Weltkonferenz gegen Rassismus, Rassendiskriminierung,Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängender Intoleranz
Menschenrechte für die "Kinder Gottes" | |
"Obwohl die indische Regierung das Kastensystem nicht als ein Problem der Rassendiskriminierung betrachtet, ist es eines der eklatantesten Beispiele für Rassismus. Die indische Regierung hat zwar die Problematik der Kastendiskriminierung zugegeben und Diskriminierung aufgrund von "Unberührbarkeit" verboten. Indien weigert sich jedoch, dieses Thema auf der Konferenz zu diskutieren, da es ein internes Problem sei. Es werde angeblich in Indien selbst ausreichend behandelt und erhalte die nötige Aufmerksamkeit", fasst Marilia Schüller, Koordinatorin der ÖRK-Delegation auf der UN-Konferenz, den Standpunkt der indischen Regierung zusammen. Beispiele der Unterdrückung der Dalits hörte man in zahlreichen Diskussionen und persönlichen Gesprächen auf dem NGO-Forum. Und liest sie noch immer auf überall verteilten Handzetteln und Broschüren. Auch in den südafrikanischen Tageszeitung wird seit dem Beginn der Weltkonferenz fast täglich über das Los der Dalits berichtet. "Die Dalits - früher unter der Bezeichnung "Unberührbare" bekannt - gehören in der indischen Kastengesellschaft nirgendwo hin. Wir sind "Outcasts", sagte Dr.Raja Selvakumar aus Indien und Mitglied der Delegation des Lutherischen Weltbundes (LWB). Gandhi nannte die sogenannten "Unberührbaren" in Indien die "Kinder Gottes", da ihnen noch nicht einmal eine eigene Abstammung, Herkunft oder Geschichte zugesprochen wird. "Jedes Dorf in Indien hat ein eigenes Wohngebiet für die Dalits. Dort gibt es kein Wasser, keine Müllabfuhr, keine Schulen. Die Dalit-Frauen werden am schlechtesten behandelt. Sie werden als Dienstmädchen nicht nur ausgenutzt, sondern oft regelmässig vergewaltigt. Als sich vor kurzem eine Dalit-Frau wehrte und auf ihre Menschenrechte pochte, wurde sie auf offener Strasse nackt vorgeführt und lächerlich gemacht", berichtete Dr. Sarada Karnatakam, ebenfalls Mitglied der LWB-Delegation. "Sogar im Namen der Religion werden Dalit-Mädchen missbraucht, wenn sie als heilige Prostituierte in die Tempel geholt werden. Sobald sie ihre Jungfräulichkeit verloren haben, werden sie an Bordelle verkauft." "Die Zugehörigkeit zur "Kaste" der Dalits verlangt von uns die Dreckarbeit in der Gesellschaft zu übernehmen. Wir müssen Leichen und Tierkadaver entfernen und menschliche Exkremente in Eimern und Körben manuell entsorgen", hörte und las man immer wieder als Beispiel für die Erniedrigung der Dalits. Dies sind nur einige Stimmen der über 260 Millionen Dalits in der Welt, von denen etwa zehn Prozent Christen sind. Die meisten anderen Dalits sind Buddhisten, Moslems oder Hindus. Sowohl der ÖRK, als auch der LWB haben sich auf der Konferenz in Durban für die Opfer des Kastensystems stark gemacht - nicht nur für die grosse Mehrheit der Dalits in Indien, sondern auch, so Peter Prove vom LWB, "für alle Menschen, die aufgrund ihrer Herkunft und Beschäftigung diskriminiert werden, wie zum Beispiel in Senegal, Japan, Sri Lanka, Pakistan und Nepal." "Das Problem der Dalits ist ein Ausdruck von Rassismus, Diskriminierung und Marginalisierung in konzentriertester Form", sagte Dr. Ishmael Noko, LWB-Generalsekretär, der auch an der UN-Konferenz in Durban teilnimmt. "Die indische Regierung hat zwar mit der Einführung einer demokratischen Verfassung das Kastensystem abgeschafft, aber im täglichen Leben bestehen die Erniedrigungen und Benachteiligungen fort - trotz verschiedener Regierungsprogramme, die die Dalits fördern sollen." Der ÖRK hatte sich des Dalit-Problems schon seit Ende der 80er Jahre angenommen. Bewusst konzentrierte er sich dabei nicht nur auf die christlichen Dalits, sondern bot Dalits aller Glaubensrichtungen seine Unterstützung an. Der LWB schloss sich ein paar Jahre später diesen Bemühungen an. Auf der gegenwärtigen UN-Weltkonferenz in Durban arbeiten die beiden kirchlichen Organisationen, neben zahlreichen anderen Kirchengruppen, einander ergänzend zusammen. Der ÖRK sowie der LWB haben eine starke Vertretung der Dalits in ihren Delegationen, die sich in jahrelanger Arbeit auf diese Konferenz gut vorbereitet haben. In den wenigen Tagen, die noch bis zum Abschluss der Konferenz bleiben, arbeiten sie intensiv in den verschiedenen Lobbygruppen (Caucus) der Konferenz. "Unsere Aufgabe als Kirche ist es, in ein Wespennest zu stechen", sagt Peter Prove vom LWB, "besonders in einem Prozess, wie er zur Zeit hier in Durban auf Regierungsebene stattfindet und wo man Wert auf politische Hygiene legt. Als Kirchen und NGOs können wir eine Brücke schlagen zwischen den direkt Betroffenen und den internationalen Organisationen." Yesudoss Moses vom Nationalen Kirchenrat in Indien und Mitglied der ÖRK-Delegation engagiert sich im Dalit Caucus der Weltkonferenz. Im Aktionsprogramm der UN Regierungskonferenz will er gemeinsam mit anderen Dalit-Vertretern und -Vertreterinnen den Paragraphen 73 retten, der Staaten dringlichst auffordert, "Diskriminierung aufgrund von Abstammung und Arbeit zu verbieten". Diesen Absatz will Indien streichen. "Aber Indien steht isoliert da. Die Sympathie für das Dalit-Problem ist gross. Es wird für andere Länder schwierig sein, gegen die Interessen der Dalits zu sprechen. "Aber wir erhoffen uns noch mehr: wir wollen, dass in dem entsprechenden Absatz auch ausdrücklich von "Opfern von Kastendiskriminierung" die Rede ist", sagt Moses. Die Dalits erhoffen sich damit, dass ihre Rechte deutlicher und sichtbarer als bisher auf die internationale Tagesordnungen kommen. Somit könnte grösserer Druck auf Indien ausgeübt werden, das Kastensystem effektiv zu verändern. Doch gleichgültig ob gewisse Sätze gestrichen, erhalten oder hinzugefügt werden - die Dalits haben auf der UN-Konferenz in Durban der Welt gezeigt, dass sich 260 Millionen Menschen nicht mehr als Menschen dritter Klasse behandeln lassen. Sie fordern die universalen Menschenrechte für sich ein und rufen die internationale Gemeinschaft zur Verantwortung. "Keine andere unterdrückte Gruppe auf dieser Welt hat es geschafft, sich so schnell, so lautstark und so überzeugend ins internationale Rampenlicht zu stellen wie die Dalits", sagte Bob Scott, Kommunikationsreferent der ÖRK-Delegation in Durban. "Der offizielle Text im UN-Programm ist letztendlich zweitrangig. Jeder und jede Dalit kann jetzt sagen: Ich bin Dalit und die Welt wird wissen, was das bedeutet. Die Unterstützung für die Dalits ist eines der Wunder, das mit Hilfe des UN-Apparates geschehen ist." |