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27. November 2000

"Man kann für das Leben oder für den Tod arbeiten. Wir vom ÖRK haben uns für das Leben entschieden."
Ökumenisches Team bei der UN-Klimakonferenz in Den Haag

Mirjam Schubert


Vgl. ÖRK-Pressemitteilung, PR-00-34, 14. November 2000

In Gespräche vertieft steht eine buntgemischte, internationale Gruppe an der Strassenbahnhaltestelle. Aus Argentinien, China, Deutschland, Grossbritannien, Indien, Kanada, Kenia, Mexiko, Russland, Simbabwe, der Schweiz und den Vereinigten Staaten sind die zwölf Männer und Frauen zu der sechsten Vertragsstaatenkonferenz zur Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UN) im niederländischen Den Haag zusammengekommen.

Das trübe Herbstwetter kann der Stimmung nichts anhaben. Sie lachen viel in der Klimaarbeitsgruppe des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) - und das, obwohl der Klimawandel und seine Auswirkung auf das Leben der Menschen kaum Anlass zu Lachen bietet. Mit der Strassenbahn gelangt die Arbeitsgruppe von ihrem Hotel zum Kongresszentrum.

Eine öffentliche Veranstaltung in der nahegelegenen Zorgvliet-Kirche steht auf dem Programm. David Hallman aus Kanada ist der Delegationsleiter. Er erläutert das Selbstverständnis der Gruppe: "Wir betrachten es als unsere Aufgabe, die ethische, moralische und theologische Sichtweise in die Klimakonferenz miteinzubringen. Die Schwierigkeiten und Probleme können bei so etwas überwältigend sein. Wir möchten eine Vision einbringen, die eine Quelle der Hoffnung darstellt. Mit Gottes Hilfe können die Dinge anders laufen."

Bei der anschliessenden Podiumsdiskussion erklären Politiker aus dem niederländischen Parlament einhellig, dass sie das Kyoto-Protokoll unterstützen. Im Kyoto-Protokoll verpflichteten sich die Nationen 1997, ihre CO2-Emissionen mit festgelegten Zielen zu reduzieren. Zu Beginn der Konferenz haben nur 30 Entwicklungsländer das Protokoll ratifiziert. Bürokraten, Diplomaten und Minister ringen nun darum, dieses Papier anzunehmen und in Taten umzusetzen. Elias Abramides, Delegationsmitglied aus Argentinien, fragt die Abgeordneten, was sie für ein Land wie Argentinien vorschlagen, das unter einer erdrückenden Schuldenlast leidet und gleichzeitig Massnahmen zur Reduzierung von CO2 ergreifen soll. Auch hier stimmen die Politiker überein: das sei alleine Argentiniens Problem. Die Arbeitsgruppe reagiert mit Kopfschütteln.

Sorgenvolles Kopfschütteln auch bei Nafisa D'Souza. Sie arbeitet in Indien mit indigenen Gruppen. Die Vorstellung, dass sich westliche Länder durch das Aufforsten von Wäldern von ihren Hausaufgaben freikaufen können, beunruhigt sie. "Ich sehe hinter all den gutklingenden Vorhaben immer die Konsequenzen für die Menschen. Was, wenn Regierungen und Firmen kommerzielle Wälder anbauen, die die Bevölkerung vor Ort nicht nutzen darf?"

Der Eifer, mit dem westliche Länder sich darauf konzentrieren, ihre CO2-Emissionen zumindest auf dem Papier zu verringern, ist für Elias Abramides Betrug an der Natur. "Ich verlange nicht viel. Die mächtigen Staaten müssen sich wieder auf das eigentliche Ziel besinnen. Wenn sie nicht tatsächlich ihre Treibhausgase reduzieren, gibt es vielleicht keine Chance mehr für die Erde."

Bereits seit 1988 begleitet der ÖRK aktiv die internationale Klimapolitik. An allen wichtigen UN-Gipfeln hat die Arbeitsgruppe teilgenommen und das ist harte Arbeit. Es gibt so viele Menschen, Veranstaltungen und politische Entscheidungen. Auch Marijke van Duin aus Holland ist oft sehr erschöpft: "Es laugt einen ganz schön aus. Man muss aufpassen, dass es nicht zu viel wird. Die Herausforderung ist, kleine machbare Schritte zu tun, ohne dabei die grosse Vision aus den Augen zu verlieren."

Die kleinen Schritte verwirklichen alle Delegationsmitglieder in ihren Heimatländern und Regionen. Wichtig ist es, das Bewusstsein ihrer Mitmenschen für den Klimawandel zu schärfen. Bereits jetzt ist spürbar, dass sich etwas verändert. "Wir begannen mit nicht mehr als einer Idee," erzählt Jesse Mugambi aus Kenia über seine Aktivitäten in Afrika. Inzwischen lernen die Leute in ihren Dörfern in Workshops mit den Veränderungen umzugehen. Sie bauen zum Beispiel Reservoirs, um der Trockenheit zu begegnen.

Ein Zeichen der globalen Erwärmung ist für Jesse Mugambi das Abschmelzen der Eiskuppe des Mount Kenia. Zu den Verhandlungen des Gipfels bemerkt er: "Man kann für das Leben oder für den Tod arbeiten. Wir vom ÖRK haben uns für das Leben entschieden." Während des Klimagipfels trifft sich die Arbeitsgruppe fast täglich. Die Männer und Frauen halten sich gegenseitig über ihre Projekte auf dem laufenden, diskutieren den Verlauf und die Ereignisse des Gipfels und entscheiden über die Vergabe von Mitteln.

Neben der Arbeit bleibt aber auch immer Raum für persönliche Gespräche und am Nikolaustag spendiert Larisa Skuratovskaya der Runde Pralinen, einen Gruss aus ihrer russischen Heimat.

Kraft schöpfen die Mitglieder der Delegation auch in der Kloisterkeerk von Den Haag. Zusammen mit der Gemeinde der Klosterkirche und Teilnehmenden der Klimakonferenz feiern sie einen ökumenischen Gottesdienst. Der Gesang der etwa 100 Teilnehmenden erklingt vielstimmig und vielsprachig. In Predigt und Gebet steht Gottes Schöpfung im Mittelpunkt. Im Anschluss lädt die Gemeinde zu einen Empfang mit ökologischem Essen. Aber viel Zeit bleibt nicht, denn der Präsident der Konferenz veranstaltet ebenfalls einen Empfang. Auch dort gilt es, die Positionen des ökumenischen Teams deutlich zu vertreten.

Vor dem Plenum der Konferenz vertritt Angelique Walker-Smith die Position der ökumenischen Delegation. Zwölf Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) bekommen die Chance, vorne ans Rednerpult zu treten. An zehnter Stelle auf der Rednerliste steht der ÖRK, als einzige Glaubensorganisation überhaupt. "Ein bisschen aufgeregt bin ich schon," gibt die Pfarrerin und Fernsehjournalistin zu. In ihrer Ansprache betont sie: "Wir sind der festen Überzeugung, dass sich die Verhandlungen über den Klimaschutz wieder auf die Erfüllung der Kriterien für einen wirksamen Umweltschutz, auf Gerechtigkeit, Verantwortung und wirtschaftliche Effizienz konzentrieren sollten, wobei Massnahmen zur Emissionsreduktion in den Ländern mit hoher Pro-Kopf-Belastung Priorität eingeräumt werden muss. Alle Menschen sind nach dem Bilde, nach dem Ebenbild Gottes geschaffen, die ganze Natur trägt Gottes Zeichen. Gottes Erbe gilt dem Leib der Gemeinschaft, der die ganze Natur einschliesst."

Die Mitglieder der ökumenischen Delegation hoffen, dass ihre Botschaft gehört wird. "Wenn nicht jetzt, dann später," sagt Bonnie Wright aus Simbabwe und vertraut dabei ganz auf Gott. "Er wird dafür sorgen, dass sich der richtige Weg durchsetzt."

Die deutsche Journalistin Mirjam Schubert begleitete das ökumenische Team des ÖRK während der sechsten Vertragsstaatenkonferenz (CoP6) zur Klimankonvention der UN.

Foto von Angelique Walker-Smith bei der UN-Klimakonferenz


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