Ökumenischer Rat der Kirchen Kommunikationsabteilung
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ZENTRALAUSSCHUSS
29. Januar - 6. Februar 2001
Potsdam, Deutschland

5. Februar 2001

Friedensbotschaften aus der "schwangeren Auster"
Ökumene eröffnete Dekade zur Überwindung von Gewalt

Eine Feature von Martin Keiper


Ernste Worte, fröhlicher Kindertanz, bewegendes Strassentheater und jede Menge Mut machende Beispiele - wer am Sonntag, 4. Februar, den Weg ins Berliner "Haus der Kulturen der Welt" fand, konnte eine Art Kirchentag en miniature erleben. Gemeinsame Botschaft aller Beiträge: Man kann doch etwas tun gegen das weltweit grassierende Übel der Gewalt. Die frühere Kongresshalle, bei den Berlinern wegen der Architektur des Hallendachs als "schwangere Auster" bekannt, war ausser der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche einer der beiden Orte, an dem der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) seine "Dekade zur Überwindung der Gewalt" weltweit eröffnete.

An einen Kirchentag, allerdings auf viel kleinerem Raum und auf einen halben Tag verkürzt, erinnerte an diesem verschneiten und kalten Sonntag in der Tat vieles - einschliesslich der Hektik unmittelbar vor Eröffnung: Für die international besetzte Veranstaltung wurden noch die letzten Plakate angepinnt und letzten Stellwände aufgestellt, während die ersten Besucher den Weg vom Eröffnungsgottesdienst in der voll besetzten Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche zum Haus der Kulturen der Welt schon geschafft hatten. Dass dem "Fest im Foyer" während des ganzen Tages etwas Provisorisches anmutete, tat dem Interesse der Besucher keinen Abbruch - im Gegenteil: Gerade dass auf diesem Basar der guten Beispiele keine Patentrezepte angeboten wurden, sondern in der Präsentation der zwei Dutzend Gruppen auch die schwierige Suche nach Möglichkeiten friedensfördernder Arbeit zu erkennen war, machte den Charme der Veranstaltung aus. "Wer, wenn nicht wir?", fragten Schülerinnen und Schüler aus zwei Berliner Schulen, soll gegen Gewalt und Rassismus in Deutschland aufstehen und setzten ihre Vorstellungen in Zeichnungen, Skulpturen und einer Performance um. "Schritte gegen Tritte", ein inzwischen bundesweit bekanntes Projekt gegen Gewalt an Schulen, präsentierte ein Simulationsspiel zum Thema Rassismus und Gewalt am Beispiel Südafrika und Deutschland. Berliner Lokalkolorit aus dem multikulturellen Stadtteil Kreuzberg bot die "Kreuzberger Musikalische Aktion", die mit kulturellen Projekten der Gewalt unter Kindern und durch Kinder vorbeugen will.

Professionell vorbereitet und hochkarätig besetzt war dagegen die Feier zur Eröffnung der Dekade im grossen Saal der früheren Kongresshalle, für die die Organisatoren eine bunte Mischung von beeindruckenden Reden, bewegenden symbolischen Handlungen und mitreissenden Musik- und Theaterszenen zusammen gestellt hatten. "Visionen des Friedens" waren die Reden des Friedensnobelpreisträgers José Ramos-Horta, der früheren Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth und des Vorsitzenden des ÖRK-Zentralausschusses, Aram I., (Armenisch-apostolische Kirche) überschrieben. Bei unterschiedlichen Akzenten waren sich die Redner darüber einig, dass es gelingen kann, die scheinbare Logik der Gewalt zu durchbrechen - und dass die Kirchen durch ihre Zusammenarbeit im ÖRK über hervorragende Möglichkeiten verfügen, die Botschaft des Friedens zu verbreiten. Die Dekade, so unterstrich Zentralausschuss-Vorsitzender Aram, würde zu einem Test für die Glaubwürdigkeit des christlichen Bekenntnisses werden, denn die Christen müssten erkennen, dass sie oft "schwach und hilflos angesichts der Sünde der Gewalt" geworden seien.

Neben solch mahnenden und selbstkritischen Worten machte die Eröffnungsfeier aber auch Mut, sich der gewaltigen Aufgabe zu stellen, von der ÖRK-Generalsekretär Konrad Raiser später in einer Rede am Brandenburger Tor sagte, dass man die Dekade "nicht als blauäugige Idealisten" beginne, "die von Frieden und Versöhnung träumen und die Wirklichkeit nicht wahr haben wollen". Zu dieser Wirklichkeit gehören aber auch kleine Hoffnungsgeschichten wie die des früheren liberianischen Guerillakämpfers George Togba, der heute, in Aufarbeitung seiner gewalttätigen Vergangenheit, aus Patronenhülsen Kreuze herstellt. Als er seine Geschichte erzählte, die mit dem Abschlachten seiner Familie durch eine der vielen liberianischen Rebellengruppen begann, war die Betroffenheit der Zuhörer im Haus der Kulturen der Welt fast körperlich zu spüren.

Dass "jeder und jede bei sich selbst beginnen muss", um Gewalt zu überwinden, wie es in der offiziellen ÖRK-Botschaft zur Dekade heisst, werden wohl alle Besucher dieser Veranstaltung mit auf den Nachhauseweg genommen haben. Zu hoffen bleibt, dass die 342 Mitgliedskirchen des ÖRK den Anstoss aufnehmen, der von diesem Tag in Berlin ausging.

Martin Keiper ist Chefredakteur der Zeitschrift "EineWelt", die vom Evangelischen Missionswerk in Deutschland (EMW) herausgegeben wird.


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