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2. Februar 2001

Kirchen für Versöhnung, Wahrheit und Gerechtigkeit Über die Rolle europäischer Kirchen bei der Versöhnungsarbeit


Um den nicht-europäischen Gästen die geschichtlichen Erfahrungen europäischer Christen in diesem Jahrhundert näherzubringen, fand am Mittwoch, 31. Januar 2001, anläßlich der Sitzung des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Potsdam eine Plenarsitzung zum Thema "Europa" statt. Der schwedische Journalist Conny Sjöberg interviewte in einer Podiums-Veranstaltung den Engländer deutsch-jüdischer Abstammung Paul Oestreicher, den Russen Vladimir Fedorov, den Deutschen Joachim Gauck, die Kroatin Ana Raffai, den Engländer John Arnold, und die Deutsche Doris Peschke.

Die Interview-Partner, Mitglieder unterschiedlicher Kirchen, forderten die europäischen Kirchen auf, sich ihrer Vergangenheit zu stellten und für die Versöhnung in ihren Ländern einzutreten. Zu oft hätten Christen zu Menschenrechtsverletzungen und Unterdrückung geschwiegen und deshalb grosse Schuld auf sich geladen. "Die orthodoxen Christen in Rußland sind mitverantwortlich für die Verbrechen der Bolschewiken", erklärte der Direktor des Orthodoxen Forschungsinstitutes für Missionswissenschaften und Ökumenismus in Russland, Vladimir Fedorov. Paul Oestreicher, emerierter Kanonikus der Kathedrale in Coventry, England, fragte kritisch, ob sich die westlichen Kirchen für die Verfolgten in Osteuropa ausreichend eingesetzt hätten. Und der frühere Leiter der nach ihm benannte Behörde für die Stasi-Unterlagen, Joachim Gauck, erklärte: "Es ist schädlich, die Frage nach der Schuld zu verdrängen", und bezog sich auf die unaufgearbeitete deutsche Vergangenheit zwischen 1933 und 1945.

Die Katholikin Ana Raffai ist Zeitzeugin aus Kroatien. Dort engagiert sie sich in einem Programm für Friedenserziehung in Bosnien und Kroatien und nennt diese Versöhnungsarbeit "Shalom-Diakonat". Ein Erfolg ihrer Arbeit sei die Bereitschaft, über die Gründe für den Bürgerkrieg zu sprechen: "Wir sprechen jetzt, nach dem Krieg, über ethnische und religiöse Unterschiede in unserem Land, die in der Vergangenheit tabu waren", berichtete sie dem Plenum. Den Eingriff der NATO in den Krieg lehnte sie entschieden ab: "Es ist nicht richtig, wenn über Bürger eines Landes von außen entschieden wird", betonte Raffai. Doris Peschke , Generalsekretärin des Ausschusses der Kirchen für Migranten in Europa, stimmte ihr zu, und wies auf die Schwierigkeiten hin, die bei der Beurteilung von Sachverhalten entstehen: "Mittlerweile ist in dieser Sache ein Streit zwischen der NATO und den europäischen Staaten über die Verfügbarkeit der einschlägigen Dokumente und deren Vertraulichkeit entstanden, so dass wir nicht einmal mehr prüfen können, ob das Eingreifen gerechtfertigt war."

Die Diskutanten bedauerten rassische Tendenzen in ihren Kirchen und beklagten die Tendenz europäischer Staaten, Hilfesuchenden den Einlass in die Festung Europa zu verwehren: "Nachdem sich die Grenzen innerhalb Europas öffneten, wurden die Grenzen nach aussen geschlossen", sagte Peschke. "Christen müssen gegenüber ihren Regierungen eine kreative, kritische Solidarität bewahren", forderte Oestreicher und erinnerte an die Verdienste der Christen in der DDR, mit deren Hilfe die deutsche Trennung überwunden werden konnte. Bei der Vergangenheitsbewältigung müsse die Perspektive gewechselt werden, meinte Ana Raffai: "Wir sollen nicht danach fragen, wer "für den Schaden zahlt', sondern was jeder einzelne für den Frieden tun kann."

In Kleingruppen, und später in einer öffentlichen Aussprache diskutierten die Mitglieder des Zentralauschusses auch ihre eigenen, teilweise tragischen Erfahrungen. Viele von ihnen verlangten ein aktiveres Eintreten christlicher Kirchen gegen Rassismus und Gewalt und für Toleranz, Gerechtigkeit und Frieden.

Zentralausschuss: Fotos


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