Ökumenischer Rat der Kirchen Kommunikationsabteilung
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ZENTRALAUSSCHUSS
29. Januar - 6. Februar 2001
Potsdam, Deutschland

31. Januar 2001

"Mehr auf Konsens setzen": Sonderkommission schlägt Änderungen in Arbeitsweise des ÖRK vor


Auf ein überwiegend positives Echo ist der Zwischenbericht einer "Sonderkommission zur orthodoxen Mitarbeit im Ökumenischen Rat der Kirchen" (ÖRK) gestossen. Der Bericht wurde dem Zentralausschuss des ÖRK am Mittwoch, 31.Januar, durch einen der beiden Kommissionsvorsitzenden, den EKD-Auslandsbischof Dr. Rolf Koppe vorgestellt und anschließend diskutiert. Koppe unterstrich die "erfreuliche Bilanz" der paritätisch mit 30 Mitgliedern aus orthodoxen Kirchen und 30 Vertretern der anderen Mitgliedskirchen besetzten Kommission. Die Bildung der Kommission wurde bei der letzten Vollversammlung des ÖRK 1998 in Harare beschlossen, nach dem aus den Reihen orthodoxer Kirchen heftige Kritik an Struktur, Arbeitsweise und der inhaltlichen Schwerpunktsetzung des Rates geübt worden war.

Als relativ einfach zu lösen bezeichnete Bischof Koppe Fragen rund um die Kriterien der Mitgliedschaft von Kirchen im ÖRK. Hier waren bei der letzten ÖRK-Vollversammlung von orthodoxer Seite bei Aufnahmeanträgen afrikanischer Kirchen Zweifel an deren theologischen Grundlagen und gemeindlicher Praxis geäussert worden. Mit einer Reihe von Klarstellungen in den Aufnahmekriterien und besserer Überprüfung im Vorfeld könnten diese Probleme gelöst werden. Allerdings müssten die orthodoxen Kirchen noch die Frage beantworten, ob ihr Selbstverständnis Raum lasse für andere Kirchen. Nach Vorstellungen der Sonderkommission sollte in Betracht gezogen werden, ob man Kirchen, die eine nur lose Verbindung zum ÖRK herstellen wollen, einen Beobachterstatus anbieten könne. Während der Aussprache wies das dänische Zentralausschuss-Mitglied Anders Gadegaard jedoch auf die Gefahr hin, eine nur lose Mitgliedschaft von Kirchen könne die Verbindlichkeit der ÖRK-Gemeinschaft beeinträchtigen und zu einem "Ausfransen" der ökumenischen Bewegung führen. Nach den Vorstellungen der Sonderkommission sollte ausserdem die gemeinsame Mitgliedschaft von Kirchenfamilien - zum Beispiel Kirchen gleichen Bekenntnisses aus verschiedenen Ländern - ermöglicht werden. Dies, so kritisierten Mitglieder des Zentralausschusses, könne jedoch zum faktischen Ausschluss kleinerer Mitgliedskirchen führen, wenn sie wegen der begrenzten Zahl von Sitzen ihrer Kirchenfamilie in den Gremien nicht mehr vertreten wären. Gerade kleinere Kirchen hätten der Ökumene in der Vergangenheit wichtige Impulse gegeben.

Breiteren Raum im Bericht und der Diskussion nahm die Frage ein, wie künftig der Prozess der Entscheidungsfindung im ÖRK organisiert werden sollte. Ausser orthodoxen hatten auch andere Kirchen in der Vergangenheit Kritik an der Entscheidung durch Mehrheitsbeschluss geübt, weil dadurch Kirchen mit von der Mehrheitsmeinung abweichenden Positionen majorisiert würden. Zur Lösung dieses Problems empfahl die Sonderkommission, künftig stärker auf das Konsensprinzip zu setzen. Bischof Koppe unterstrich in seiner Vorstellung jedoch, dass dieses Prinzip nicht die Einstimmigkeit aller Entscheidungen anstrebe. Vielmehr komme es darauf an, "die Methode der Entscheidungsfindung dem zu behandelnden Thema anzupassen". In Fragen der theologischen Lehre und bei Stellungnahmen des ÖRK zu sozialen, ethischen und politischen Fragen solle auf Konsens hingearbeitet werden, während über Finanz-, Verwaltungs- und Personalfragen auch weiterhin per Mehrheit entschieden werden sollte.

Während der Debatte wiesen eine Reihe von Zentralausschuss-Mitgliedern auf die Problematik des Konsensprinzips hin. So meinte der anglikanische Bischof Barry Rogerson (Bristol), es bestehe die Gefahr des Verstummens der "prophetischen Stimme des ÖRK". Das 1969 nach heftigen Debatten durch Mehrheitsbeschluss zustande gekommene "Programm zur Bekämpfung des Rassismus" sei im Rückblick betrachtet eine richtige Entscheidung gewesen, auch wenn viele ÖRK-Mitgliedskirchen damals beträchtliche Probleme mit dem Programm hatten. Solche Entscheidungen müssten auch künftig möglich sein. In jedem Fall müsse man sich darauf einrichten, dass das Konsensprinzip mehr Zeit für die Entscheidungsfindung erfordere.

Zum Thema gemeinsamer Gottesdienst und gemeinsames Gebet in der Ökumene stellte die Sonderkommission einen Dissens fest: Zwar setze "das gemeinsame Leben im ÖRK gemeinsames Beten voraus", es werde jedoch bisweilen behauptet, gemeinsames Beten setze "die Anerkennung eines bereits bestehenden Grades an Einheit voraus". Probleme hätten die orthodoxen Kirchen nach wie vor mit dem Feiern von Gottesdiensten mit Elementen aus Liturgien anderer Kirchen. Es müsse ein Weg gefunden werden, bei Gottesdiensten im Rahmen ökumenischer Begegnungen "Mischmasch" zu vermeiden, zitierte Bischof Koppe Äusserungen aus den Kommissionsberatungen. Bischöfin Margot Kässmann (Hannover) hob in der Diskussion dem gegenüber hervor, die gemeinsamen Gottesdienste hätten gezeigt, "dass Christen aus verschiedenen Traditionen und Weltgegenden gemeinsam miteinander feiern können". Damit habe der ÖRK die unterschiedlichen christlichen Traditionen zu einem "neuen Ganzen" zusammengeführt, dies sei eine "einzigartige Leistung".

Ziel der Kommissionsarbeit sei nicht gewesen, "den Orthodoxen zu Willen zu sein", betonte der orientalisch-orthodoxe Katholikos Aram I., Vorsitzender des ÖRK-Zentralausschusses. Die durch die Kommission aufgezeigten Fragen gingen weit über die orthodox-ökumenischen Beziehungen hinaus. Letztlich sei die Arbeit der Kommission eine Art kritischer Rückblick auf mehr als 50 Jahre ökumenischer Geschichte.

Über die Weiterarbeit an den Empfehlungen der Sonderkommission wird der Zentralausschuss voraussichtlich am Dienstag, 6.2., dem Abschlusstag seiner Sitzung in Potsdam, entscheiden.

Dokumentation über der Sonderkommission zur orthodoxen Mitarbeit im ÖRK" (nur auf Englisch)
Zentralausschuss: Fotos


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