Ökumenischer Rat der Kirchen
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Schweiz |
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ZENTRALAUSSCHUSS 29. Januar - 6. Februar 2001 Potsdam, Deutschland
"Alle Möglichkeiten der Kirchen nutzen" |
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Bischöfin Dr. Margot Kässmann räumte in ihrer Rede ein, dass Gewalt "über Jahrhunderte christlich legitimiert" worden sei. Die Kreuzzüge, die Judenverfolgung und die Missionsgeschichte seien Beispiele, wie mit theologischen Argumenten Gewalt gerechtfertigt wurde. Allerdings zeigte sich Kässmann überzeugt, dass die Kirchen aus der Geschichte gelernt hätten. "Christinnen und Christen wissen heute, dass es keinerlei Legitimation von Gewalt in ihrer Religion gibt." Sie wies auf die *grossen Möglichkeiten" der Christen hin, Versöhnung zu erreichen. Voraussetzung sei aber, dass die Opfer gehört würden und die Täter ihre Schuld bekennen können. Für die deutschen Kirchen nannte die Bischöfin drei Bereiche, in denen die Dekade umgesetzt werden könne: Erziehung zur gewaltfreien Konfliktlösung in den kirchlichen Kindergärten, die Beteiligung an Initiativen zum Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit und die Weiterarbeit am Thema Gewalt gegen Frauen. Damit könnten auch die Erkenntnisse aus der 1998 abgeschlossenen ÖRK-Dekade "Kirche in Solidarität mit den Frauen" fortgeführt werden. Sicher werde die Ökumene während der Dekade auch "Rückschläge und Enttäuschungen" hinnehmen müssen, aber die Dekade könne dazu führen, dass die im ÖRK vernetzten Kirchen "zu Zeichen und Symbolen der Gewaltfreiheit" werden. Erzbischof Anastasios (Orthodoxe autokephale Kirche in Albanien) erinnerte daran, welche Wirkungen entschlossenes und deutliches Reden und Handeln der Kirche haben kann. Obwohl in Albanien während der 46 Jahre kommunistischer Herrschaft jede Form religiösen Lebens staatlich verboten war, habe die Kirche überlebt. Als 1997, sieben Jahre nach dem Sturz der Kommunisten, sein Land in Anarchie und Gewalt zu versinken drohte, habe die Kirche ihre "prophetische Stimme" erhoben. Den Aufruf zum Ende des Blutvergiessens hätten viele Menschen *mit Aufmerksamkeit und Respekt" befolgt. Vergleichbare Erfahrungen habe seine Kirche gemacht, als es ihr während des Kosovo-Krieges gelungen sei, mit Hilfe ihrer Mitglieder die Unterbringung und Versorgung Hunderttausender Flüchtlinge sicher zu stellen. Anastasios hob hervor, dass der christliche Glaube eine "einzigartige Quelle der Inspiration" für den Kampf gegen Gewalt darstelle, denn Jesus selbst habe durch sein Wirken die scheinbare Logik der Gewalt überwunden. Deshalb müsse nach seiner Ansicht sich die Dekade nicht nur der Überwindung der Gewalt, sondern auch der Suche nach Versöhnung und Frieden verpflichten. Aus der Sicht der Südhalbkugel schilderte Mandla-Akhe Dube, Koordinator der Christlichen Studentenbewegung (SCM) Simbabwes, die vielfältigen Gewalterfahrungen in seinem Heimatland. Neben der weltweit bekannt gewordenen politisch motivierten Gewalt vor und nach den Wahlen gebe es viele Formen Besorgnis erregender häuslicher Gewalt, insbesondere gegen Frauen und Kinder. Als Form wirtschaftlicher Gewalt bezeichnete Dube die Auflagen, die seinem Land im Rahmen des *Strukturanpassungsprogramms" durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) gemacht wurden. Vor allem die Armen hätten die Folgen des Schuldendienstes zu tragen, die im Falle Simbabwes 16,6 Prozent des Bruttosozialproduktes betragen. Dube räumte ein, dass auch die afrikanischen Kirchen "Teil der Gewalt fördernden Kräfte" seien und nannte als Beispiel patriarchale Strukturen, durch die Frauen, die Jugend und Kinder an den Rand gedrängt würden. Andererseits hätten die Kirchen Afrikas hervorragende Möglichkeiten, Einfluss auf Politik und Gesellschaft auszuüben: 95 Prozent der Politiker hätten einen christlichen Hintergrund und die weitaus meisten Christen würden den Sonntagsgottesdienst besuchen. Dies sei "ein von Gott gegebenes wöchentliches Forum, politische Gewalt anzuprangern und die Anti-Gewalt-Botschaft zu verbreiten". Die Kirche müsse diese ihr gegebenen Möglichkeiten radikal nutzen, um das "unverfälschte Evangelium und gegenseitige Achtung zu predigen".
Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) ist eine Gemeinschaft von 342 Kirchen in über 100 Ländern auf allen Kontinenten und aus praktisch allen christlichen Traditionen. Die römisch-katholische Kirche ist keine Mitgliedskirche, arbeitet aber mit dem ÖRK zusammen. Oberstes Leitungsorgan ist die Vollversammlung, die ungefähr alle sieben Jahre zussammentritt. Der ÖRK wurde 1948 in Amsterdam (Niederlande) offiziell gegründet. An der Spitze der Mitarbeiterschaft steht Generalsekretär Konrad Raiser von der Evangelischen Kirche in Deutschland.
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