Moscheen und Kirchen zerstört wurden.

In der Unterredung mit der ÖRK/ACK-Delegation hatten sich Präsident Habibie und andere hohe Regierungsbeamte nachdrücklich gegen die Gewalttäter ausgesprochen und die Übergriffe auf Kirchen und Moscheen sowie alles, was die Feindseligkeit zwischen den Religionen schürt, verurteilt. Der Präsident versprach, die Täter vor Gericht zu bringen. Angesichts der jüngsten Entwicklung fügte er jedoch hinzu: "Meine Mission grenzt ans Unmögliche."

Das ökumenische Team ist davon überzeugt, dass die Gewalt in Indonesien nicht in erster Linie ein Ausdruck religiösen Hasses ist, sondern vielmehr auf wirtschaftliche und politische Faktoren zurückgeführt werden kann. Indonesien ist darüber hinaus ein Land, in dem die Meinungsfreiheit lange Zeit unterdrückt war und das heute eine neue Freiheit erlebt. Niemand weiss, was in der Zukunft und speziell nach den Parlamentswahlen im Juni, für die sich über 200 Parteien eingeschrieben haben, passieren wird. Das Team berichtet, die Lage in Indonesien sei absolut konfus und Religion und ethnische Zugehörigkeit würden von Angehörigen der Machteliten ausgeschlachtet. Die Delegation schöpfte Hoffnung aus der Tatsache, dass muslimische Nachbarn angegriffenen christlichen Familien Schutz geboten und muslimische Jugendliche die Zerstörung einer Kirche verhindert hatten.

Das Team sprach sich für einen reibungslosen Ablauf der Wahlen und die Verurteilung der Gewalttäter aus und kam zu dem Schluss, dass zur Lösung des Konflikts in Indonesien folgendes erforderlich ist:

  • der Erlass von Gesetzen, die den Provinzen grössere Autonomie zugestehen
  • eine gerechte Antwort auf die Selbstbestimmungsforderungen Osttimors und Irian Jayas
  • die Schaffung sozialer Einrichtungen zur Förderung von Eintracht unter den verschiedenen religiösen und ethnischen Bevölkerungsgruppen
  • grössere Mobilisierung personeller und finanzieller Ressourcen im In- und Ausland, um die Armut zu bekämpfen und die allgemeinen wirtschaftlichen Aussichten des Landes zu verbessern
  • eine Änderung der von Indonesiens Gläubigern, speziell dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank, auferlegten Bedingungen.

Die ÖRK/ACK-Delegation besuchte auch Irian Jaya. Sie stellte dort bei allen Teilen der Bevölkerung einschliesslich der Kirchen den eindeutigen Wunsch nach Unabhängigkeit fest. In Jakarta hatten Regierungsbeamte, darunter Aussenminister Ali Alatas, dem Team allerdings klar gemacht, dass Irian Jaya ein fester Bestandteil Indonesiens sei und dass es keine Parallelen zu Osttimor gebe. Die Delegation war jedoch der Ansicht, dass sich die irianesische Bevölkerung nach den jüngsten Ankündigungen der Regierung zur Unabhängigkeit Osttimors verständlicherweise Hoffnungen gemacht hat.

Das Team stellte fest, dass die Verzögerung des nationalen Dialogs, der im September 1998 vorgeschlagen worden war und dem Präsident Habibie zugestimmt hatte, zu Enttäuschung und Verwirrung in Irian Jaya geführt hat. Es befürchtete, dass (katholische wie evangelische) Kirchenführer, Stammeshäuptlinge, NGOs und Studentenvertreter/innen in Vorbereitung des nationalen Dialogs viel zu wenig miteinander gesprochen hatten.

Die ÖRK/ACK-Delegation ruft nun die indonesische Regierung auf, den nationalen Dialog unverzüglich in Gang zu setzen und zu gewährleisten, dass die Bevölkerung von Irian Jaya angemessen und bedingungslos in diesem Dialog vertreten ist.

Das Team ruft ferner die Hohe Kommissarin für Menschenrechte auf, Menschenrechtsverletzungen in Irian Jaya - wie willkürliche Festnahmen, aussergerichtliche Hinrichtungen und die Verletzung des Rechts auf Meinungsfreiheit sowie der sozioökonomischen und kulturellen Rechte der irianesischen Bevölkerung infolge des Transmigrationsprogramms der indonesischen Regierung - zu prüfen.

Delegationsleiter war Pfr. David Gill, Generalsekretär, Nationalrat der Kirchen in Australien. Telefon (+61-2-92) 99 22 15; Fax 62 45 14; E-Mail nccasyd@peg.apc.org. Auch ÖRK-Mitarbeiter Clement John gehörte der Delegation an und steht für Interviews zur Verfügung. Telefon (+41-22) 791 62 18; 788 05 43 (privat); E-Mail WCC Contact.


Weitere Informationen erhalten Sie von John Newbury, ÖRK-Presse- und Informationsreferent
Tel. (Büro): (+41 22) 791 6152
Tel. (privat): (+41 22) 369 3726
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