Ökumenischer Rat der Kirchen
Kommunikationsabteilung
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Schweiz |
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Die Botschaft in die Vorzimmer der Macht tragen |
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Während dieser Zeit führen sie in den Gängen und Büros Gespräche mit Regierungsvertretern und -vertreterinnen, formulieren Empfehlungen zu den entstehenden Dokumenten und tun alles in ihrer Kraft Stehende, um die Diplomaten und die Öffentlichkeit an diejenigen zu erinnern, die auf der Welt am meisten Not leiden und am häufigsten ausgegrenzt werden. Im Rahmen eines Projekts, das vom UN-Büro des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) und dem Lutherischen Weltbund (LWB) koordiniert wird, sind die Teammitglieder nach New York eingeladen worden, um an einer Reihe von UN-Tagungen in Vorbereitung auf "Genf 2000" - auch als "Kopenhagen + 5" bekannt - teilzunehmen. Die Teammitglieder repräsentieren weltweite ÖRK-Netzwerke, Mitgliedskirchen, Glaubensgruppen sowie Partnerorganisationen. Das Interesse, das der ÖRK den Bemühungen um eine Lösung der Probleme der sozialen Entwicklung entgegenbringt, wurde bereits während des Weltgipfels in Kopenhagen deutlich. Damals versprach ÖRK-Generalsekretär, Konrad Raiser, in seiner Plenarrede, dass die Kirchen sich für eine Förderung der Kultur der Solidarität und des Lebens einsetzen würden. Esther Camac-Ramirez, eine Quechua aus Peru, Leiterin der Vereinigung IXA CA VAÁ für Entwicklungs- und Ureinwohnerfragen in San José, Costa Rica, gehört dem ökumenischen Team an, das sich derzeit in New York aufhält. Sie war früher Mitglied der methodistischen Kirche und arbeitet heute in der Tradition indigener Spiritualität. Auch Vertreter und Vertreterinnen anderer Nichtregierungsorganisationen (NGOs) haben den Vorbereitungsprozess für "Genf 2000" verfolgt. Camac-Ramirez vermerkt allerdings, dass sie zumindest während dieser Sitzungsperiode in New York bislang keinem anderen Mitglied der Ureinwohnergemeinschaft begegnet ist. "Der Ökumenische Rat der Kirchen hat Menschen aus allen Bereichen der Gesellschaft Gelegenheit gegeben, ihre Vision zum Ausdruck zu bringen, und ohne sie wären wir nicht hier", sagt Camac-Ramirez. "Es ist sehr wichtig, unsere Präsenz in Veranstaltungen wie diesen zu gewährleisten. Wenn wir nicht hier sind, bringt vielleicht jemand anderes unsere Anliegen vor, doch kennen diese Leute unsere Probleme nicht wirklich." Gail Lerner, ÖRK-Vertreterin bei den Vereinten Nationen in New York, weist darauf hin, dass zur zweiten Vorbereitungstagung im April ein grösseres Team nach New York kommen wird. Diese Gruppe werde dann auch die von der UN-Generalversammlung einberufene "Kopenhagen + 5"-Tagung in Genf verfolgen. Bei der Auswahl der Teammitglieder "haben wir dem Süden, Frauen und Ureinwohnern den Vorrang gegeben", erklärt Lerner. Sie betont, dass das Team auf einem soliden Fundament "gemeinsamer ethischer Vorstellungen und Werte" steht. Wie ein Mitglied aus Kanada erklärt, sieht es das Team als seine Aufgabe an, in der UN-Debatte über Fragen der sozialen Entwicklung "einer starken ethischen Vision Geltung zu verschaffen". "Unsere Arbeitsweise unterscheidet sich von der anderer Gruppen", erklärt Lerner. "Das ökumenische Team bringt sachkundige lokale Stimmen in die UNO, und häufig stützt sich ihre Sachkenntnis auf die gelebte Erfahrung."
Afrikanische Teammitglieder benennen spezifische Bedürfnisse ihres Kontinents In Genf, so Mandlate, werde das ökumenische Team den Regierungsvertretern und -- vertreterinnen "das menschliche Anlitz" derer vor Augen führen, die trotz der wirtschaftlichen Fortschritte für andere Teile der Weltbevölkerung weiterhin in Armut leben. Er würde es "begrüssen, wenn die Erklärungen von Genf statt lediglich zu staatlichem Handeln zu ermutigen zu einer verbindlicheren Sprache übergehen würden": "Ich möchte deutliche Zielvorgaben, einen Überwachungsprozess und eine grössere Beteiligung der Zivilbevölkerung sehen." Die afrikanischen Teammitglieder stellen mitunter eine Präsenz dar, die ihre eigenen Regierungen nicht aufrechterhalten können. Beauty Maenzanise, eine evangelisch-methodistische Pfarrerin aus Simbabwe, suchte auf den UN-Vorbereitungstagungen die Vertreter und Vertreterinnen ihrer Regierung, "aber die waren nicht anwesend". "Ich habe mich bemüht, mit Repräsentanten aller afrikanischen Regierungen zu sprechen", erzählt sie. Die meisten waren froh, dass ich dabei bin. "Sie sagten mir, so könne ich stellvertretend für sie zuhören." Die meisten afrikanischen Vertretungen, so Maenzanise, haben nur einen kleinen Mitarbeiterstab und können die zahlreichen Tagungen nicht ständig verfolgen. Doch auch wenn die afrikanischen Mitglieder im ökumenischen Team einen Beitrag leisten können, hält es Maenzanise für höchst bedauerlich, dass es den afrikanischen Staaten unmöglich ist, sich effektiv an diesem Vorbereitungsprozesses zu beteiligen. Wenn es darum geht, offiziell über die afrikanischen Bedürfnisse zu sprechen und über Entscheidungen abzustimmen, dann reiche die Anwesenheit eines ökumenischen Teams als "Ohren" nicht aus, meint Maenzanise.
HIV/AIDS -- ein Problem von besonderer Dringlichkeit Hellen Wangusa, eine Anglikanerin, die in Kampala, Uganda, ein Netzwerk koordiniert, das sich auf Fragen von spezieller Bedeutung für afrikanische Frauen konzentriert, hofft, dass die Genfer Tagung Gelegenheit bieten wird, auf die Bedürfnisse der Basis einzugehen. Sie äussert ferner die Hoffnung, dass sich die Teilnehmenden konstruktiv mit der Frage der internationalen Schuldenlast auseinandersetzen werden. "Diese Debatte kann die Diskussion über andere Probleme wie Strukturanpassung befördern", meint sie. Ein katholisches Teammitglied, Albert Gyan aus Ghana, arbeitet derzeit in Brüssel bei "Kairos Europa", einem Netz kirchlicher Einrichtungen, die sich der Probleme der Ausgegrenzten angenommen haben. Albert Gyan ist Volkswirtschaftler. Er hofft, dass "Kopenhagen + 5" auch die Leidtragenden des "neoliberalen Wirtschaftsmodells" anhören werde. Dieses Wirtschaftsmodell, das die Fragen der Entwicklung und der Befriedigung der Bedürfnisse der Armen den Kräften des Marktes überlässt, hat seiner Meinung nach versagt. "Entweder wir gehen mit einem neuen Konzept voran oder wir werden überhaupt nicht weiterkommen", sagt er. Er hofft, dass zahlreiche Vertreter und Vertreterinnen marginalisierter Menschen in Genf dabei sein werden, damit Demonstrationen ähnlich denen im vergangenen Herbst während der Tagung der Welthandelsorganisation in Seattle stattfinden können -- "allerdings ohne Gewalt", betont er. "Wir müssen die Botschaft auf die Strasse tragen und dann in die Vorzimmer der Macht", sagte Gyan. "Ich hoffe, unsere Bemühen führen zu einem öffentlichen Aufschrei." Nicoleta Druta von der Rumänischen Orthodoxen Kirche, Architektin und ehrenamtliche Koordinatorin der ökumenischen Organisation "Partner für den Wandel" in Bukarest, ist eines der europäischen Teammitglieder. Auch ihr bereitet die "Strukturanpassung" Sorge, allerdings weist sie darauf hin, dass dieser Begriff in Osteuropa eine andere Bedeutung hat als im Süden. Die osteuropäischen Länder müssen ihre gesamte Gesellschaft umstrukturieren, und dies erfordere eine besondere Berücksichtigung der menschlichen Dimension, fügt sie hinzu: "Der Mensch ist kein Computer, in dem man nur die Programme auszuwechseln braucht. Deshalb erfordern die wirtschaftlichen Anpassungen einen komplexeren Ansatz, anstatt alles nur der Marktwirtschaft zu überlassen." John Langmore, Direktor der UN-Abteilung für soziale Entwicklung erklärt, das ökumenische Team zeige allein dadurch Wirkung, dass den Regierungen bewusst werde, dass noch jemand im Saal sei und zuhöre. Eine Regierung hätte am liebsten NGO-Beobachter ausgeschlossen, wenn sie gekonnt hätte, berichtet er. Langmore ist Anglikaner und kommt aus Australien. Er arbeitet in der ÖRK-Kommission der Kirchen für internationale Angelegenheiten mit. Langmore weist darauf hin, dass die soziale Gerechtigkeit, die viele der Teilnehmenden am Vorbereitungsprozess für die Genfer Tagung gern als zentrales Organisationskonzept sehen würden, eine biblische Grundlage hat. Damit liesse sich, so Langmore, ein "Markt-Fundamentalismus", der die Antwort auf alle Probleme allein darin sieht, dass man sie den freien Märkten überlässt, nicht vereinbaren. "Ich hoffe, dass die Kirchen als Organisationen, denen es um Humanität und soziale Gerechtigkeit geht, sich in diesem Kontext als Anwälte zeigen. Sie sollten sich nicht so sehr mit den technischen Aspekten aufhalten, sondern stattdessen zum Ausdruck bringen, um welche Ziele und Wertvorstellungen es geht, und sich auch weiterhin für diese Vision stark machen", fordert Langmore. Und er fügt hinzu: "Für die Kirchen gibt es wohl kaum eine bessere Gelegenheit, sich für die Gerechtigkeitsdimension ihres Glaubens einzusetzen."
Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) ist eine Gemeinschaft von 337 Kirchen in über 100 Ländern auf allen Kontinenten und aus praktisch allen christlichen Traditionen. Die römisch-katholische Kirche ist keine Mitgliedskirche, arbeitet aber mit dem ÖRK zusammen. Oberstes Leitungsorgan ist die Vollversammlung, die ungefähr alle sieben Jahre zussammentritt. Der ÖRK wurde 1948 in Amsterdam (Niederlande) offiziell gegründet. An der Spitze der Mitarbeiterschaft steht Generalsekretär Konrad Raiser von der Evangelischen Kirche in Deutschland.
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