Ökumenischer Rat der Kirchen
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Schweiz |
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ZENTRALAUSSCHUSS 29. Januar - 6. Februar 2001 Potsdam, Deutschland
Kultur der aktiven Gewaltlosigkeit nötig
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Die Kirchen hätten auf Gewaltsituationen nicht immer konsequent reagiert, sagte Aram I. Schon hinsichtlich des Anti-Rassismus-Programms habe es tiefgreifende Auseinandersetzungen gegeben. Auch jetzt stünden die Positionen "Revolutionärer Konflikt" und "Gewaltloser Widerstand" gegeneinander. Darüber hinaus seien in der jetzigen Situation die Kirchen selbst in einigen Fällen Teil des Problems, wenn sie sich mit Machtstrukturen identifizierten. Die Antwort der Kirchen auf Gewalt müsse aber eindeutig "aktive Gewaltlosigkeit" heissen, für die es viele Beispiele in der modernen Geschichte gebe - von Mahatma Gandhi und Martin Luther King bis hin zum Fall der Berliner Mauer und Jugoslawien. "Gewaltlosigkeit solle dabei nicht Ziel an sich sein, sondern nur ein Mittel, um Gerechtigkeit zu schaffen und Frieden wiederherzustellen," sagte Aram I. Weiterere wichtige Faktoren zur Überwindung von Gewalt sei der Aufbau von Gemeinschaft - in der Identität und Verschiedenheit bewahrt werden könnten - und Friedensarbeit. Das Leben der Gemeinschaften müsse sich auf demokratische Werte stützen - Partizipation, Würde und Gleichberechtigung. Die Friedensarbeit der Kirchen müsse eher präventiven als therapeutischen Charakter annehmen, und beginne auf Ortsebene. Ausführlich ging Aram I. auch auf das Dokument "Die Anwendung von Waffengewalt zur Unterstützung humanitärer Ziele - ein ökumenischer ethischer Ansatz" ein, das auf dieser Sitzung beschlossen werden solle. Schon auf der Ersten Vollversammlung des ÖRK 1948 habe es ernste Zweifel gegeben, ob es einen "gerechten Krieg" gebe. Die Frage sei allerdings nicht, ob das Böse bekämpft werden solle, sondern wie. Waffengewalt solle "nur unter äußerst schwerwiegenden und aussergewöhnlichen Umständen angewendet werden, wenn dies als letztes Mittel erforderlich ist, um Menschen aus großer Gefahr zu retten und sie zu schützen," betonte Aram I. Dennoch bleibe das Dilemma, die genaue Trennlinie zu ziehen zwischen dem legitimen und dem unmoralischen, ungerechten Einsatz von Gewalt. Die Dekade zur Überwindung von Gewalt (DOV), die am kommenden Sonntag in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche eröffnet werden wird, solle einen Prozess kreativen theologischen Nachdenkens über Gewalt einleiten, aktionsorientierte Prozesse in Gang setzen und bestehende Ansätze mit neuer Kraft erfüllen. Die Zusammenarbeit zwischen den Religionen und mit zivilen, nicht-kirchlichen Gruppen sei dringend nötig, erklärte Aram I., aber dabei dürfe das Besondere der gemeinsamen Verpflichtung der Kirchen nicht aus dem Auge verloren werden. Auch wenn die DOV eine globale Initiative sei, so müsse sie doch auf der vor Ort geleisteten Arbeit aufbauen und dort zum Tragen kommen, und in den verschiedenen kulturellen, sozio-ökonomischen und politisch-religiösen Kontexten zum Ausdruck gebracht werden. Der Vorsitzende des Zentralausschusses gab seiner Überzeugung Ausdruck, dass der ÖRK einen Sonderfonds zur Überwindung von Gewalt einrichten müsse - ähnlich wie beim Anti-Rassismus-Programm in den 70er und frühen 80er Jahren.
Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) ist eine Gemeinschaft von 337 Kirchen in über 100 Ländern auf allen Kontinenten und aus praktisch allen christlichen Traditionen. Die römisch-katholische Kirche ist keine Mitgliedskirche, arbeitet aber mit dem ÖRK zusammen. Oberstes Leitungsorgan ist die Vollversammlung, die ungefähr alle sieben Jahre zussammentritt. Der ÖRK wurde 1948 in Amsterdam (Niederlande) offiziell gegründet. An der Spitze der Mitarbeiterschaft steht Generalsekretär Konrad Raiser von der Evangelischen Kirche in Deutschland.
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