ZENTRALAUSSCHUSS
Genf, Schweiz
26. August - 3. September 1999

ZUR BESCHLUSSFASSUNG

Dokument Nr. I&T 3

Bericht des Weisungsausschusses für Grundsatzfragen II

Einleitende Bemerkungen: Mandat und Aufgaben des Ausschusses

1. Der Ausschuss verbrachte am Anfang viel Zeit damit, seine Aufgaben (die in GS 5 und in der für die Ausschussmitglieder vorbereiteten kommentierten Tagesordnung beschrieben werden) zu klären und Missverständnisse im Blick auf seine Rolle innerhalb der neuen Struktur auszuräumen, die zu Verwirrung und Frustrationen geführt hatten. Am Ende der Diskussion definierte der Ausschuss seine Aufgabe und seine Tagesordnung folgendermassen:

  • Anliegen, die aus den Regionalsitzungen hervorgehen und Weiterarbeit erfordern, identifizieren.
    Padare

    2. Nach langwierigen Diskussionen kam der Ausschuss einstimmig zu dem Ergebnis, dass das Padare-Konzept einen wertvollen "offenen Raum" bietet, in dem sich jeder frei und vertrauensvoll äussern kann und in dem der Zentralausschuss die Möglichkeit hat, Einsichten, Anliegen und Erfahrungen auszutauschen. Man kam zu dem Schluss, dass innerhalb des Padare genügend Raum für Sitzungen sei, die zu einem Maximum an Interaktion ermunterten, sowie für einige Sitzungen, die eine eher informative Funktion und darstellenden Charakter hätten: einige sollten Eingang in die Tagesordnung des Zentralausschusses finden, und andere würden den Mitgliedern des Zentralausschusses helfen, sich und ihr jeweiliges Umfeld gegenseitig besser kennenzulernen. Im Anschluss an die Diskussion wurde beschlossen, dass die Verwendung des Begriffs "Padare" ausserhalb Afrikas nicht unangemessen sei: es handle sich hierbei um einen afrikanischen Beitrag zum ökumenischen Vokabular, der in verschiedenen lokalen Kontexten entfaltet, angewendet und verstanden werden müsse.

    3. Es wird empfohlen, dass:

    1. auch auf zukünftigen Zentralausschusstagungen ein Padare vorgesehen werden sollte;
    2. Zentralausschussmitglieder im Vorfeld eingeladen werden sollten, inhaltliche Vorschläge zum Padare zu machen oder Padare-Sitzungen zu leiten;
    3. Entscheidungen über Themen und praktische Vorkehrungen (Anzahl, Sitzungsdauer, usw.) vom Zentralausschuss getroffen und sorgfältig vorbereitet werden sollten;
    4. eine kleine "Padare-Zuhörergruppe" ernannt werden sollte, um den Prozess während der Zentralausschusstagungen zu begleiten;
    5. der Padare so flexibel gestaltet werden sollte, dass es möglich sein würde, verschiedene Ansätze zu wählen (wie in Abs. 2 oben beschrieben);
    6. der Padare ferner soviel Flexibilität ermöglichen sollte, dass Padare-Sitzungen entweder Themen, die auf der Tagesordnung des Zentralausschusses stehen, behandeln oder frei gewählten aktuellen Anliegen gewidmet sind;
    7. erwogen werden sollte, ob bestimmte Plenarsitzungen des Zentralausschusses als Padare gestaltet werden könnten.
    4. Als Ergebnis der Diskussion über das Feedback zu den 10 Padare-Sitzungen, die während der gegenwärtigen Zentralausschusstagung stattgefunden haben,
    1. wurden Empfehlungen zu folgenden Fragen an den Programmausschuss weitergeleitet:
      • die Fortführung des "protestantisch-orthodoxen Dialogs" im Rahmen der Sonderkommission und weitere Gespräche auf zukünftigen Zentralausschusstagungen;
      • spezifische dringliche Initiativen des ÖRK und der KEK zur Lage auf dem Balkan und insbesondere im Kosovo;
      • Unterstützung des vorgeschlagenen Jugendprogramms zur ökumenischen Ausbildung;
      • stärkere Betonung der (teamübergreifenden) Programme über ökumenische Spiritualität;

    2. wird empfohlen, dass es auf dem nächsten Zentralausschuss eine volle beratende Plenarsitzung zu Fragen im Zusammenhang mit Welthandel, Weltwirtschaft etc. geben sollte, wie es bereits im Rahmen der Padare-Sitzung über die WTO geschehen ist.

    Afrika-Plenum

    5. Es wurde begrüsst, dass die Plenarsitzungen über Afrika Gelegenheit boten, Anliegen aufzugreifen, die bereits auf der Vollversammlung in Harare behandelt wurden, aber eine Reihe von Delegierten äusserte die Meinung, dass die Diskussion in den Sitzungen nicht wesentlich vorangebracht worden sei oder dass sie Menschen ausserhalb Afrikas nicht wirklich geholfen habe, zu erkennen, wie sie den afrikanischen Kirchen helfen könnten, sich den Herausforderungen zu stellen; insbesondere wurde bedauert, dass das Papier über Afrika (I&T 1) und die darin angesprochenen Probleme wenig Beachtung gefunden hätten, obwohl es einen hervorragenden konzeptionellen Rahmen für die Fortführung der Arbeit innerhalb des Afrika-Programms liefert.

    6. Daher wird empfohlen, dass im Blick auf Afrika mit Hilfe eines integrierten Ansatzes weiter an folgenden Themen gearbeitet werden sollte:

    • die Auswirkungen von Kriegen und Konflikten (unter Berücksichtigung der Beziehungen zur Dekade zur Überwindung von Gewalt), Mikro-Abrüstung, Kinder und Frauen in bewaffneten Konflikten;
    • wirtschaftliche Gerechtigkeit, einschliesslich wirtschaftliche Globalisierung, Schulden und Regierungsführung im Blick auf Menschenrechte und Menschenwürde;
    • Spiritualität und Förderung ethischer Werte, die ein menschenwürdiges Leben in bestandfähigen Gemeinschaften fördern.

    Regionale Plenarveranstaltungen

    7. Der Stellenwert regionaler Plenarveranstaltungen wurde nachdrücklich bestätigt, weil sie dazu beitragen, dass Kirchen in Dialog miteinander treten können, dass Stimmen aus der Region gehört werden und dass sich die ökumenische Tagesordnung auf Sachkenntnis stützen kann. Es wird empfohlen, regionale Plenarveranstaltungen zu einem regelmässigen Element der Zentralausschusstagungen zu machen (allerdings nicht unbedingt auf Kosten von beratenden Plenarsitzungen zu bestimmten Themen). Nach Prüfung der verschiedenen Vorschläge, die (in den Regionalsitzungen und den Kleingruppen wie auch im Ausschuss selbst - Asien, Europa, Naher Osten) gemacht wurden, wird empfohlen, auf der nächsten Tagung des Zentralausschusses eine Plenarveranstaltung zu Asien durchzuführen, bei der u.a. auf die wirtschaftlichen Aspekte eingegangen und wo den Delegierten aus anderen Regionen Gelegenheit gegeben wird, die Bedeutung der angesprochenen Fragen für ihre eigene Kirche und ihren eigenen Kontext zu erörtern.

    8. Zu der speziellen Frage von Kindern in bewaffneten Konflikten wurde im Anschluss an das Referat, das der Sonderbeauftragte des UN-Generalsekretärs vor dem Zentralausschuss gehalten hat, und an die Resolution des UN-Sicherheitsrates vom 29. August ein von der afrikanischen Regionalsitzung vorbereiteter Entwurf einer Erklärung an den Ausschuss für öffentliche Fragen weitergeleitet.


    Regionale Berichte

    9. Bei der Entgegennahme von Berichten aus den Regionalsitzungen hielt der Ausschuss eine breite Skala von Arbeitsbereichen und Anliegen fest und bestätigte sie (z.B. im Zusammenhang mit Spiritualität, Identität, Globalisierung, interreligiösem Dialog, Fragen in Verbindung mit ökologischer Bestandfähigkeit und mit einheimischen Kulturen). Dabei handelte es sich um Bereiche und Anliegen, die im Zusammenhang mit bestehenden ÖRK-Programmen stehen, von denen man hoffte, dass der ÖRK in ihrem Rahmen auch weiterhin regionale Projekte und Initiativen unterstützten und mit ihnen zusammenarbeitet würden. Folgende Fragen wurden als "sich herauskristallisierende Fragen" identifiziert, zu denen empfohlen wird, dass sich der Stab und nachfolgende Tagungen von ÖRK-Leitungsgremien weiter mit ihnen beschäftigen:

    1. Fragen im Zusammenhang mit Ethnizität, Identität, Territorialfragen und Kirche, einschliesslich der Beziehung zwischen Religion und ethnischen Konflikten, der politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen zu beobachtender Formen des Missbrauchs von Religion, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit;
    2. die Implikationen des kolonialen Erbes und des Kalten Krieges für den Versöhnungsprozess;
    3. die Mobilisierung junger Menschen für die Bemühungen um spirituelle Erneuerung und christliche Einheit;
    4. die Veranstaltung einer internationalen Konsultation über Frieden und Sicherheit in Nordostasien in Absprache mit Mitgliedskirchen, Partnern und REOs;
    5. die Schaffung eines Rahmens, der es dem ÖRK erlaubt, dem besonderen Beispiel Südafrikas im Umgang mit Wahrheit und Versöhnung zu folgen;
    6. die Missionspraxis dort zu überprüfen, wo sie im lokalen Kontext Zerstörungs-, wenn nicht gar Gewaltpotential in sich birgt.

    Dekade zur Überwindung von Gewalt

    10. Dem Dokument ist ein überarbeiteter Entwurf der Botschaft an die Mitgliedskirchen und andere Ansprechpartner im Zusammenhang mit der Dekade beigefügt.

    11. In den Diskussionen während der Padare-Sitzungen, im Afrika-Plenum und in den Regionalsitzungen wurde eine Reihe von Fragen identifiziert, denen im Rahmen der Dekade Aufmerksamkeit geschenkt werden muss - einschliesslich der zunehmenden Auswirkungen internationaler Militarisierung, der Verbreitung von Kleinwaffen, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung, der Verbindungen zwischen der Dekade und religiösen sowie ethnischen Konflikten.


    Fragen im Zusammenhang mit Prozessen, Personal etc.

    12. Der Ausschuss empfiehlt, dass die folgenden Aspekte bei der Planung künftiger Zentralausschusstagungen und im Arbeitsprozess während des Zentralausschusses wie auch bei der weiteren Entwicklung des CUV-Prozesses berücksichtigt werden:

    1. die vorherrschende Arbeitsmethode, die die Prüfung von Papieren bevorzugt, die oft erst kurzfristig angekündigt werden und in relativ komplizierter Sprache abgefasst sind, belastet diejenigen, die mit anderen Arbeitsweisen vertrauter sind;
    2. es muss weiter an Kommunikationsfragen gearbeitet werden, indem z.B. Verbindungen zwischen dem ÖRK und den REOs verstärkt und Kontakte zwischen den Regionen verbessert werden;
    3. die Entwicklung eines Bewusstseins der gegenseitigen Rechenschaftspflicht die sowohl Unterstützung als auch Herausforderung beinhaltet, im Rahmen von Zentralausschusstagungen, ist zu begrüssen; mehr Beachtung muss aber noch der Ausarbeitung eines systematischen Prozesses geschenkt werden, der es erlaubt, Fragen, die sich aus den Regionalsitzungen ergeben, zu identifizieren und zu erörtern;
    4. die Planung des Prozess der Leitung von Sitzungen erfordert beträchtliches Feingefühl - selbst hinsichtlich der Sitzordnung beispielsweise und im Blick auf die Sicherstellung der Teilnahme aller Ausschussmitglieder;
    5. es besteht die Befürchtung, dass bestimmte Regionen (z.B. Asien, Karibik) in der gegenwärtigen Personalstruktur unterrepräsentiert sind: Es ist wichtig, dass sich die Erwartungen und Perspektiven aller Regionen in den Stabs-Ernennungen widerspiegeln und dass bei der Entwicklung und Prioritätensetzung des Arbeitsprogramms anhand des CUV-Rahmens die Frage der am besten geeigneten Methode (sei es innerhalb des ÖRK selbst, auf der Ebene der REOs oder durch einen Prozess der Zusammenarbeit) sorgfältig berücksichtigt wird.


    DEKADE ZUR ÜBERWINDUNG VON GEWALT
    Kirchen auf der Suche nach Versöhnung und Frieden

    Botschaft des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen

    Suche Frieden und jage ihm nach!
    (Psalm 34, 15)

    Als Antwort auf den Aufruf der Achten Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen leiten wir eine Dekade zur Überwindung von Gewalt ein, die sich auf die Jahre 2001-2010 erstreckt, und laden Kirchen, ökumenische Gruppen, einzelne Christinnen und Christen sowie Menschen guten Willens dazu ein sich an dieser Dekade zu beteiligen.

    Am Ende des gewaltträchtigsten Jahrhunderts in der Geschichte der Menschheit sind wir zur ersten Tagung des Zentralausschuss nach der Vollversammlung in Harare zusammengekommen. Wir sind der festen Überzeugung, dass die Kirchen aufgerufen sind, vor der Welt ein klares Zeugnis abzulegen von Frieden, Versöhnung und Gewaltlosigkeit, die auf Gerechtigkeit gründen.

    Wir erinnern an die Heiligen und Märtyrer, die bis an den heutigen Tag als Zeugen Gottes gegen die Mächte der Gewalt, der Zerstörung und des Krieges ihr Leben hingeben. Wir erinnern an das Zeugnis all der Menschen, die in ihren Gemeinschaften und darüber hinaus zu Zeichen der Hoffnung wurden und die Wege aus der tödlichen Spirale der Gewalt eröffneten. Als Vertreter und Vertreterinnen der Mitgliedskirchen des Ökumenischen Rates der Kirchen sind wir erfüllt von der Botschaft des Evangeliums vom Frieden Christi, von Liebe und Versöhnung und von der reichen biblischen Tradition des Friedens in Gerechtigkeit. Gottes Verheissung von Leben und Frieden für die ganze Menschheit und Schöpfung fordert von uns als Einzelnen und als Gemeinschaften des Glaubens, dass wir unser Leben in Übereinstimmung bringen mit unserem Glauben.

    Wir sind uns aber auch bewusst, dass Christen und Kirchen durch Worte und Taten ihr Teil dazu beigetragen haben, dass Gewalt und Ungerechtigkeit in einer Welt der Unterdrückung und des gnadenlosen Wettbewerbs zugenommen haben. Wir sehnen uns nach einer Gemeinschaft für die Menschen, in der niemand ausgeschlossen wird und jeder ein menschenwürdiges Leben in Frieden leben kann. Wenn wir uns aktiv dafür einsetzen, eine Kultur des Friedens aufzubauen, wissen wir, dass wir uns auf einen tiefgreifenden Prozess des Wandels einlassen müssen, angefangen mit Buße und mit einer erneuerten Verpflichtung auf die Quellen unseres Glaubens.

    Wir müssen aufhören, reine Zuschauer der Gewalt zu sein oder sie lediglich zu beklagen. Wir müssen uns aktiv um ihre Überwindung sowohl innerhalb als auch ausserhalb der Kirchenmauern bemühen. Wir erinnern uns und unsere Kirchen an unsere gemeinsame Verantwortung, mutig unsere Stimme gegen jeden Versuch zu erheben, ungerechte und repressive Strukturen, Rassismus, Gewaltanwendung, insbesondere gegen Frauen und Kinder, und andere grobe Menschenrechtsverletzungen, die im Namen einer Nation oder einer ethnischen Gruppe begangen werden, zu verteidigen. Wenn die Kirchen ihr Zeugnis von Frieden und Versöhnung nicht mit dem Streben nach Einheit untereinander verbinden, dann versagen sie in ihrer Mission an der Welt. Indem wir hinter uns lassen, was uns voneinander trennt, indem wir ökumenisch auf die Herausforderungen antworten und beweisen, dass Gewaltlosigkeit ein aktiver Beitrag zur Konfliktlösung ist, und indem wir in aller Demut anbieten, was Jesus Christus seine Jünger gelehrt hat, können wir als Kirchen der von Gewalt erschütterten Welt eine einzigartige Botschft bringen.

    Es gibt bereits eine Reihe von positiven und ermutigenden Beispielen in Gemeinden und Kirchen auf der ganzen Welt. Wir erkennen an, dass die monastischen Traditionen und die "historischen Friedenskirchen" beständig Zeugnis abgelegt haben, und wir zählen auch jetzt auf ihren Beitrag zur Dekade. Einige Gemeinden und Kirchen fördern bereits intensiv die Reflexion und das Einüben von Gewaltlosigkeit in ihrem jeweiligen Kontext. Sie beweisen genau den Mut, die Fähigkeiten und die Kreativität, die für aktive Gewaltlosigkeit und gewaltlosen Widerstand erforderlich sind. Sie sind sensibilisiert für die Zerstörung der Umwelt und konzentrieren sich auf die Lage der schwächsten Gruppen der Gesellschaft. Zum Aufbau einer Kultur des Friedens gehört auch, dass wir den Geschichten derer zuhören, die die Hauptopfer von Gewalt sind, wie Arme, Frauen, Jugendliche und Kinder, Behinderte und Urvölker.

    Es gibt die Menschen, die uns durch ihr Beispiel zeigen, dass Präsenz in Situationen der Gewalt, auf den Strassen und in Kriegsgebieten, dass die aktive Auseinandersetzung mit den Opfern und mit den Gewalttätern der eigentliche Schlüssel zu jeglichem Prozess der Verwandlung und Veränderung ist. Vor Harare haben das ÖRK-Programm zur Überwindung von Gewalt und die Kampagne "Friede für die Stadt" gezeigt: Frieden ist machbar, Frieden wächst von unten und gedeiht durch die Kreativität der Menschen. Sie arbeiten auf lokaler Ebene mit der Zivilgesellschaft zusammen und engagieren sich im Dialog und im gemeinsamen Handeln mit Menschen anderen Glaubens. Die Gruppen in den sieben Städten, die and der Kampagne beteiligt waren, haben sich gegenseitig gestützt und ermutigt, ihre Erfahrungen in unterschiedlichen Kontexten miteinander ausgetauscht und neue Erkenntnisse aus der Reflexion und dem Meinungsaustausch auf weltweiter Ebene gewonnen.

    Die Dekade zur Überwindung von Gewalt wird ein Forum bieten, auf dem Geschichten und Erfahrungen ausgetauscht und Beziehungen hergestellt werden und auf dem wir voneinander lernen können. Die Dekade wird auf den Initiativen aufbauen, die bereits existieren. Wir sind uns bewusst, dass unsere Arbeit parallel zur Arbeit der Vereinten Nationen im Rahmen der "Dekade für eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit für die Kinder der Welt" verläuft. Wir hoffen, Verbindungen zu solchen Initiativen herzustellen und dazu beizutragen, dass sie sich gegenseitig motivieren und stärken. Die Dekade zur Überwindung von Gewalt wird es den Kirchen leichter machen, einander in ihrem Dienst zu helfen und beizustehen. Mit der Dekade zur Überwindung von Gewalt bieten wir einen wahrhaft ökumenischen Raum an, einen sicheren Raum für Begegnung, gegenseitige Anerkennung und gemeinsames Handeln. Wir wollen gemeinsam danach streben, Geist, Logik und Praxis der Gewalt zu überwinden. Wir wollen zusammenarbeiten, um Versöhnung und Frieden in Gerechtigkeit in unsere Häuser, Kirchen und Gemeinschaften zu tragen wie auch in die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Strukturen auf nationaler und internationaler Ebene. Wir wollen zusammen eine Kultur des Friedens aufbauen, die sich auf gerechte und bestandfähige Gemeinschaften stützt.

    Die Vision, die uns das Evangelium vom Frieden bringt, ist eine Quelle der Hoffnung auf Veränderung und Neuanfang. Lasst uns nicht verraten, was uns geschenkt worden ist. Menschen auf der ganzen Welt warten ungeduldig und sehnsüchtig darauf, dass Christen und Christinnen werden, was sie sind: Kinder Gottes, die die Botschaft von Liebe, Frieden in Gerechtigkeit und Versöhnung verkörpern.

    Frieden ist möglich. Frieden ist machbar. Suche Frieden und jage ihm nach.

    Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heissen.
    (Matthäus 5.9)



    EIN RAHMENKONZEPT FÜR DIE DEKADE ZUR ÜBERWINDUNG VON GEWALT
    - vom Zentralausschuss angenommenes Arbeitsdokument
    26. August - 3. September 1999

    Einleitung

    Die Achte Vollversammlung des ÖRK fand unter einem afrikanischen Kreuz, in Harare, Simbabwe, statt, um Prioritäten und Programme für die nächsten sieben Jahre festzulegen. Die Delegierten riefen im Zusammenhang mit dem Thema der Vollversammlung "Kehrt um zu Gott - Seid fröhlich in Hoffnung" die Dekade zur Überwindung von Gewalt (DOV) ins Leben. Die Vollversammlung erklärte, der ÖRK solle in Fragen der Gewaltlosigkeit und Versöhnung "strategisch mit den Kirchen zusammenarbeiten, um eine Kultur der Gewaltlosigkeit zu schaffen. Hierbei sind Querverbindungen zu anderen internationalen Partnern und Organisationen und Interaktion mit ihnen sowie die Prüfung und Entwicklung geeigneter Ansätze für Konfliktbewältigung und die Schaffung eines gerechten Friedens im Kontext der Globalisierung sinnvoll". Der ÖRK beabsichtigt daher, die Solidarität mit Afrika zu verstärken und mit der weltweiten Gemeinschaft von Menschen zusammenzuwachsen, die eine Kultur der Gewaltlosigkeit und des Friedens aufbauen.

    Getreu dem Auftrag der Vollversammlung liegt der Schwerpunkt der Arbeit des ÖRK während der Dekade zur Überwindung von Gewalt eher auf dem Begriff der "Überwindung" als auf dem der "Gewalt". Beim methodischen Ansatz wird man daher die positiven Erfahrungen der Kirchen und Gruppen herausstellen, die an der Überwindung von Gewalt arbeiten. Die Dekade zur Überwindung von Gewalt muss aus den Erfahrungen und der Arbeit von Gemeinden und Gemeinschaften erwachsen. Der ÖRK kann den Austausch fördern, kann als Vermittler fungieren und Erfahrungen vor Ort zur Friedensschaffung und -konsolidierung und zur Gewaltverhütung hervorheben. Die Dekade zur Überwindung von Gewalt sollte dennoch über die Genfer Strukturen des ÖRK hinausgehen, um alle Mitgliedskirchen, Nichtmitgliedskirchen, NGOs und andere Organisationen, die sich für den Frieden einsetzen, miteinzubeziehen.

    Deshalb wird die Dekade zur Überwindung von Gewalt Bemühungen um die Überwindung unterschiedlicher Formen der Gewalt von Seiten der Kirchen, ökumenischen Organisationen und zivilgesellschaftlichen Bewegungen hervorheben und miteinander verknüpfen. Der ÖRK sollte herausfinden, wo Berührungspunkte mit den Zielen, den Programmen und der Konzeption der UN-Dekade für eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit für die Kinder der Welt (2001-2010) bestehen. Es ist wichtig, dass die Dekade zur Überwindung von Gewalt deutlich macht, welchen spezifischen und einzigartigen Beitrag die einzelnen Mitgliedskirchen und der ÖRK als Ganzes leisten können.

    Die Organisatoren der Arbeit des ÖRK für die Dekade zur Überwindung von Gewalt können sich unter Berufung auf das reiche Erbe des ÖRK an Programmen für Frieden und Gerechtigkeit auf Modelle der Koordinierung von Dekaden, Kampagnen und Programmen stützen und diese fortführen. Die Organisatoren werden dabei insbesondere folgende methodische Ansätze in Betracht ziehen: Teambesuche und Lebendige Briefe (wie beispielsweise in der Ökumenischen Dekade "Solidarität der Kirchen mit den Frauen", um sich mit Anliegen und Perspektiven aus der ganzen Welt auseinanderzusetzen; Internet, Video und Printmedien (Kampagne Frieden für die Stadt); Austausch und Besuche. Die Dekade zur Überwindung von Gewalt sollte diese methodischen Ansätze fördern. Sie sollte die Arbeit fortführen, die bereits im Programm zur Überwindung von Gewalt und im Rahmen der Kampagne Frieden für die Stadt geleistet wurde.

    I. ZIELE

    Um die Friedensschaffung vom Rand in das Zentrum des Lebens und Zeugnisses der Kirche zu bringen und um festere Bündnisse und eine bessere Verständigung zwischen Kirchen, Netzwerken und Bewegungen zu erreichen, die auf eine Kultur des Friedens hinarbeiten, hat sich die Dekade zur Überwindung von Gewalt folgende Ziele gesetzt:
    • Ganzheitliche Auseinandersetzung mit dem breiten Spektrum von direkter wie auch struktureller Gewalt zu Hause, in Gemeinschaften und auf internationaler Ebene, und Lernen von lokalen und regionalen Analysen der Gewalt und Wegen zu ihrer Überwindung;
    • Aufforderung an die Kirchen, Geist, Logik und Ausübung von Gewalt zu überwinden; auf jede theologische Rechtfertigung von Gewalt zu verzichten und erneut die Spiritualität von Versöhnung und aktiver Gewaltlosigkeit zu bekräftigen;
    • Gewinnung eines neuen Verständnisses von Sicherheit im Sinne von Zusammenarbeit und Gemeinschaft statt Herrschaft und Konkurrenz;
    • Lernen von der Spiritualität Andersgläubiger und ihren Möglichkeiten, Frieden zu schaffen, Zusammenarbeit mit Gemeinschaften Andersgläubiger bei der Suche nach Frieden und Aufforderung an die Kirchen, sich mit dem Missbrauch religiöser und ethnischer Identität in pluralistischen Gesellschaften auseinanderzusetzen;

    • Protest gegen die zunehmende Militarisierung unserer Welt und insbesondere gegen die Verbreitung von Feuer- und Handfeuerwaffen.
    II. EIN RAHMENKONZEPT FÜR DIE DEKADE ZUR ÜBERWINDUNG VON GEWALT

    1. Leitlinien für die Gestaltung und Durchführung der Dekade zur Überwindung von Gewalt
    • Angebot verschiedenster Ansatzpunkte schaffen, die es Kirchen und Gruppen ermöglichen, zusammenzufinden, zu Wort zu kommen und ihre Anliegen einzubringen
    • Gewährleistung und Unterstützung kreativer, wirksamer und professioneller Kommunikation als entscheidende Voraussetzung für den Ablauf und den Erfolg der Dekade zur Überwindung von Gewalt
    • Aufrechterhaltung der Dynamik über die 10 Jahre hinweg
    • Nutzung verschiedener methodischer Ansätze je nach Zielsetzung
    • Definition klarer Ziele für die Halbzeit der Dekade zur Überwindung von Gewalt (Vollversammlung 2005) sowie für das Ende der Dekade im Jahr 2010
    • Einbeziehung aller Arbeitsbereiche und Teams des ÖRK in die Dekade zur Überwindung von Gewalt

    2. Zwei Abschnitte der Dekade zur Überwindung von Gewalt
    • 2001-2005, Höhepunkt ist die Neunte Vollversammlung des ÖRK (2005)
    • 2006-2010, Höhepunkt ist die Abschlußfeier der Dekade
    3. Phasen der Dekade zur Überwindung von Gewalt
    • Phase I: 1999-2000: Vorbereitung der Dekade und ihrer Eröffnung Der Zentralaussschuß des ÖRK wird die Mitgliedskirchen und ökumenischen Partner einladen, sich der Dekade zur Überwindung von Gewalt anzuschließen. Er wird regionale ökumenische Versammlungen darum ersuchen, ihre spezifischen Prioritäten und Projekte zu benennen und sich so an der Ausarbeitung der Konzeption zu beteiligen. Weitere Aufgaben in dieser Phase sind die Formulierung der zentralen Botschaft, die Schaffung eines geeigneten organisatorischen Rahmens und Haushaltes für Koordinierung und Planung, die Entwicklung und Durchführung von Kommunikationsstrategien, die Vorbereitung der Eröffnung.

    • Phase II: 2001-2004: Eröffnung und Aktionen der Dekade zur Überwindung von Gewalt
      Im Januar 2001 werden überall in der Welt gleichzeitig Eröffnungsveranstaltungen organisiert, die Gemeinden und Gruppen einbeziehen, sowie auch internationale öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen.Verschiedene Themenbereiche und entsprechende Vorgehensweisen werden in der Dekade zur Überwindung von Gewalt eingesetzt; Planung, Kommunikation, gemeinsame Veranstaltungen und gemeinsame Ziele werden koordiniert.

    • Phase III: 2004: Synthese durch kontextüberschreitende Analyse und Erfahrung
      Während die Arbeit in einigen Problembereichen und Aktionen weitergeht, wird der ÖRK den Austausch zwischen kreativen Modellen der Friedensschaffung, die in den ersten drei Jahren erarbeitet wurden, ermöglichen, um Netzwerke und die Entstehung neuer Bündnisse zu fördern.

    • Phase IV: 2005: Aufarbeitung für die Vollversammlung und Vorbereitung der nächsten fünf Jahre
      Bei der Analyse und Auswertung des ersten Abschnitts der Dekade zur Überwindung von Gewalt wird der bisherige Verlauf geprüft und über folgende Fragen nachgedacht: Welche Lehren wurden bislang gezogen? Welches sind die Herausforderungen für die Kirchen? Was tun die Kirchen? Was muss noch getan werden? Ein Austausch über die Methodik sowie gegenseitige Besuche werden den Teilnehmern der Dekade zur Überwindung von Gewalt dabei helfen, aufeinander zu hören und voneinander zu lernen. Auswertungen und Austausch werden bei der Vorbereitung der Vollversammlung hilfreich sein und dem zweiten Abschnitt der Dekade neue Impulse geben.

    • Phase V: 2005-2010: Die Neunte Vollversammlung des ÖRK
      Erfahrungen und Herausforderungen des ersten Abschnitts der Dekade werden ausgetauscht. Schwerpunkt und Aktionsplan für die Jahre 2006-2010 werden festgelegt und verabschiedet.
    4. Mögliche Ansätze und methodische Vorgehensweisen
    1. Studien
      Weiterführung und Ausweitung der theologischen Reflexion über Gewalt und Gewaltlosigkeit aus der Perspektive der Menschenwürde und der individuellen und kollektiven Menschenrechte; weiterführende und für ein breites Publikum bestimmte Bibelarbeiten (kontextuell, kontext- und kulturüberschreitend), Studium und Analyse der Arbeit von Wahrheits- und Versöhnungs-kommissionen. Einbeziehung der Kirchen und regionalen Netzwerke in das Nachdenken über Gewalt und Friedensschaffung inmitten struktureller Herausforderungen wie Rassismus, Globalisierung, Gewalt gegen Frauen, Gewalt gegen Jugendliche, Gewalt gegen Kinder usw.

    2. Kampagnen
      Praktische Unterstützung von Kirchen und Gruppen in ihren Bemühungen um die Durchführung von Kampagnen zu speziellen Themenbereichen mit dem erklärten Ziel, Gewalt im eigenen Kontext zu verhüten, umzuwandeln und zu überwinden.

    3. Bildungsarbeit
      Aufbauend auf vorhandenen - insbesondere christlichen - Modellen Sammeln, Zusammenstellen und Verbreiten von Lehrplänen zur Friedenserziehung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene; Vernetzung von in der Friedenserziehung Tätigen und Sachverständigen sowie theologischen Institutionen, die sich im Bereich von Konfliktlösung, Konfliktumwandlung und Vermittlung engagiert haben. Infragestellung von Bildungssystemen und Medien, die Konkurrenzdenken, aggressiven Individualismus und Gewalt vor allem unter Kindern verfestigen.

    4. Gottesdienst und Spiritualität
      Materialien und Erfahrungen im Bereich Gottesdienst und Gebet über Traditionen und Kulturen hinweg miteinander teilen, um den Blick auf die gemeinsamen Bemühungen um Friedensschaffung und Versöhnung zu lenken. Der Begriff der metanoia ist von besonderer Bedeutung, da die Kirchen selbst Verantwortung für ihren Anteil an der Ausübung von Gewalt in Vergangenheit und Gegenwart tragen. Metanoia umfaßt Sündenbekenntnis, Busse, Erneuerung und Feiern des Glaubens und ist daher Grundlage für eine Kultur des Friedens.

    5. Geschichten erzählen - Dekade als "offener Raum"
      Mit ihren Geschichten von Gewalt, gemeinsamen Initiativen zur Überwindung von Gewalt und der Praktizierung einer Kultur des Friedens schaffen Kirchen, Gemeinschaften, Gruppen und Einzelne über Internet, Printmedien, Videos, Veranstaltungen und in persönlichen Gesprächen einen "offenen Raum". Durch diese Geschichten werden Menschen und Bemühungen zueinanderfinden, Unter-stützung und Solidarität greifen, Ressourcen und Ideen ausgetauscht und ein kontinuierlicher Beitrag zum Ablauf und zum Schwerpunkt der Dekade geleistet, vor allem für den zweiten Abschnitt, die Jahre 2006-2010.
    5. Problembereiche
    Es gibt nicht nur körperliche, sondern auch emotionale, intellektuelle und strukturelle Gewalt. Während der Dekade zur Überwindung von Gewalt wird der Schwerpunkt auf der Reaktion auf und der Verhütung von folgenden Formen der Gewalt sein:

    • Überwindung von Gewalt zwischen Staaten
    • Überwindung von Gewalt innerhalb von Staaten
    • Überwindung von Gewalt in örtlichen Gemeinschaften
    • Überwindung von Gewalt zu Hause und in der Familie
    • Überwindung von Gewalt in der Kirche
    • Überwindung von sexueller Gewalt
    • Überwindung von sozio-ökonomischer Gewalt
    • Überwindung von Gewalt als Ergebnis wirtschaftlicher und politischer Zwangsmassnahmen
    • Überwindung von Gewalt unter Jugendlichen
    • Überwindung von Gewalt in Verbindung mit religiösen und kulturellen Gebräuchen
    • Überwindung von Gewalt innerhalb von Rechtssystemen
    • Überwindung von Gewalt gegen die Schöpfung
    • Überwindung von Gewalt als Ergebnis von Rassismus und ethnischem Haß
    III. ABSCHLIESSENDE BEMERKUNGEN

    Die Ökumenische Dekade zur Überwindung von Gewalt verfolgt das Ziel, die Begeisterung und Erwartungen von Kirchen, ökumenischen Organisationen, Gruppen und Bewegungen weltweit zu bündeln, um einen positiven, praktischen und einzigartigen Beitrag der Kirchen zur Errichtung einer Friedenskultur zu leisten. Der Entwurf und der methodische Ansatz der Dekade zur Überwindung von Gewalt sollten zielgerichtet und zugleich offen für Kreativität sein und die Dynamik der Kirchen und verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen nutzen. Die Konzeption der Dekade zur Überwindung von Gewalt wird abhängig sein von den von Vorschlägen, Initiativen und der Leitung der ÖRK- Mitgliedskirchen und der ökumenischen Partner, denn sie werden die Themenbereiche und den Ablauf der Dekade zur Überwindung von Gewalt bestimmen.

    Das vorliegende Dokument dient als Rahmenkonzept für die Vorbereitung der Dekade zur Überwindung von Gewalt. Während der Dekade wird der Exekutiv- und der Programmausschuss den Prozeß überwachen und die Ziele und methodischen Ansätze näher definieren.



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