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21. Januar 1999

OSCAR CULLMANN (1902-1999)


Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) gibt den folgenden Nachruf auf Oscar Cullmann heraus, der im Alter von 96 Jahren gestorben ist. Der Generalsekretär des ÖRK, Pfr. Dr. Konrad Raiser, hat den früheren Direktor der ÖRK-Kommission für Glauben und Kirchenverfassung, Prof. Lukas Vischer, der Oscar Cullmann gut gekannt hat, gebeten, ihn zu verfassen.

Cullmann hinterlässt ein eindrucksvolles theologisches Oeuvre: Arbeiten über das neue Testament, die frühe Kirchengeschichte und als roter Faden durch das Ganze zahlreiche Schriften über ökumenische Themen. Noch wichtiger war jedoch seine Funktion als theologischer Lehrer. Er mochte auf den ersten Blick ausschliesslich mit eigenen Fragen beschäftigt sein, in Wirklichkeit begleitete er seine Studenten mit grosser Aufmerksamkeit.

"Berater dreier Päpste"
Alles prädestinierte Cullmann für ein ökumenisches Engagement. Seine Herkunft aus Strassburg, der Stadt des Reformators Martin Bucer, seine Zweisprachigkeit und seine Leidenschaft für das "Wesentliche" im christlichen Glauben. Ohne sein lutherisches Erbe zu verleugnen, lehrte er während vieler Jahre an der reformierten Fakultät in Basel. Seine Aufenthalte in Rom an der Waldenser-Fakultät gaben ihm Gelegenheit zu zahlreichen Kontakten mit römisch-katholischen Partnern. Seine unkomplizerte, heilsgeschichtlich ausgerichtete Theologie wurde auch in Rom günstig aufgenommen. Sein Buch über "Petrus - Jünger, Apostel, Märtyrer" (1952) legte den Grund für ein sachliches Gespräch über ein delikates interkonfessionelles Thema. Zu einer Zeit, als Kontakte auf höchster Ebene ungewöhnlich waren, wurde er von den Päpsten Pius XII., Johannes XXIII. und vor allem Paul VI. empfangen. Karl Barth spottete: "Auf deinem Grabstein, Oscar, wird stehen: Hier ruht der Berater dreier Päpste." Später führte Barth dann allerdings selbst einen gross angelegten Besuch in Rom durch. Cullmann wurde persönlich als Beobachter an das Zweite Vatikanische Konzil eingeladen, und seine Stimme wurde von vielen mit besonderer Aufmerksamkeit gehört. Aus Gesprächen mit Paul VI. wuchs der Plan eines ökumenischen Instituts in Jerusalem.

Einheit in Vielfalt
Immer wieder suchte er seine neutestamentliche Forschung in den Dienst der ökumenischen Bewegung zu stellen. Ein wichtiger Beitrag zur gegenseitigen Öffnung der Kirchen war sein Vorschlag, dass die getrennten Kirchen - nach dem Vorbild der Paulus-Kollekte - füreinander Kollekten erheben sollten (1958), ein Vorschlag, der seither vor allem im Rahmen der Gebetswoche für die Einheit an vielen Orten praktiziert wird. Mit zunehmendem Alter galt seine Aufmerksamkeit immer ausschliesslicher der ökumenischen Bewegung. In seinem vielbeachteten Spätwerk "Einheit durch Vielfalt" entwickelte er seine Vision der "Einheit, die wir suchen" (1986). Ausgehend von biblischen Erwägungen plädierte er für eine Form von Einheit, die einerseits genügend strukturiert war, um ein gemeinsames Zeugnis möglich zu machen, andererseits aber weiten Raum für Vielfalt liess. Unermüdlich arbeitete er - in einem Alter, in dem andere die Feder längst niedergelegt haben - im Kontakt mit anderen an diesem Konzept weiter. Zusammen mit seiner letzten Schrift über das Gebet sind wohl diese Erwägungen sein eigentliches Vermächtnis an die Kirchen.


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