Ökumenischer Rat der Kirchen
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ZWEIMAL OSTERN? |
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Ein gemeinsamer Auferstehungsglaube, aber zwei Osterfestdaten. Der Grund für die unterschiedlichen Ostertermine liegt in der Verwendung zweier voneinander abweichender Kalender: dem Gregorianischen Kalender aus dem 16. Jahrhundert, der hauptsächlich von den Kirchen im Westen verwendet wird, und dem älteren Julianischen, nach dem vor allem die orthodoxen Kirchen das Osterfest berechnen. Dagmar Heller, Referentin für "Glaube und Kirchenverfassung" im ÖRK erklärt die Abweichungen folgendermassen: "Das Kalenderproblem hängt mit der Tatsache zusammen, dass das astronomische Jahr, nämlich die Zeit, die die Erde benötigt, um sich einmal um die Sonne zu bewegen, nicht genau 365 Tage beträgt. Da es für das tägliche Leben aber notwendig ist, das Jahr in gleiche Zeitabschnitte einzuteilen, muss dieses Problem durch das Einfügen von Schaltjahren gelöst werden. Dabei kommt der Gregorianische Kalender der astronomischen Wirklichkeit näher als der Julianische: Beim Gregorianischen Kalender ist das Kalenderjahr 26 Sekunden länger als der Erdumlauf um die Sonne, während beim Julianischen Kalender eine Differenz von elf Minuten und 14 Sekunden besteht. Zur Zeit differiert der Julianische Kalender vom Gregorianischen um 13 Tage, im Jahr 2100 werden es 14 Tage sein." Gerade in Regionen, in denen Christen der westlichen und der östlichen Traditionen eng zusammenleben und möglicherweise sogar eine Minderheit bilden, wie beispielsweise im Nahen Osten, wird diese Situation als äusserst schmerzhaft empfunden. Sicherlich ein Meilenstein in den Bemühungen um ein gemeinsames Osterfest war die im März 1997 im syrischen Aleppo gemeinsam vom ÖRK und dem Rat der Kirchen im Mittleren Osten durchgeführte Konsultation, die den Weg zu einem gemeinsamen Osterdatum ebnen helfen sollte. Wichtig war in diesem Zusammenhang die Erkenntnis, dass Unterschiede bei der Berechnung des Osterdatums nicht auf grundlegende theologische Differenzen zurückzuführen sind. Darüber hinaus gab die Konsultation folgende Empfehlungen ab, um in Zukunft zu einem gemeinsamen Osterfest zu gelangen. So soll es weiterhin bei dem von den Kirchen in Ost und West anerkannten Berechnungsprinzip, wie es vom Konzil in Nicäa im Jahr 325 festgelegt wurde, bleiben. Danach fällt Ostern auf den Sonntag, der dem ersten Frühlingsvollmond folgt. Die astronomischen Daten für die Frühlings-Tagundnachtgleiche, sollen, so die Empfehlung weiter, "mit den genauestmöglichen wissenschaftlichen Methoden" bestimmt werden. Als Grundlage soll dabei für die Berechnung "der Meridian von Jerusalem, als dem Ort von Jesu Tod und Auferstehung", benutzt werden. Die Konsultation von Aleppo gab zudem der Hoffnung Ausdruck , dass die neue Berechnungsmethode mit dem Jahr 2001 eingeführt werden könnte. Dann nämlich fällt das Osterdatum sowohl nach dem Julianischen als auch nach dem Gregorianischen Kalender auf den 15. April. Ostern/Pascha, so die Meinung der Teilnehmenden an der Aleppo-Konsultation sollte von da an "nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel sein". Auch die Achte ÖRK-Vollversammlung in Harare, Simbabwe, im vergangenen Dezember unterstrich in ihrer Botschaft die Hoffnung auf ein gemeinsames Osterfest: "Wir haben uns gefreut über die koinonia (Gemeinschaft), die sich in vielen Teilen der Welt zwischen Christen entwickelt hat, und wir bekräftigen erneut, dass Gott uns dazu aufruft, in dieser Gemeinschaft weiter miteinander zu wachsen, auf dass sie wirklich sichtbar werde. Wir freuen uns über Zeichen dieses Wachstums, wie sie in der Hoffnung auf ein gemeinsames Osterdatum zum Ausdruck kommen."
Erste Anworten aus den Kirchen liegen vor Dagegen, so Heller, seien die Antworten von orthodoxer Seite differenzierter. So begrüsse das Moskauer Patriarchat zwar die Initiative, sieht sich, laut der ÖRK-Referentin, aber aufgrund der derzeitigen innerkirchlichen Situation nicht in der Lage die Frage zum gegenwärtigen Zeitpunkt anzugehen. Ähnlich positiv, aber in der Umsetzung zurückhaltend sei die Antwort des ökumenischen Patriarchen, während sich die griechisch orthodoxe Kirche "recht kritisch" äusserte. "Dagegen", so Heller, "möchte die syrisch-orthodoxe Kirche den Aleppo-Vorschlag möglichst bald verwirklicht sehen". Sowohl Heller als auch ihr orthodoxer Kollege, Peter Bouteneff, mahnen zur Geduld. Schon jetzt müsse der liturgische Zyklus in der Orthodoxie auf unterschiedliche Kalender übertragen werden, gibt Bouteneff zu bedenken. Zudem sei selbst die innerorthodoxe Debatte noch nicht abgeschlossen. Beide - Heller und Bouteneff - sind für die Weiterführung der Diskussion in den kommenden Jahren. Von westlicher Seite, so Heller, müsse deutlich gemacht werden, "dass es nicht darum geht, den orthodoxen Kirchen ein westliches System aufzuoktroyieren". "Auf westlicher Seite und im Nahen Osten", so ihr Resümee, "ist sicherlich mehr Geduld nötig, auf orthodoxer Seite die Bildung von Vertrauen". Für das Jahr 2001 ist eine weitere Konsultation zum gemeinsamen Osterdatum geplant. Die Konsultation soll den bisherigen Prozess evaluieren und einen Plan für das weitere Vorgehen aufstellen.
Der Ökumenische Rat der Kirchen ist eine Gemeinschaft von inzwischen 336 Kirchen in über 100 Ländern auf allen Kontinenten und aus praktisch allen christlichen Traditionen. Die römisch-katholische Kirche ist keine Mitgliedskirche, arbeitet aber mit dem ÖRK zusammen. Oberstes Leitungsorgan ist die Vollversammlung, die ungefähr alle sieben Jahre zusammentritt. Der ÖRK wurde 1948 in Amsterdam (Niederlande) offiziell gegründet. An der Spitze der Mitarbeiterschaft steht Generalsekretär Konrad Raiser von der Evangelischen Kirche in Deutschland.
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